Nicole Mentado Burman heißt die aufstrebende Designerin, die mit ihrer exklusiveren Bademodelinie „Maldito Sweet“ zielstrebig auf Erfolgskurs fährt. Sie ist eine jener jungen kanarischen Designer, wie beispielsweise Pedro Palmas, die auf der internationalen Modeschau im ExpoMeloneras im Juni vertreten sein werden. Wir besuchten Sie in ihrem Atelier bzw. der Produktionsstätte in Las Palmas.
Zwei Generationen, eine Leidenschaft
Der Weg schien ihr in die Wiege gelegt worden zu sein, im wahrsten Sinn des Wortes. Denn ihre Mutter, schwedisch/dänisch-stämmig, wuchs quasi pendelnd zwischen Gran Canaria und Schweden auf. Jeweils ein halbes Jahr verbrachte sie auf der Sonneninsel und das Restliche in der Heimat ihrer Eltern. Sie war emotional hin und her gerissen zwischen diesen beiden Welten, aber, diese Aufenthalte erweiterten ihren Horizont und im Vergleich zu ihren damaligen SchulkameradInnen. Inwiefern?
Die Kanaren waren „Inseln der Seligen“ sagt sie und man war viele Jahre während dem Franco Regime ein wenig abgeschnitten vom Geschehen der Welt, von der Modernisierung und Trends - in vielerlei Hinsicht. Mit seinem Tod kam eine Aufbruchstimmung bei den Menschen auf und es änderte sich alles sehr schnell. Im Vergleich zu manch anderen Regionen Spaniens waren wir weltoffener und fortschrittlich. Das brachte der Tourismus mit sich. Ich erinnere mich beispielsweise an die Videokassetten, die man sonst noch kaum kannte. Nur Manche plagten Zukunftsängste. Ich allerdings erkannte, dass mein Herz für Gran Canaria schlug und ich mich hier mehr zugehörig fühlte. Als El Corte Inglés eröffnete trafen sich ihre Freundinnen, um „Rolltreppe zu fahren“. Denn so etwas gab es davor noch nicht“, erzählt sie mit einem breiten Schmunzeln und sinniert über die Anfänge: „Meine Mutter war Näherin und ich sah wie aufreibend und zeitaufwändig nähen war. Sie hat sich aufgeopfert für die viele schlecht bezahlte Arbeit. Das wollte ich keinesfalls machen! Dass ich just in dieses Metier einsteigen würde ahnte ich nicht. Als Teenager überlegte ich, was ich beruflich machen könnte, um hier bleiben zu können.
Eines Tages sah ich einen Badeanzug mit ausgeschnittenem Rücken, ging in das Geschäft El Kilo, kaufte elastischen Stoff und nähte ihn mir nach meinen Vorstellungen. Das kam so gut an, dass bald alle meine Freundinnen und auch Bekannte sich einen Badeanzug schneidern ließen. Eines Tages beschloss ich dafür Geld zu verlangen. Dann entwarf ich auch Strandtaschen und bin frühmorgens aufgestanden, um sie auf Märkten zu verkaufen. Nach und nach wuchs die Nachfrage und folglich auch meine Unabhängigkeit. „Bald begannen andere mich bzw. meine Modelle zu kopieren und ergo begann ich sukzessive meinen Namen zu promoten.“ Der Rest ist (kanarische) Geschichte, denn längst ist ihre Modelinie etabliert und ihr Fleiss und ihre Kreativität haben sich ausgezahlt.
Wie die Mutter, so die Tochter
Der Erfolg ermöglichte es, dass ihre eingangs erwähnte Tochter Nicole, eine gute Ausbildung machen konnte. Sie studierte in Heidelberg und es war klar, dass es ihr auch die Bademode angetan hat. Sie wuchs zwischen den Stoffballen, Industriemaschinen, den Zeichentischen und Modepuppen auf. „Selbst wenn ich es nicht lernen wollte, man macht es automatisch“ erklärt die junge Dame. Danach besuchte sie das Institut für Mode und Design in Mailand. Nicole beherrscht nicht nur das Handwerk sondern auch die Theorie und da zählen Themen, wie visuelles Merchandising, Brand Management und Positionierung dazu. Ihre nachfolgende Weiterbildung an der Londoner St. Martins Akademie brach sie nach drei Monaten ab. Mit Großbritannien wurde sie ‚nicht warm‘, ein zu sehr differenziertes Lebensgefühl, das Klima, die Menschen und auch das erhoffte Wissen. Sie konnte sich dort keine Impulse holen, denn mit ihrem Background war sie im Vergleich zu den Kommilitonen ein Profi. Noch länger dort zu bleiben schien ihr wie ein Geld- und Zeitverlust. Nicole, damals 21 Jahre alt, wollte lieber ihre Energie in den Aufbau einer eigenen Linie investieren. Sie bekam Rückendeckung von der Familie und auch die produktionstechnischen Möglichkeiten waren ja schon vorhanden. „Meine Eltern haben es als eine Investition in die Modernisierung betrachtet“ sagt sie lächelnd während ihre Mutter nickend zustimmt.
Weg von der Produktion in China
2013 gewann Nicole einen Modedesigner-Wettbewerb mit „Beach Concept“ auf den Kanaren und dachte ‚nun liegt mir die Welt zu Füßen‘. Doch schnell erwachte die Jungunternehmerin und musste erkennen, dass sie nicht auf Hilfe von Institutionen oder Banken zählen konnte. „Man muss eben alles selbst in die Hand nehmen und sich um alles kümmern. Auch im Familienunternehmen wurde einiges geändert und umstrukturiert“, sagt sie mit ein wenig Stolz.
Das Unternehmen verlagerte einst aufgrund der riesigen Mengen die Produktion nach China und das haben wir als erstes geändert. Es gab mehrere Gründe dafür. „Ich betrachte es ethisch als kanarisches Unternehmen hier zu produzieren. Das ist gut für unseren Ruf. Es gibt uns auch eine gewisse Flexibilität, denn die Mindestproduktionsmengen in China sind enorm. Man benötigt die entsprechenden Geldmittel je Model. Die Banken waren in den Zeiten der Krise immer seltener bereit zu kooperieren, da sie keine Garantien leisten konnten. Die ‚unberechenbaren Modewelt‘ zählte nicht. Nicole wollte eine exklusive und preislich höher angesiedelte Bademodelinie ins Leben rufen, um nicht mit jene ihrer Mutter zu konkurrieren. Die Modelle sind extravaganter, die Stoffe teuerer und die Verarbeitung ist aufwändiger, z. B. Einarbeitung von Perlen, Fransen oder Metallringen. Die Stoffe beziehen wir größtenteils aus Spanien sowie aus Italien und Portugal. Wir haben je nach Saison 13 bis 25 Mitarbeiter. Die Produktion ist viel komplexer, als man meint. Es sind viele Schritte nötig bis das Badeoutfit fertig ist.
Bademode: wenig Stoff, viel Arbeit
Das Atelier ist die Ideenschmiede und Nicole erläutert uns folgendes: In diesem Raum sammle ich Ideen und entwerfe alles. Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Inspirationen und wenn mir etwas gefällt, dann landet es hier in einem der Kleiderstangen oder an der Pinwand. Nach einer ersten Handskizze entwerfe ich ein computerbasierendes Modell an. Dieses erhält die Schnittmeisterin, die einen Prototyp erarbeitet. Dieser wird so lange verfeinert, bis es perfekt ist. Jedes Modell wird von mir persönlich getestet, davor geht es nicht in Produktion. Wir testen es quasi in zwei Größen, in large und in small, lächelt sie mich an und demonstriert es vor meinen staunenden Augen. Das Material scheint endlos dehnbar zu sein. Sie fährt fort: „Wenn ich ein Modell anziehe, dann weiß ich wie es sich anfühlt, ob es gut sitzt etc. Ich kann es dann noch nachjustieren - so lange bis ich zufrieden bin.“
Wenn der Prototyp schließlich abgesegnet ist, dann werden die Schnitte gescanned und im Computer weiter verarbeitet. Eine Spezialistin schiebt die einzelnen Schnitte mit der Maus hin und her, bis das Maximum an Teilen im Minimum am benötigten Stoff Platz findet. „Es ist wie ein Tetris-Spiel“, erklärt mir Nicole. Es ist allerdings eine essenzielle Arbeit, denn wenn man schlecht schlichtet, hat man viel Verschnitt. Ergo: Das wäre wie Geld aus dem Fenster werfen.
Nach diesem Schritt geht es zum maschinellen Zuschneiden. Richtig, hier kommt keine Schere mehr zum Einsatz. Mehrere Schichten Stoff werden zuvor miteinander punktuell verklebt, um ein Verrutschen zu vermeiden. Dann wird mit einem Industriearm nach den Papierschablonen geschnitten. Kritisch ist hier lediglich bei Modellen zu unterscheiden, ob sie hinsichtlich des Musters spezifisch positioniert werden müssen oder frei platziert werden können.
Die Sklavenarbeit
Es gibt eine „Sklavenarbeit“, nämlich die der Bändchen. Diese werden mühevoll von Hand umgestülpt, um ihre Endfasson zu erhalten. „Um diese Arbeit reisst sich niemand so wirklich, aber wir rotieren und es trifft auch mich“ erklärt Nicole. Bei Bedarf arbeitet sie selbstverständlich auch mit im Betrieb. In der Produktionshalle entspricht jeder Korb einer bestimmten Größe (small, medium, large etc.) So kann man jederzeit sehen, woran gerade gearbeitet wird. Die Körbe kommen anschließend zur Qualitätskontrolle. Eventuell werden Modelle zum Nachjustieren wieder zurück in die Produktion gegeben.
Überschaubarer Betrieb
Obwohl der Raum relativ groß ist, herrscht kein ohrenbetäubender Lärm. Es ist alles gut isoliert, gute Industriemaschinen und eine ergonomisch ideal durchdachte Anlage des Produktionsraums. Hier flossen viele Jahre Erfahrung ein, denke ich mir und dabei herrscht noch eine gewisse familiäre Atmosphäre aufgrund der kleinen Größe. Und das wird durch die Musik aus dem Radio noch unterstrichen.
Unser Modell „Duha“ haben wir vor drei Jahren entworfen und es ist nach wie vor der Renner. Die Nachfrage ist so groß, dass wir dieses Modell weiterhin im Sortiment führen.
Nicole ist eine der wenigen kanarischen Modedesignerinnen, die die Möglichkeit erhalten auf der „Moda Cálida“ Messe vertreten zu sein. Dieses Event dient als Plattform, um einheimische Designer eine Plattform zu bieten, um ihre Arbeit bekannt zu machen. Die Designer wünschen sich natürlich auch, dass internationales Klientel auf sie aufmerksam wird und so bleibt zu hoffen, dass die offiziellen Organisatoren zukünftig einiges ändern. Denn leider ist es so, dass der Zugang zu diesen Modeschauen der Moda Cálida - selbst für ausländische Presse oder Entscheidungsträger - nur sehr schwer möglich ist. Die Platzvergabe ist intransparent und mit den Kreativen oftmals leider nicht akkordiert. Vielleicht ist es dieses Jahr anders, wir werden sehen!