Ich konnte es kaum erwarten, endlich wieder Wanderungen in einer der wunderschönen Gegenden auf Gran Canaria zu machen. Dank des Erreichens der Phase zwei des Deeskalationsplans des gegenwärtigen nationalen Alarmzustands in Spanien rückte dieser innige Wunsch in greifbare Nähe. Nicht nur ich hungerte nach Freiheit und Natur, auch mein Freundeskreis wollte sich anhängen. Aber wie? Ich, als Vertreterin der Presse, konnte zwar losfahren, aber anderen ist es verboten, es sei denn man geht der Aktivität des Naturtourismus mit einem offiziell registrierten Guide nach. Perfekt! Die - meiner Meinung nach - kompetenteste und sympathischste Reiseführerin ist die 6-sprachige Belgierin Sofie Hendrikx, die schon seit Jahren immer wieder Gastbeiträge für unser Magazin beisteuert. Ich rief sie an und auch sie hatte logischerweise durch die wochenlangen Bewegungseinschränkungen der Bürgerinnen und Bürger gerade nicht viel zu tun. Also buchte ich „Mogán Verde“ offiziell und war gespannt, wie es sein würde, an einer geführten Tour teilzunehmen und zu wandern… eine neue Erfahrung.
Wer im trockenen und vegetativ bescheiden ausgestatteten Süden der Insel lebt, der sehnt sich nach Grün, Pflanzen und Vögel. Und wo könnte man mehr davon bekommen als im Dschungel von Gran Canaria, im Sondernaturschutzgebiet von Los Tilos de Moya.
Auf in den Dschungel von Gran Canaria
Aufgrund dieser einzigartigen Biodiversität sind 56 % der Fläche auf Gran Canaria Naturschutzgebiete in verschiedenen Kategorien, je nach Wert und Nutzung (siehe Kasten).
Sofie sandte mir am folgenden Tag Informationsmaterial über die Route, die ich an die Teilnehmer weiterleitete. Auch ein QR Code war dabei, denn in der heutiger Zeit darf man, solange das Coronavirus wütet, keine Unterlagen an die Teilnehmer ausgeben.
Wir waren zehn Personen und vertraten neun Nationalitäten, eine fantastische Mischung verschiedener Kulturen und Temperamente. Von den lebhaften Südländern bis zu den kühlen Nordlichtern, alles war vertreten. Wir trafen uns pünktlich um 8.00 Uhr morgens am Parkplatz des Mercado Municipal. Die Vorfreude war bei allen Teilnehmern enorm, was sich schon auch daraus ableiten ließ, dass alle glückstrahlend und in passender Wanderkleidung pünktlichst erschienen. Nur der Nasen-Mundschutz war ungewöhnlich, ist aber in diesen Zeiten ein bedauerliches Erfordernis. Wir wurden sogar von der Polizei kontrolliert, was wir denn vorhätten und ob jeder seine Maske trägt. Das ist immer dann erforderlich, wenn ein Sicherheitsabstand von zwei Metern nicht gewährleistet werden kann.
Erste Station: Moya Stadt
Wir fuhren jeweils zu zweit in einem PKW in den Norden nach Moya, auch eine dieser temporären Einschränkungen. Dort sollten zwei Teilnehmer aus Las Palmas de Gran Canaria zu uns stoßen und diese Gelegenheit nutzten wir, um den herrlichen Ausblick auf die Tiefen des Barranco de Moya zu genießen, der sich von der Terrasse hinter der Kirche aus bietet. Übrigens lohnt sich ein Besuch des Museo Tomás Morales,1) das sich in unmittelbarer Nähe der „Iglesia de la Candelaria“ befindet und das Leben der gehobenen Gesellschaft von einst par excellence vermittelt. Er war ein gefeierter kanarischer Literat, Chronist und Arzt. Wir lassen das Kulturangebot allerdings aus, denn wir sind zum Wandern da.
Doch zuvor müssen wir uns nochmals in unsere Autos schwingen und wenige Minuten stadtauswärts der GC-75 folgen bis wir am Hinweisschild „Los Tilos“ links abbiegen und auch schon da sind. Die Parkmöglichkeiten scheinen wie für uns gemacht worden zu sein, denn mit Ausnahme der „Parkranger“ ist alles menschenleer.
Mikroklima sorgt für maximale Biodiversität
Sofie erläutert uns bei Kaiserwetter mit klarer Stimme auf sehr anschauliche und verständliche Weise einige interessante Hintergrundinformationen über die Gegend unserer Wanderung. Dass es in Moya an Wasser nicht mangelt, ist an der dichten Vegetation mehr als evident. Welche Faktoren für dieses Mikroklima eine besondere Rolle spielen, ist weniger bekannt. Selbst, wenn längere Zeit kein Regen fällt, gibt es hier häufig eine Wolkendecke und dafür sich die Passatwinde verantwortlich, Temperaturunterschiede und unterschiedliche Geschwindigkeiten der Strömungen sorgen für eine stabile Wolkendecke. Alle Details der Ausführungen unseres Guides möchte ich nicht verraten, damit noch Spannung für eine eigene gebuchte Führung bleibt. In diesem Mikroklima hat sich im Laufe der Zeit ein besonders großer Artenreichtum entwickelt und daher ist Los Tilos de Moya, ein Seitental des Naturschutzgebiets Parque Doramas, zu einem Sondernaturschutzgebiet erklärt worden. Hunderte Pflanzen, manche davon gefährdet, und etliche wirbellose Tiere gibt es hier. Sofie wird uns während der Tour immer wieder mit ihrer Fachkompetenz überraschen und uns außergewöhnliche Besonderheiten und Pflanzen vorstellen.
Einer der letzten drei Lorbeerwälder
Mit Wehmut liest man die Landschaftsbeschreibungen der ersten Chronisten, wenn sie die Insel mit sprudelnden Quellen, wasserführenden Schluchten und dicht bewachsenen Wäldern beschreiben. Mit der Unterwerfung durch die Spanier fielen die Wälder ihren Äxten zum Opfer und später auch für die Rumproduktion etc. Die Wasserläufe versiegten und durch die Erosionen verödeten ganze Landschaftsstriche.
Auf Gran Canaria überlebte nur etwa ein Prozent dieses einstigen undurchdringlichen Märchenwaldes. In „Los Tilos de Moya“ überlebte ein kleiner Teil dieser Lorbeerwälder als eine von drei Zonen. Das ist ein Mitgrund für die Deklarierung zum Sondernaturschutzgebiet.
Auf in den Dschungel von Gran Canaria
Gewappnet mit Rucksack, Wasser und Proviant starten wir unsere Tour und die Natur ist unüberhörbar. Ein fröhliches Konzert verschiedener Vögel, die um die Wette zwitschern. Wir folgen im notwendigen Abstand dem Trampelpfad, der immer tiefer in den kanarischen „Dschungel“ führt. Je dichter dieser wird, je höher die Baumkronen, desto frischer wird die Luft. Sträucher, Blumen, Kräuter, Wiesen, Farne und stellenweise Moos an den Baumrinden zaubern pittoreske Landschaften und fantastische Fotomotive. Das Naturkonzert wird immer wieder auch vom Plätschern des Bachlaufs untermalt. Es ist einfach herrlich!
Allmählich zieht sich der Weg sanft hoch und wir schlendern entlang eines Bergrückens, von wo aus wir eine herrliche Sicht auf die üppige Vegetation haben. Immer wieder bleiben wir stehen, um Sofies Ausführungen zu lauschen. Einige wenige haben wir repräsentativ ausgesucht, denn sonst würde dieser Bericht den Rahmen sprengen. Fast zu schnell ist diese 3,5 km lange Tour vorbei und an der letzten entscheidenden Gabelung stellt uns Sofie vor eine Entscheidung. Zurück zum Auto oder noch einen kurzen etwa 500 Meter langen Abstecher zu einer kleinen Wiese. Einstimmig wollten wir unser Vergnügen noch ein wenig ausdehnen und bogen rechts ab und wanderten das etwas steilere Stück hoch, um dort glücklich eine Pause einzulegen und unseren mitgebrachten Proviant zu verspeisen.
Fazit
Los Tilos de Moya ist immer wieder einen Besuch wert und die Tour ist vergleichsweise kurz und leicht, also auch für weniger sportliche Menschen gut zu bewältigen. Wir empfehlen unbedingt das Wetter vorher zu überprüfen, da einige Wege und Straßen bei Regen nicht befahren werden können.(www.eltiempo.es oder mit Ihrem Smartphone)
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1)Viva Canarias Nr. 66 vom 21.11.2014 „Tomas Morales, Geburtshaus als Museum in Moya“