Der Olivenbaum gilt als das Zeichen des Friedens und viele Mythen ranken sich um ihn und um seine Frucht. Schon vor Tausenden von Jahren wurde das Öl für Speisen, Opfergaben, als Brennöl oder zum Salben verwendet. Die Kultivierung als Nutzpflanze geht schon auf das 4. Jahrtausend v. Chr. zurück. Olivenöl ist begehrt wie nie zuvor und nicht nur der mediterranen Küche vorbehalten. Auch seine gesundheitsfördernde Wirkung wurde schon einst bei Römern und Griechen z. B. das Öl zur Pflege von Haut und Haar verwendet. Heute ist Olivenöl in vielen Kosmetika anzutreffen. Was die sensorische Vielfalt der Öle betrifft, da überbieten sich Gourmets mit ihren Beschreibungen, vielleicht auch, weil es inzwischen sogar Kurse für Oliven-Someliers gibt. Schließlich soll das richtige Attribut wie z. B. Fruchtigkeit, Bitterkeit und Schärfe verwendet und mit Formulierungen wie getrocknete Mandelkerne, geschnittenes Gras oder grüne Tomate gekrönt werden.
Beim „International Olive Oile Award“ in Zürich im April dieses Jahres wurden sicher wieder viele Öle mit interessanten Worten beschrieben. Wir Laien begnügen uns mit „schmeckt mir“ oder „schmeckt mir nicht“.
Spanien ist Nummer 1 im Olivenanbau weltweit
Immerhin, auch die Spanier mischen mit. Gleich zwei der fünf Auszeichnungen in der höchsten Kategorie „Goldene Olive“ aus über 116 gewerteten Ölen gingen an Spanier. Das sollte uns eigentlich nicht verwundern, wenn man bedenkt, dass Spanien mit fast 1,6 Millionen Tonnen Olivenöl der weltweit größte Produzent ist, gefolgt von Italien mit etwa einem Drittel dieser jährlichen Menge. Zwar befinden sich 82 Prozent der spanischen Anbaufläche in Andalusien, doch auch auf den Kanaren gibt es eine kleine aber feine Olivenölproduktion.
Massenproduktion vs. Handarbeit
Die Herstellung von Olivenöl hat sich im Grunde genommen seit Jahrhunderten nicht stark verändert. Die Oliven werden idealerweise kurz vor der Vollreife geerntet. In den großen Anbaugebieten Spaniens werden dazu Rüttelmaschinen eingesetzt. Dadurch fallen die Oliven herunter und können bequem in Körbe oder Säcke gefüllt werden. Häufig werden unter die Bäume Netze gespannt und in einem Arbeitsgang die Olivenbäume beschnitten. Dadurch kann bei der Ernte einiges an Zeit erspart werden und keine Frucht geht verloren. Einen Wermutstropfen gibt es jedoch bei dieser Erntemethode. Sie ist nur bei (über)reifen Früchten möglich, was sich negativ auf die Qualität auswirken kann.
Bei der manuellen Ernte kann man wie bei der Weinlese den Geschmack des Olivenöls schon anhand des Reifegrads der Olive zum Zeitpunkt der Ernte bestimmen.
Europas erste Olivenernte
Auf Gran Canaria läuft alles ganz traditionell wie eh und je. Oliven kamen mit den Konquistadoren aus dem Südwesten Spaniens auf die Kanaren. Entsprechend sind es vornehmlich die Sorten „Verdial de huévar“ (landläufig auch „Aceituna del país“ genannt) sowie die schwarzen Sorten „Picual“ und „Arbequina“, die hier angebaut werden. Europas erste Olivenernte beginnt genau hier auf Gran Canaria schon im Monat August, lange bevor in den anderen Anbauregionen die Früchte reif sind.
Die kanarische Olivenhochburg
Auf keiner anderen Insel gibt es so viele Olivenmühlen wie auf Gran Canaria (8). Auf Teneriffa und Fuerteventura gibt es jeweils nur eine. Die Gemeinde San Bartolomé de Tirajana führt kanarenweit also nicht nur im Aprikosenanbau (siehe unseren Bericht in Ausgabe 37). Auch bei Oliven hat sie vor Santa Lucía und Agüimes die Nase vorn. Es gibt noch einige kleinere Anbauflächen in Telde und Ingenio.
Wir machen uns früh morgens auf den Weg in die schöne Gegend rund um das Gemeindehauptstädtchen Tunte. Wolken hängen wie Wattebäusche in den Tälern, während die markanten Berghänge unter dem gelbroten Licht der Morgensonne sich scharf abheben und uns willkommen heißen. Es ist wieder eine dieser Fahrten, bei der man an jeder Kurve stehen bleiben möchte um Panoramafotos zu schießen.
Der Experte Manuel Pérez
Am Ziel angelangt begrüßt uns Agrarexperte und Präsident der regionalen Olivenölvereinigung1) Manuel Pérez, der uns Einblicke in die regionale Ölgewinnung gewährt. Seiner Studienzeit in Deutschland verdanken wir es, dass er seine Ausführungen in schönstem Deutsch macht.
Die Fläche in der Gemeinde ist im Vergleich zum Festland Spaniens winzig und der Anbau aufgrund der demografischen Gegebenheiten unvergleichbar schwierig. Aber ähnlich wie beim Wein werden die Oliven in kleinen Terrassen angebaut. Dass die Pflanzen mit kargen Bedingungen gut zurande kommen ist von Vorteil.
Häufig sieht man hier Olivenbäume zwischen kanarischen Dattelpalmen wachsen. Manuel erläutert: „Der Anbau von Oliven ist für die Bauern lukrativ, sofern es keine Ernteausfälle gibt. Um die fünf Euro kostet ein Kilogramm frische Oliven. Immer öfter verkaufen sie diese an Ausflügler aus Las Palmas oder Touristen. Und im Vergleich zu den Preisen auf den Märkten oder in Geschäften ist es noch immer ein Schnäppchen. Im Laufe der Zeit begannen die Landwirte ihre Oliven selbst zu verarbeiten und an den Mann zu bringen, ohne Zertifikat und ohne jegliche Kontrolle. Von offizieller Seite will man diese Bestrebungen natürlich unterstützen, aber auf eine Art und Weise, dass es nicht nur registriert erfolgt, sondern auch nach den Vorgaben und Richtlinien der Gesundheitsbehörden.“
Der Experte führt uns nun zu einem kleinen Häuschen der Vereinigung ASOLIGRAN, wo sich die sogenannte „Almazara“ befindet. Hier bringen die Olivenbauern ihre frisch geernteten Oliven hin und geben dafür ca. zwanzig Prozent vom Erlös ab. Das Geld fließt aber wieder indirekt zurück, sei es mittels Vermarktungskampagnen, Weiterbildungskurse oder anderer Behelfsmittel für die Bauern, wie wir erfahren.
Verarbeitung - wie kalt ist kalt?
Nachdem die regionalen Bauern ihre Oliven hier angeliefert haben, werden diese zuerst gewogen. An diesem Tag waren es gemischt farbige Oliven der Sorte „Aceituna del Pais“. Nach dem Waschvorgang kommen die Oliven in eine sogenannte Hammermühle, wo sie sehr langsam zu einer Paste zerkleinert werden. Im Gegensatz zu anderen Speiseölen wird das Olivenöl aus der ganzen Frucht gewonnen und zwar „kalt“. Das bedeutet, dass die Öle bei Temperaturen von maximal 27 Grad Celsius verarbeitet werden und so alle wertvollen Inhaltsstoffe der Oliven erhalten bleiben, die so wichtig für den Geruch, die Farbe und den Geschmack des Öls sind.
Unsere Methode: Die Kaltextraktion
Bei der Extraktion wird der Olivenbrei nicht gepresst sondern in einer Horizontalzentrifuge gewonnen. Bei dieser Methode der Kaltextraktion macht man sich die physikalischen Gesetze zunutze. Die schwerste Masse, also das Fruchtfleisch, wird durch dieses sanfte Schleudern nach außen gedrängt, dann kommt das mittelschwere Wasser und im innersten Zentrum befindet sich das „leichte“ Öl. Dieses kann durch kleine Löcher, die entlang der horizontalen Zentrifuge angebracht sind, entweichen und wird in einem Behälter gesammelt.
In einem weiteren Zentrifugalvorgang wird nun das Wasser vom Öl getrennt und anschließend zum Ruhen in Edelstahlbehältnissen mit einem Fassungsvermögen von 500 bzw. 1.000 Litern gelagert. Hier senken sich allfällige Verunreinigungen im Boden des Behälters ab. Bis zu zwei Monate dauerte dieser Vorgang früher, doch durch die neue Verarbeitungsmethode und der Zentrifugalschleudern sind es nur noch zehn Tage.
Glanzvoll in die Flasche
Nach dem Filtern erhält das Olivenöl seinen einzigartigen schönen Glanz. Nun wird es in dunkle Glasflaschen abgefüllt. Das Glas sollte nicht durchsichtig sein zum Schutz des Öls vor der Sonne, die sonst die wertvollen Inhaltsstoffe wie z. B. Vitamine zerstören würde. Manche Olivenproduzenten füllen ihre Öle auch in Metallkanistern ab.
Preiswert
Durch die Art des Anbaus, die Art der Produktion und der Ernte erscheint es logisch, dass es sich bei dem hochwertigen Olivenöl aus San Bartolomé um ein echtes „artesanal“ Produkt handelt. Nachdem sich die Qualität immer auch im Preis niederschlägt, kostet ein Fläschchen mit 500 ml Olivenöl um die zehn Euro. (Anm.: Bei Oliven-Gourmets ein Schnäppchen).
Dafür ist der Geschmack grandios und eigentlich ist das Öl zum Kochen zu schade, für Salate aber ideal. In vielen Lokalen werden gute Olivenöle mit warmen Weißbrot als Willkommensgruß serviert. Bon Apetit.
Glücksspiel: Olivenernte
Von einem Baum kann man bis zu 20 Kilogramm Oliven ernten und daraus können in etwa zwei bis drei Liter Öl gewonnen werden. Wie so oft in der Landwirtschaft ist es auch hier immer ein gewisses „Glücksspiel“ wie letztendlich die Ernte ausfallen wird. In diesem Jahr gibt es kaum Oliven und eigentlich ist es ein „Totalschaden“. Über die Ursachen ist man sich nicht im klaren und die Experten diskutieren über ihre Theorien. Agrartechniker Juan Carlos meint, dass eine extreme Hitzeperiode Anfang des Jahres genau mit der Phase der Blüte übereinfiel und diese so vertrocknet hat. Manuel ergänzt, dass es gerade im Olivenanbau immer ein gutes Jahr gibt und dann wieder ein schlechtes – es sei wie beim Glücksspiel. Auch auf Fuerteventura klagen die Landwirte über ihre Einbußen und konnten sie im Vorjahr 68 Tonnen ernten, so liegt die Ausbeute in diesem Jahr bei gerade einmal zehn Tonnen.
Ernte: mühsam von Hand
Keine fünf Minuten entfernt liegt die Finca der Familie von Sebastián Antonio, die seit Generationen Olivenöl herstellen. Der Juniorchef des landwirtschaftlichen Betriebs vermarktet sein Olivenöl in eigenem Namen, das „Aceite de Oliva Virgen Extra Caldera de Tirajana“. Als wir ankommen, wird praktisch der einzige Olivenbaum der Früchte trägt geerntet. Die Mama steht mit einem Kübel bewaffnet vor dem riesigen Ungetüm und pflückt geduldig und bedächtig Frucht um Frucht. Die gleißende Sonne kann ihr nichts anhaben und trotz dieser mühevollen Arbeit und ihres Alters ist ihre Laune bestens.
Die Oliven lassen sich gar nicht so einfach von ihren Ästen lösen und es erfordert einiges an Kraft. Ich weiß nicht warum das so ist, aber automatisch führt man Früchte, die man von einem Baum pflückt zum Munde. Das, liebe Leser, ist im Falle von Oliven wirklich nicht empfehlenswert – ich habe das für sie getestet. Scheinbar habe ich es dem EU-Kommissar Fischler nachgetan, der einmal bei seinem Spanienbesuch dasselbe tat und für Gelächter im ganzen Land sorgte.
Die alten Tricks der Bauern
Also vom Baum sind die Oliven ungenießbar, sie müssen also reifen. Wenn die ersten Oliven im Jahr gepflückt werden und die Ungeduld übermäßig ist, dann überdecken die Bauern die Früchte mit reichlich Salz und dann sind diese schon nach etwa drei Tagen genießbar.
Eine andere Methode ist das Einlegen in ein Salz-Wassergemisch. Dazu wird jede einzelne Frucht mit drei Schnitten geöffnet oder brachial mit einem Schnitzelklopfer zerquetscht, damit die Flüssigkeit auch eindringen kann. Für das volle Aroma empfiehlt die Bäuerin jedoch mindestens zwei Wochen zu warten. Bei der Verarbeitung kennt sie jede Menge Tricks und Variationen. Am beliebtesten sind die kanarischer Mojo-Soße eingelegten Oliven.
Übrigens, sowohl die Oliven als auch das Öl werden in den regionalen Bauernmärkten angeboten.