Anmutig schweben sie im Reigen der Meeresströmungen nahe dem Meeresboden und wenn sie ihre ausladenden Flossen ausbreiten als seien es Engelsflügel, strahlen sie eine unbeschreibliche Ruhe aus. Die Rede ist vom Meerengel. Er bevölkerte die Küstenbereiche im Mittelmeer, den nordöstlichen Atlantik bis zur Nordsee und südlich bis zur Westsahara. Doch damit ist es vorbei, denn die Populationen der seit Jahren gefährdete Spezies sinkt drastisch.1)
Ihre letzte Bastion ist nunmehr das Gewässer rund um die Kanarischen Inseln. Universitäten und passionierte Non-Profit Umweltschutzvereine, wie z. B. Alianza Tiburones2) oder Elasmocan tun ihr Möglichstes, um sie zu retten und um Bewußtsein in der Bevölkerung zu schaffen.
Kanaren - letzte Bastion der Meerengel
Leider ist der Ruf der Haie alles andere als gut und dafür sind neben den Hollywood Klassikern auch regelmäßige Unfälle mit Surfen, die in den Nachrichten für Aufsehen sorgen, schuld. Dabei ist die Bedeutung der Haie für das Ökosystem im Meer unermeßlich, denn sie stehen an der Spitze der Nahrungskette unserer Ozeane und sorgen für das Gleichgewicht der Fischbestände sowie für deren Gesundheit, da sie bei ihren Beutetieren normalerweise nur die alten, kranken oder langsamen Exemplare erbeuten.
Der Meerengel ist zudem ein sanftmütiges und scheues Tier. Er sucht die Nähe des Meeresbodens bis zu einer Tiefe von 1.300 Metern. Der Sand dient ihm als Tarnung, den er mit seinen Seitenflossen auf den Körper schaufelt und getarnt beharrlich auf herannahende Beute lauert (Foto 02), kleine Fische, Weichtiere oder Krebse, die er mit einem schnellen Ruck im Ganzen verschlingt. Schon aufgrund seiner physiognomischen Voraussetzung des Gebisses wäre der Meerengel gar nicht in der Lage uns Menschen Glieder vom Leib zu reissen.
Das kanarische Gewässer zählt zu den artenreichsten der Welt, weshalb es eine Sondernaturschutzzone ist. Hunderte Fischarten, Rochen, Meeresschildkröten bevölkern das Gewässer rund um den Archipel. Zudem kommen hier ein Drittel aller weltweit existierenden Walarten vor. Leider stehen immer mehr Spezies auf der Roten Liste der vom Aussterben gefährdeten Tiere der Weltnaturschutzunion IUCN.
Engel in der Hölle
Der Engelshai, wie der Meerengel landläufig auch genannt wird, bzw. Tiburón Ángel auf den Kanaren (zool. Squatina squatina) erreicht eine Körperlänge von etwa einem bis eineinhalb Metern. Durch die brutalen Fischereimethoden landen sie immer wieder als Beifang in den gigantischen Schleppnetzen, nur um dann tot wieder ins Meer geworfen zu werden (90 Prozent!). Tourismus, Schifffahrt, Wildfischerei, Sport- und Hochseefischerei sowie die immer weiter ausufernde Umweltverschmutzung, vor allem durch Plastik, sind weitere enorme Bedrohungen für dieses wunderbare Lebewesen. Der allgemein schlechte Ruf der Haie fördert lange Zeit nicht unbedingt intensive Artenschutzmaßnahmen. Dafür sorgten die Hollywood-Schocker und Angriffe auf Surfer. Doch die größte Gefahr ist laut Fernando Reis, dem Gründer der 2013 gegründeten Organisation Alianza Tiburones Canarias „das fehlende Bewusstsein und Wissen der Menschen“.
Rettet den Meerengel: Projekt Acusquat
Vor drei Wochen wurde der Meerengel vom Spanischen Institut für Ökologische Transition auf die Liste der gefährdeten Tiere aufgenommen als letzte Bastion, in der sie noch in ihrem natürlichen Habitat vorzufinden sind.
José Juan Castro, der Koordinator des Projekts Acusquat der Universität von Las Palmas de Gran Canaria (ULPGC) versucht die Populationen zu markieren, um ihren Bestand und ihre bevorzugten Aufenthaltsorte und Schwimmrouten zu studieren. So können evt. Überlappungen mit Schiffsrouten oder dem Tourismus besser aufeinander abgestimmt werden. Das Team besteht aus vier Tauchern und zwei Bootcrews. Die Markierungen erfolgen binnen weniger Minuten und sind für die Tiere schmerzfrei.
Auf einer Plattform werden Sichtungen gesammelt, die von vielen freiwilligen Umweltfreunden, seien es Taucher, Schwimmer, Ausflugsboote etc., gemeldet werden. Die Angabe der Größe der Exemplare ist dabei von großer Bedeutung, denn so können die Forscher mehr über die Reproduktion sowie die Lebensgewohnheiten erfahren - kritisch für das Überleben einer Spezies.
Die ersten Ergebnisse der Studie
Anfang Juli 2019 stellte der Forscher José Juan Castro die ersten Ergebnisse aus den Beobachtungen der ersten zehn markierten Tiere dar. Die häufigsten Vorkommen sind im Winter zur Paarungszeit und im Juni bzw. Juli, um sich mit ihren Jungtieren zurückzuziehen. Bis zu hunderte kommen dann an die Küsten von Gran Canaria, Fuerteventura, Teneriffa und Lanzarote. Sie sind ovovivipar - Ergo: Eier werden im Mutterleib ausgebrütet und anschließend lebend geboren.
Inzwischen konnte ihr bevorzugtes natürliches Habitat mit einer Größe von 300 Hektar identifiziert werden. 15 Meerengel (11 Weibchen und 4 Männchen) leben während der Brutzeit in Anfi del Mar, Mogán, Pasito Blanco und Patalavaca. Wo genau sie sich während der anderen Monaten aufhalten, ist nicht geklärt und wird derzeit noch erforscht.
Tourismus und Umweltschutz scheint doch friedlich koexistieren zu können. Denn wenngleich die Tiere sehr friedfertig sind, würden sie sich mit einem kleinen Biss zu verteidigen versuchen, wenn man auf sie tritt. Man sollte die scheuen Tiere einfach in Ruhe lassen und nicht belästigen. Inzwischen kommen immer mehr Taucher aus ganz Europa, um diese Tiere in ihrem natürlichen Habitat erleben zu können - ihrem letzten Refugium! „Es wäre empfehlenswert Informationen auszuarbeiten, die die Besucher in den kritischen Monaten der Tiere über Verhaltensweisen und Vorkommen aufklären und Handlungsempfehlungen aufzeigen“ wünscht sich der Forscher Castro. Dadurch soll in den kritischen Zonen der natürlichen Habitate eine friedliche Koexistenz mit dem Menschen ermöglicht werden. Wir halten Sie auf dem Laufenden. jm
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1)Viva Canarias Nr. 56 vom 25.4.2014 „Die Engel des Meeres“, im Gespräch mit der Schutzorganisation Allianza Tiburones
2)Viva Canarias Nr. 79 vom 5.6.2015 „Alianza Tiburones, Einsatz für gefährdeten Meeresbewohner“