Nicht für alle Touristen sind die Bettenhochburgen, wie z. B. Puerto Rico oder Playa del Inglés ein erstrebenswerter Ort, um ihren Erholungsurlaub zu verbringen. Doch hinter dieser „Fábrica de Turismo“ mit seinen überbordenden Angeboten an Freizeitaktivitäten, seinen Animationen etc. befinden sich wunderschöne entlegene Schluchten, tief in die Berghänge geschnitzt, die wiederum üppige Palmenhaine und alte Dörfer verbergen. Diese „Pueblos“ geben uns die Möglichkeit, in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Gran Canarias zu reisen: zum ursprünglichen Gran Canaria. Ein Aufenthalt in einem Luxus Resort kann auf diese Weise perfekt mit abenteuerlichen Wanderungen in einer exotischen Umgebung kombiniert werden.
Eine zwanzigminütige Fahrt von Playa del Inglés und immer noch in der touristischen Gemeinde San Bartolomé de Tirajana, liegt zum Beispiel das Dorf Cercados de Espino, ein idealer Ausgangspunkt für raue Wanderungen. In diesem vergessenen Dorf mit seiner überraschenderweise jungen und weltoffenen Bevölkerung haben sich die Alten und die örtliche Jugend zusammengeschlossen und eine Vereinigung mit dem Ziel gegründet, das lokale Naturerbe zu schüzten und die alten Eselpfade wieder ins Leben zu bringen.
Cercados de Espino befindet sich in der Schlucht von Arguineguín, die die Grenze zwischen den Gemeinden Mogán und San Bartolomé de Tirajana darstellt. Der Barranco ist so tief, dass seine senkrechten Felswände bei manchen Besuchern sogar eine spontane klaustrophobische Wirkung haben. „Wenn man die Autobahn verlässt, fährt man in einen Hals ein und nach dem Kehlkopf geht es links in die enge Luftröhre“, beschrieb es einmal eine Wanderin in plastischer Art. Die Schlucht von Arguineguín ist eine Hauptschlucht und wurde, so wie alle, durch das Wasser im Laufe vieler Jahrhunderte ausgegraben. Das Klima auf den Kanarischen Inseln war früher anders. Flüsse flossen, es regnete viel mehr und dank der Wassermenge hatten die höchsten Inseln eine Jurassic Park-ähnliche Landschaft. Jetzt gibt es keinen Fluss mehr und die Bäche, die zum Meer strömen, werden mit Hilfe von Wassergalerien künstlich gespeist.
Alle Inseln des Archipels sind vulkanischen Ursprungs. Bau und Zerstörung gehen Hand in Hand. Während Vulkanismus für „la construcción“ verantwortlich ist, ist Erosion für „la destrucción“ verantwortlich. Der Barranco von Arguineguín befindet sich im geographisch ältesten Teil der Insel. In den letzten zehn Millionen Jahren wurden dem ‚Ziegelsteinkuchen‘, der eine Vulkaninsel ist, kaum neue Schichten hinzugefügt. Die Erosion hat also ihre Aufgabe erfüllt und Rillen in den Kuchen geschnitten - Rillen über 500 m Tiefe. Der Barranco ist so eng, hoch und tief, dass es Ecken gibt, an denen die Sonne niemals scheint. In dieser schmalen Schlucht gibt es kleine grüne und fruchtbare Flecken, die mit ihrer üppigen Vegetation nach einem feuchten deutschen Sommer riechen.
Wo damals wilde Olivenbäume die vertikalen Hänge schmückten, finden wir heute farbenfrohe Pflanzen wie den Lavendel, das gelbe Löwenmaul, der weiße Natternkopf, die lila Krummblüte, er rote Salbei ..., die die Wolfsmilchgewächse in niedrigeren Lagen begleiten. Diese Pflanzen flankieren die restaurierten Wege, auf denen die Hirten damals schwitzten, als sie ihr Vieh hochführten und in den kleinen Steinhäusern nach Schatten und Schutz suchten. Für Mitarbeiter wie ich, bieten solche Wanderwege und Bergdörfer eine echte Erholung nach dem Trubel des touristischen Südens. Die Einwohner von Cercados de Espino bringen erwecken diese Wege mit ihren Initiativen zum Leben und tragen so zur Diversifizierung des Tourismus und zur Nachhaltigkeit von Gran Canaria als Reiseziel bei.
Verein der 'alten Wanderwege'
„La Asociación de los Acebuches“ wurde im Jahr 2014 gegründet und ist eine Vereinigung junger Freiwilliger, die dank des Wissens älterer Kanarier die verfallenen Wanderwege wiederhergestellt haben. Sie versuchen, mit einem jährlichen Laufwettbewerb, das Naturerbe der Schlucht zu bewahren sowie bekannt zu machen. Heute können Läufer des „Los Acebuches Trail“ aus drei Entfernungen wählen: 6 km, 16 km, 26 km. Alle drei Routen durchqueren das Gebiet „Los Acebuches“ und liegen direkt hinter dem Dorf Cercados de Espino.
Wie viele andere Toponyme sagen auch diese etwas über die Region aus. Ein „Cercado“ weist auf eine geschlossene Wiese hin, auf der das Vieh zusammen getrieben wurde und weidete. „El espinero“ oder „Rhamnus crenulata“ bedeutet im Lateinischen Dornbusch, der damals häufig vorkam. Der Name „los acebuches“ ist noch typischer. El Acebuche ist der wilde Olivenbaum, der Olea cerasiformis, der in prähispanischen Zeiten als dominanter Baum des thermophilen Waldes wahre Acebuchales bildete. Diese Acebuche ist, zusammen mit der Palme und dem Drachenbaum der Stolz des kanarischen Archipels. Die Härte des Holzes ist seit jeher bekannt. Die alten Einwohner haben nicht nur die Stöcke für den Stockkampf aus diesem Holz gemacht, sondern das Wort „Acebuchazo“ wird immer noch verwendet, um ein hartes Ohrwischen zu beschreiben.
Mogán Verde unterstützt solche lokalen Initiativen und bietet jede Woche die sechs Kilometer lange Acebuches Route als private Wanderung an. In den Morgenstunden beginnen wir unseren Aufstieg und bevor die Sonne ins ganze Tal scheint, erreichen wir den höchsten Punkt, wo wir ein kleines Picknick genießen und die atemberaubende Aussicht auf unserer Felsplatte einnehmen.
Der Abstieg führt an Los Tabucos vorbei; wieder ein „canarismo“. Wie die südamerikanischen Länder haben auch die Kanarischen Inseln eine eigene Version der spanischen Sprache. Sie ist mit berberischen Wörtern der Ureinwohner und anderen Besonderheiten gespickt. Los Tabucos ist eine Senke in einem Berghang, wo die toten Rinder rein geschmissen wurden. Dieser Ortsname verweist auf diesen Brauch von einst.
Die sechs Kilometer lange Acebuches-Tour ist zwar eine kurze, aber würzige Wanderung und wird mit einem Tapas-Menü im örtlichen Restaurant belohnt.
Das Panorama, das man von der Terrasse oder vom Platz aus genießt, läßt das Essen noch besser schmecken.
Sofie Hendrikx
Kontakt
Mogán Verde - Sofie Hendrikx
staatlich zugelassene Reiseführerin (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch), auch individuelle Touren.
Tel.: (+34) 653 737 773
Email: sofiehendrikx@hotmail.com
www.moganverde.es
Start/Ende: 8.00 bis ca. 13.00 Uhr
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Distanz: 6 km
Preis: 62 Euro pro Person, beinhaltet Guide, Transport, Versicherungen, Wasser, ein kleines Picknick, Stöcke und ein Tapasmenü am Ende. Termine: Jeden Montag, Reservierung erforderlich! Max. 10 Gäste
Fotobeschreibung:
01: Blick auf das Dorf Cercado de Espino im Barranco de Arguineguín
02: Sofie Hendrikx, Wanderführerin (im Bild mit ihrem Söhnchen)
03: Paso del Caballo
04: Einige Vertreter der Vereinigung Acebuches