Ausgabe Nr.
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J M upload 09.09.2018, Viva Edition 115 | Print article

Michael Gieler über das Internationale Bach Festival auf Gran Canaria

Vom 28. März bis zum 15. April steigt nach zwei sehr erfolgreichen Editionen im Vorjahr das bereits dritte Internationale Bach Festival unter der Leitung des Künstlerischen Direktors Michael Gieler. Veranstaltungsort der Konzerte ist das Auditorium Alfredo Kraus in Las Palmas de Gran Canaria. Hochkarätige Künstler, ein feines Programm und ein wunderbares Ambiente sowie einige Neuigkeiten klingen vielversprechend. Wir sprachen mit dem Initiator Michael Gieler über die Anfänge, Beweggründe und interessanten Details eines Künstlerlebens ... Das Internationale Bachfestival bereichert dieses Jahr zum dritten Mal den Kulturkalender auf Gran Canaria und wartet, wie schon erwähnt, mit einem noch umfangreicheren Programm auf. Es ist eine ganz besondere Konzertreihe, die dem grandiosen Komponisten Johann Sebastian Bach gewidmet ist und das die Frucht einer jahrelangen guten Zusammenarbeit zweier namhafter Klangkörper ist: Das Royal Concertgebouw Orchester Amsterdam und Künstlern des Philharmonischen Orchesters Gran Canaria.

Es ist mir eine große Freude mit Michael Gieler, dem Künstlerischen Direktor und (Mit)Initiator dieses Festivals, ein Interview führen zu dürfen. Und obwohl der Kalender des Österreichers derart dicht gedrängt ist, nimmt er sich unmittelbar vor seinem Rückflug Zeit für uns. Der Virtuose hat uns mit netten Anekdoten rund um die Entstehung des Festivals, seinem Anspruch und einigen Einblicken in sein Künstlerleben bereichert. Er erzählte uns auch, warum das Festival in seinen Augen so außergewöhnlich ist.

Unprätentiös & diszipliniert: der Profi

Wir treffen Michael Gieler bei Kaiserwetter drei Stunden vor seinem Rückflug im wunderschönen Garten der Finca Condal. Lässig in Jeans und legerem Hemd begrüßt mich der Hühne mit kräftigem Händedruck und festem Blick. Er ist ein Menschenkenner und gewohnt, mit Menschen zu arbeiten. Und gleich von Anfang an bewunderte ich seine Disziplin und Geduld. Professionell posierte er dort, wo es die Marketingverantwortlichen verlangten. Ein Lächeln in der Kapelle, dann vor der Orgel etc. Es schien mir schier endlos. Schon sah ich „meine Felle davon schwimmen“. Am Ende würden wir unzählige Fotos haben, aber keinen Text? Schließlich brach ich alle weiteren „Posinganfragen“ der Anwesenden (etwas dominant) ab. Ich entführte Herrn Gieler zu einem Tisch (und er schien mir fast ein wenig dankbar zu sein, wie ich seinem befreiten Lächeln entnahm.) 

Dem gebürtigen Burgenländer (liegt im Osten Österreichs) war als Ausnahmetalent nach seinem Studium an der Universität für Darstellende Kunst und Musik in Wien klar, dass er mit den Besten der Besten musizieren will. „Dann spielt man tolle Programme mit guten Dirigenten in schönen Sälen“, sagt er. In dieser Kategorie kamen für den musikalisch anspruchsvollen Gieler nur einige Orchester in Frage und so landete er am renommierten Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, wo er Erster Violist ist. Seit 24 Jahren lebt Gieler nun in Amsterdam und das Sprachtalent spricht inzwischen fließend holländisch, aber auch spanisch, englisch und sogar sein kroatisch kann sich sehen lassen. Musische Menschen haben scheinbar wirklich eine besondere Gabe dazu, sprachen zu lernen (so formulierte es mir gegenüber ein Künstler).

Entspannung ist ihm ins Gesicht geschrieben und fast bedauert er, dass er in Kürze das Flugzeug besteigen muss, um in den kalten Norden Europas zu fliegen - wären da nicht seine Frau und seine Kinder. Familie ist Gieler sehr wichtig und gibt einem Musikerleben den nötigen Halt. Ansonsten könnte man das nicht aushalten.

Wie kam Gran Canaria für dieses Festival ins Spiel?

Denkt man an klassische Musik, assoziieren Kunstliebhaber diese sofort mit Metropolen wie z. B. Wien, London oder New York. Die Kanaren sind bisher noch eher ein Geheimtipp - vielleicht zu unrecht? Gieler erinnert sich an seine ersten Eindrücke: „Als ich im Rahmen der Kanarischen Musikfestspiele vor über fünfzehn Jahren das erste Mal nach Gran Canaria kam, waren alle meine Musikerkollegen und ich sofort begeistert. 

Ein ‚normales Tourneeleben‘ als Profimusiker sieht für gewöhnlich so aus, dass man morgens wohin fliegt, tagsüber eine Probe macht und am Abend das Konzert absolviert. Am nächsten Morgen geht es dann weiter. Man reist sehr viel herum, ohne Zeit zu haben, das Land oder deren Kultur kennenzulernen“.

Hier ist alles anders. Es fängt damit an, dass man zu Fuß zu den Proben geht und das entlang des schönen Las Canteras Strandes. Das Wetter ist mild. Die Menschen sind überaus gastfreundlich und das Essen ist toll.“ Gieler gerät ins Schwärmen, während er mir das mit glänzenden Augen verrät. 

Der besondere Reiz ...

Den Reiz auf Gran Canaria zu spielen scheint nach wie vor hoch zu sein. „Alleine das Auditorium ist etwas ganz außergewöhnliches, mit dem Blick auf den Atlantik“, ergänzt der Künstler und fährt fort: „Ich lade Kollegen ein hier zu spielen und es herrscht fast schon ein Wettbewerb. Sie lassen alles liegen, um hier spielen zu können.“

Für Gieler ist Gran Canaria fast so etwas wie ein Heimspiel geworden. Immer, wenn er hier ist, sieht er sich etwas von der Insel an. Seine Kontakte und auch gewonnenen Freunde zeigen ihm die schönsten Plätze, die besten Restaurants. „Man kann das nicht mit einem anderen Ort vergleichen, es ist als ob man Familienferien hat. Wenn möglich, begleitet ihn während des Bachfestivals seine Familie. „Meine jüngeren beiden Kinder, zehn und zwölf Jahre lieben es hier. Wenn sie mit sind, machen wir immer auch eine Wanderung durch die abwechslungsreiche Gegend“, sagt er.

Das Niveau hier ist hoch

„Das Niveau ist erstaunlich hoch für so eine kleine Insel. Ich war sehr positiv überrascht und hätte das nicht gedacht. Adriana Iliewa ist eine dieser Menschen, die mit ihrer jahrelangen Arbeit mit den Nachwuchskünstlern für das steigende Niveau auch verantwortlich war. Sie lud Virtuosen aus ganz Europa ein, um den Studenten Meisterklassen zu ermöglichen. Diese Aufbauarbeit trägt Früchte.“

Wie kam die idee für das Bach Festival?

So haben sich übrigens Gieler und Iliewa, die Künstlerische Leiterin des Internationalen Bachfestivals auf Gran Canaria, vor sieben Jahren kennengelernt. Inzwischen verbindet sie Musik und Freundschaft. Bei einem (fast) gewöhnlichen Grillabend in einem kleinen Kreis in Las Palmas de Gran Canaria lief „Die Matthäuspassion“ von Johann Sebastian Bach. Wehmütig sagte einer der Gäste, wie schade es sei, dass man dieses großartige Stück so selten zu hören bekommt. „Wieso eigentlich?“ stellte Gieler die Frage. Und so war die Idee zum Bachfestival geboren.

Gieler erläuert: „Bach interessiert alle. Alle Musiker, sowie Komponisten lernen Bach. Auch Mozart und Brahms waren von Bachs Werken beeinflusst. In Johann Sebastian Bachs Werken steckt alles drin. Dass wir das Festival im Auditorium durchführen konnten, war ein großer Glücksfall, denn zu Ostern gab es keine angesetzten Konzerte. Im ersten Jahr haben wir vier Konzerte angesetzt und jetzt schon acht. Eines spielen wir sogar auf La Palma und ein weiteres als Benefizkonzert in einem Krankenhaus.“

Wir sind nicht elitär

„Wir haben uns genau überlegt, was wir wann, wie, wo ansetzen. Wir sind gar nicht elitär. Wir möchten, dass die Menschen ihre Scheu vor einem Auditorium verlieren. Aus diesem Grund stehen auch einige Matinees „Aperitif mit Bach“ auf dem Programm. Die Menschen können so tagsüber in dem schönen Ambiente des Auditoriums die Welt der Klassik bzw. Bachs kennenlernen und das in einem legereren Rahmen als bei Abendveranstaltungen. Es hängt viel davon ab, wie man das Konzert als Künstler präsentiert“, erläutert der Direktor seinen Anspruch.

Fulminant: die Matthäuspassion

Gieler erklärt mir die Magie des Hauptwerkes: „Wenn es ein Stück gibt, für das man mich Tag und Nacht wecken kann, dann ist es die Matthäuspassion. Es ist das wichtigste Werk überhaupt und hat so viel menschliche Wahrheit, die auch heute noch ihre Gültigkeit hat. Es geht um Liebe, Verrat, Leiden, Mitleid u.s.w. Es ist der absolute Höhepunkt des Festivals. Um die 150 Künstler werden zur Matthäuspassion am Podium performen. Es ist eine Art szenisches Konzert, sprich: Alles ist in Bewegung - die Solisten, der Chor. Dadurch bekommen Laien einen stärkeren Bezug zur Musik. Sie können die dramatische Geschichte dieser grandiosen Musik Bachs besser verstehen, ohne, dass man dem Werk ‚Gewalt antut‘, so Gieler.

Tournee: wie eine Familie

Wie schon erwähnt ist das Festival für den Leiter etwas ganz Besonderes: „Ich arbeite nur mit Musikern, die ich persönlich kenne. Es ist ein ganz anderes Gefühl und die Harmonie und das Zusammenspiel als eine Einheit transformiert sich auch auf das Publikum. In Amsterdam stehen die Künstler fast Schlange, um mitkommen zu dürfen. Wir führen auch Wettbewerbe als Motivation für die Nachwuchstalente durch. Dem Sieger winkt dann ein Auftritt in der jeweils anderen Lokation. Sprich: der oder die kanarischen Gewinner spielen in Amsterdam und umgekehrt.“

Fazit

Kunst ist bzw. muss nicht elitär sein. Es gibt einen Grund, warum Bachs Kompositionen über dreihundert Jahre lang die Menschen fesseln.

Das Internationale Bachfestival wird alljährlich in der Osterwoche im Auditorio Alfredo Kraus ausgetragen. Das Festival-Programm ist abwechslungsreich und sehr empfehlenswert. Für jene, die mit klassischer Musik noch nicht so viel zu tun hatten, wäre es also eine gute Gelegenheit sich vom ‚Bach-Virus‘ infizieren zu lassen und so sein Leben zu bereichern. Einige der Konzerte sind sogar kostenlos. Ein herzliches Dankeschön an Herrn Michael Gieler für dieses überaus interessante und herrlich offene Gespräch.