Wenn Geschick Tölpelhaftigkeit verdrängt, Übung den Laien, Geduld die Hektik, Kreativität die Ideenlosigkeit, dann sind die idealen Charaktereigenschaften eines echten Kunsthandwerkers geboren. Protagonisten für das Schaffen der Handwerkskünstler sind die Händler, denen die kanarische Vereinigung FEDAC1) sogar ein eigenes Video würdigte, dass repräsentativ sechs „artesanos“ in Szene setzt.2)
Auf Märkten finden sich einige dieser Kunsthandwerker samt ihren Kreationen. Eine besonders große Auswahl findet man an den offiziell organisierten Fachmessen und -märkten. Andere Artesanos haben sich etabliert und diese findet man nur selten an wöchentlichen Märkten. Ihre Bekanntheit wuchs anfänglich durch die klassische Mund-zu-Mund Propaganda und heutzutage sind die neuen Medien ein Segen für den Vertrieb und die Vermarktung der eigenen Erzeugnisse, sodass sich die KunsthandwerkerInnen nicht mehr der Ungnade mancher Marktbesucher stellen müssen. Nicht selten verwechseln die TouristInnen die hiesigen „Mercados“ mit jenen im Orient und versuchen nicht selten auf entwürdigende und respektlose Weise um die Preise zu feilschen. Doch damit beleidigen Sie die KunsthandwerkerInnen, die Stunden, ja Tage, an einem Werkstück sitzen und all ihre Leidenschaft und Können in die Herstellung stecken.
Einige außergewöhnliche ‚Artesanos‘, die oftmals über einen eigenen Shop verfügen, haben wir Ihnen vorgestellt, wie z. B. Placido A. Ponce, der aus Bananenfasern coole sowie 100 % nachhaltige Schuhe und Taschen erzeugt.3)
Maestro aus Lanzarote
Der 1942 in Haría auf Lanzarote geborene Kunstschreiner Manuel Perdomo ist einer dieser außergewöhnlichen Kunsthandwerker. Zwar ist er jetzt im Ruhestand, doch scheint seine kreative Ader entfesselt zu sein. Das Handwerk wurden ihm als Sohn eines Tischlers, Enkel eines Schuhmachers und Neffe eines Maurers in die Wiege gelegt, doch Holz als Werkstoff hat es ihm angetan. Dieses organische Material bietet vielfältige Verarbeitungsmöglichkeiten und mit ebenso vielen Grundstoffen, denn jedes Holz ist per se einzigartig in Farbe, Maserung, Härte und Geruch.
Heute, als Hobby-Handwerker kreiert Perdomo außergewöhnliche Stücke, sei es Kunstobjekte, Gebrauchs- und Ziergegenstände, historische kanarische landwirtschaftliche Geräte und nicht zuletzt Räder. Seine Kreationen haben das gewisse Etwas, die auf jeden Fall einen zweiten Blick auf sich ziehen.Allesamt bestechen durch die hohe Kunstfertigkeit und Originalität.
Autodidaktisch: Learning by doing
Begonnen hat seine außergewöhnliche Karriere aus der Not heraus, so wie es früher üblich war, wurden notwendige Reparaturen und Arbeiten am Haus selbst durchgeführt. Das Handwerk lag ihm und das schon als er einst mit der Reparatur von Fenster und Türen begann. Ohne theoretische Studien, sondern mit Talent, Interesse und mündlichen Überlieferungen vertiefte er sich in die Materie, bis er ein Meister seines Fachs wurde. Die letzten acht Jahre verbrachte er als Ausbilder in der Werkstattschule, wo er acht Jugendlichen aus der Gegend das Handwerk beibrachte.
Der Berufung zuliebe
Perdomos Arbeit gewann durch seinen Ruhestand eine neue Qualität. Als Autodidakt beschritt er regelmäßig neue Wege und realisierte innovative Ideen, denn Bücher waren laut eigenen Aussagen nie seine Welt. Wie mannigfaltig Holz zum Einsatz kommen kann, zeigt sich in seinem Domizil, wie z. B. im Treppengeländer, Blumenkästen, originell designte Kommoden, Holzbalkon etc.
Dafür richtete er sich in seiner Garage eine mit entsprechenden Gerätschaften optimal ausgestattete Werkstatt ein. Drechseln, schnitzen, schneiden, schleifen, polieren usw., er schöpft aus dem Vollen. Dabei entwirft Perdomo nicht einmal Skizzen, sondern arbeitet drauf los, um das vor seinem geistigen Auge visualisierte Werkstück zu kreieren und diese ringt den KäuferInnen oder BetrachterInnen höchsten Respekt ab.
Rundum ... glücklich
Es ist die präzise Ausarbeitung und Liebe zum Detail, die die Genialität des Werkstücks perfektionieren. Aufsehen erregten seine historischen Werkstücke, die er aus Holz gefertigt ins neue Jahrhundert bringt und dabei die Tradition und Geschichte aufleben lässt. Perdomo legt sich nicht auf eine spezielle Holzart fest, sondern variiert von Maulbeerbaum, Sapelli, Vitacola bis hin zu Mahagoni.
Räder haben es Perdomo besonders angetan, obwohl diese durch die vielen ineinander greifenden Teile eine große Herausforderung darstellen. Betreten hat der Kunstschreiner mit dem Nachbau der ersten Fahrräder ‚Draisian‘ aus dem Jahr 1818 von Erfinder Karl Drais. Diese waren noch ohne Pedale. Aber auch das Rad im viktorianischen Stil sorgte für Furore, nicht minder die neuen, modernen Modelle - ‚getunt‘, wie die jungen Leute sagen. Seine voll funktionsfähige, entzückende Fahrradsammlung wächst und sie dienen dem ursprünglichen Zweck.
Zu schön, um nicht einem größeren Publikum zugänglich gemacht zu werden sind seine Arbeiten. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass Perdomos Holzarbeiten an diversen Plätzen und Ausstellungen zu sehen waren und sind. Der Kunstschreiner ‚in Rente’ kann hoffnungsvoll in die Zukunft blicken, in der er auch seinen Sohn Alberto, der Bild und Ton studiert hat, in seine Welt der Holzverarbeitung blicken lässt. Mit ihm gemeinsam hat er die Laterne des Glockenturms der Kirche von San Ginés sowie die Fassade des Pfarrhauses von Arrecife restauriert.
An Samstagen kann man den Kunsthandwerker auf einem seiner Räder auf den Straßen von Haría sehen, wo er sich von MarktbesucherInnen gerne fotografieren lässt.
Mehr Infos:
https://www.manuelperdomo.com
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Verweise
1)FEDAC - Fundación para la Etnografía y el Desarrollo de la Artesanía Canaria; offizielle Webseite unter https://fedac.org
2)Viva Canarias Nr. 186 vom 1.4.2022 „FEDAC bewirbt kanarisches Kunsthandwerk mit Promo-Videos“
3)Viva Canarias Nr. 180 vom 3.10.2021 „Wie aus Bananenfasern Trend Schuhe werden: Placido A Ponce, 100 % nachhaltig“