Ausgabe Nr.
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J M upload 10.10.2014, Viva Edition 63 | Print article

Tom Smulders, Präsident der Hotel und Gaststättenvereinigung FEHT

Der smarte holländisch-stämmige Macher empfing uns in seinen gediegenen Büroräumlichkeiten im Tourismusinformationsbüro Playa del Inglés. Er ist nicht nur ein Profi, ein Fachmann und ein Kenner der Materie, der sein ganzes Leben lang bei internationalen Reiseveranstaltern sowie im Tourismus tätig war. Smulders ist seit fünf Jahren Präsident der A.E.A.T. (Vereinigung der sog. Extrahoteleros) sowie Vizepräsident der F.E.H.T. Vereinigung der Unternehmen im Tourismus und Horeca (darunter fallen auch Restaurants, Freizeit- und Wellnessfirmen, Tauchbasen, Sport- und Golfhotels, der Radtourismus und der Sektor Gran Canaria Gay Friendly.

Das multilinguale Talent bietet uns eine ganze Palette an Sprachen an, in der wir unser Interview führen dürfen (und das ist bisher noch nie vorgekommen). Eigennützig entscheide ich mich für Deutsch und bin fast neidisch auf die perfekten Sprachkenntnisse, die Smulders u.a. auf Spanisch und Englisch bieten kann.

Keine Interessenskonflikte

Der smarte Geschäftsmann ist in seine eingangs erwähnten Funktionen gewählt worden und arbeitet ehrenamtlich und geht diesen mit vollem Einsatz und ganzer Leidenschaft nach. Er will etwas bewegen und das tut er auch.

Smulders hat die entsprechenden Fähigkeiten auf überzeugende Weise mit der entsprechenden Portion Diplomatie seine Argumente darzulegen und geht wahrscheinlich bei kontrovers geführten Debatten als Sieger hervor. Zur Arbeit zählen neben der Vermarktungstätigkeit auch die Vermittlung und vor allem auch Lobbying. Das bedeutet er sucht den Dialog mit den öffentlichen Stellen, wie z. B. Gemeinde, Insel- und Kanarenregierung sowie der Zentralregierung bis hin zur WTO World Tourismus Organisation, um die Interessen der Vereinigung zu adressieren.

Da er keinerlei politische Ämter bekleidet und auch aufgrund seiner finanziellen Unabhängigkeit unterliegt er keinerlei Interessenkonflikten, mit denen man unter Umständen in diesen Positionen konfrontiert sein könnte.

„Durch die Krise hier hat sich alles verändert. Und inzwischen haben es alle verstanden, Wirte, Hotelbetreiber etc., dass es nicht mehr reicht ‚irgendetwas‘ anzubieten und dafür viel Geld zu verlangen“ erläutert Smulders seine Sicht und setzt fort: „Man kann nicht noch mehr verbrannte Erde hinterlassen und weiterziehen, es gibt zu viele ‚Skelette‘, die meiner Meinung nach abgerissen werden sollten. Wäre nicht die Instabilität im Nahen Osten aufgetreten, würde die Bedeutung der Qualitätserfordernis noch stärker in das Bewusstsein der Gastronomen und Hotelbetreiber treten“.

Das grösste touristische Verbrechen

Smulders erläutert: „Eine der Qualitätsmaßnahmen ist, dass alle Gebäude ihre Widmung eintragen lassen müssen und in nächster Zukunft wird diese auch von einer unabhängigen Stelle kontrolliert, wie beim TÜV für das Auto. Mit der Firma Gesplan erarbeiten wir gerade das Rahmenwerk. Das gilt auch für die Beschreibung der Anlagen. „Wenn man etwas beschreibt, dann muss es auch stimmen! Aus meiner jahrzehntelange Erfahrung weiß ich, den größten Fehler den man machen kann ist, dass man dem Kunden etwas verspricht, das man nicht hält. Steht in der Beschreibung Meerblick muss auch einer da sein.“

Baustopp für den „Qualitätskick“

Smulders führt aus: „Man muss bedenken, dass die Unternehmer im Süden von Gran Canaria zu den Pionieren im Tourismus zählten und damals hat das Angebot und die Nachfrage perfekt zusammengepasst. In den letzten zwanzig Jahren hat sich allerdings der Anspruch der Kunden geändert und da muss man mithalten. Wir sehen, dass die Nachfrage nach 4-Sterne Hotels gestiegen ist, und davon gibt es hier zu wenige. Gleichzeitig gibt es den Bedarf an spezialisierten Unterkünften, wie z. B. Sportappartements.”

Durch den Baustopp konnten wir eine Qualitätssteigerung erreichen, die längst vom Markt gefordert war. Neubauten werden grundsätzlich nurmehr für fünf-Sterne-Häuser genehmigt.

Verbrannte Erde ist keine Lösung mehr und man muss mit dem vorhandenen Anlagen arbeiten und diese an die Anforderungen des Touristen aus dem 21. Jahrhundert heranführen. Die Gäste von heute haben andere Erwartungen als vor 30 Jahren, was nicht bedeutet, dass jeder ein Luxus-Hotel mit Wellnessbereich möchte. Diversifizierung heisst das Zauberwort. Unter Umständen kann eine Appartementanlage mit nur 10 Zimmern Sinn machen, wenn sie sich beispielsweise in der Nische als Sportunterkunft platziert oder als eine Anlage für Menschen mit eingeschränkter Mobilität etc. Vieles ist möglich, solange man das Angebot in einer guten Qualität bietet. Auch eine einfache Unterkunft hat ihre Berechtigung, wenn die Qualität stimmt. Dass Barrierefreiheit auch berücksichtigt wird, ist mir persönlich ein großes Anliegen“.

Smulders setzt fort: „Unter gewissen Voraussetzungen kann man sich bei der Renovierung auch bis zu fünfzig Prozent vergrößern, wenn beispielsweise auf dem selben Grundstück der Platz dafür vorhanden ist.

Die größte Herausforderung bei den Umbauten ist die Finanzierung. Viele Gebäude hier haben eine mangelhafte Bausubstanz (Isolierung, elektrische Leitungen, Wasser etc.) und genau diese Dingen gehen sehr ins Geld. Es gibt drei Möglichkeiten und zwar erstens die Eigenfinanzierung durch die Eigentümervertreter, was eine bleibende Unabhängigkeit von Dritten bedeutet. Seit etwa eineinhalb Jahren gibt es auch die Möglichkeit der Fremdfinanzierung durch die Banken, die allerdings in der Realität schwer umzusetzen sind, trotz deren Versprechen. Eine dritte Möglichkeit ist die Finanzierung durch den Reiseveranstalter mit einem langfristigen Vertrag. Man kann die Finanzierungsformen auch vermischen”.

Zum Schutz der Kunden

„Der Qualitätsmaßstab muss gesetzlich geregelt sein, zum Schutz für die Kunden. Die Qualitätssicherung und -kontrolle erfolgt laufend, und zukünftig noch mehr. Die Kunden können sich allerdings auch selbst schützen. Wenn sie beispielsweise nicht über ein Reisebüro sondern selbst auf irgendeiner Seite bei einer unbekannten Person ein Zimmer buchen und es läuft etwas schief, wo können sie sich dann Beschweren? Die negativen Erfahrungen nehmen die Gäste in ihre Heimatländer mit und sind vielleicht sogar Gast in einer großen Talkshow. Der schlechte Ruf fällt dann auf die Insel bzw. auf uns alle zurück“ erläutert Smulders.

Doch man kann sich dagegen schützen. Auf der offiziellen mehrsprachigen Webseite der Inselregierung (www.grancanaria.com) sind alle eingetragenen zertifizierten Hotelbetriebe und Landhotels und Landhäuser aufgelistet. Bevor Sie online bei einem Unbekannten buchen, sollten Sie sich vorher informieren.

Das Erasmus-Programm der EU ist auch auf den Kanaren längst angekommen und inzwischen ist es allen klar, dass eine gute Qualität die entsprechenden Fähigkeiten erfordert. Das bedeutet, dass man sehr auf eine gute Ausbildung sowie laufende Weiterbildung setzt. Smulders findet klare Worte für den All-Inclusive Tourismus, der seiner Meinung nach das Freizeitangebot negativ beeinflusst.

Die Reiseveranstalter hatten mit ihrem All-Inclusive Angebot beispielsweise in der Dominikanischen Republik große Erfolge und teilweise ist es ein Bedürfnis der Kunden. Man hat dann begonnen dieses Konzept auf alle Länder zu übertragen. Die kanarischen Hotelbetreiber sind vor den sogenannten Contract Managern der Reiseveranstalter in die Knie gegangen. Sie sollten mehr Rückgrat zeigen.“

„Wenn eine gute Qualität geboten wird, spricht ansonsten grundsätzlich nichts dagegen. Bei kleinen Anlagen fehlen aus meiner Sicht aber die Voraussetzungen. Wenn All-Inclusive allerdings auch den Alkoholkonsum beinhaltet oder aus ‚Geldgeilheit‘ betrieben wird, dann bin ich dagegen.“

„Wir haben den Kampf den illegalen Anbietern von Bus- und Tagesausflügen angesagt“ erläutert Smulder eine seiner Herausforderungen während er uns einige Prospekte in die Hand drückt. Darunter ein Faltprospekt der Atlantic Tours, dass eine Ausflugstour für 8 Euro anbietet und ein anderer für 5 Euro nach Teror - Frühstück inklusive!“

Persönliche Anmerkung: Ich frage mich, wie man bei diesen Dumping-Preisen überhaupt etwas anbieten kann, von Qualität ganz zu schweigen. Es ist logisch, dass bei solchen Touren keine Versicherung, kein professionelles Personal oder Qualität geboten werden kann und wundere mich doch immer wieder, wie wenig manche Menschen mitdenken und mit ihrer Teilnahme eine Schattenwirtschaft fördern, die redlichen steuerzahlenden Unternehmen die Existenzgrundlage entzieht. Der Fokus in der Zukunft muss eine stärkere Kontrolle und Bestrafung sein, auch wenn der Kampf fast aussichtslos erscheint.

Smulders erläutert: „Schon die Verteilung dieser illegalen Werbung ist strafbar. Dabei sind Manche richtig findig. Wenn die Verantwortlichen aber erwischt werden, dann können sie sich auf sehr satte Strafen gefasst machen. Eine weitere Herausforderung sind die Holiday Clubs. Sie kreieren ihr Angebot in verblüffender optischer Ähnlichkeit zu großen namhaften Anbietern wie z. B. TUI oder Thomas Cook. Das ist für den Endkunden kaum noch zu unterscheiden.“

Es gibt noch eine Vielzahl an interessanten Projekten, die den Rahmen jetzt sprengen würden. Wir sind auf jeden Fall gespannt auf unsere weiteren Treffen und freuen uns darüber berichten zu dürfen, aus erster Hand. Wir bedanken uns für das Gespräch. jm