Endlich kommt anspruchsvolle Kultur vermehrt auch in den Süden der Insel, so wie es beim anstehenden Expo Winterfestival der Fall ist. Unter anderem wird das Jugendorchester des OFGC kommen und ein interessantes Programm mit lateinamerikanischen Komponisten zum Besten geben. Es ist eine gute Gelegenheit sich mit dem Direktor dieses Ensembles zu unterhalten. Zu den spanischen Pionieren zählt die Stiftung „Fundación Canaria Orquesta Filarmónica de Gran Canaria“ im Bereich der Jugendförderung. Im Jahr 1989 wurde zeitgleich mit der Akademie das „Joven Orquesta de Gran Canaria“ (JOGC) gegründet, das heute vom polnischen Künstler Zdzislaw Tytlak geleitet wird und inzwischen 75 junge Musiker umfasst. Wir besuchen ihn im Sitz des Philharmonischen Orchesters gleich neben dem Auditorio Alfredo Kraus. Auf dem Platz davor herrscht dichtes Gedränge von Schulkindern. Im Inneren werden wir vom Pressechef José Sanchez empfangen, der uns mit dem Direktor Tytlak bekannt macht. Seine charismatische Erscheinung passt zur Position. Nur von der mondänen Kleidung wie Lederjacke und chicer Hut sind wir überrascht, sahen wir bis dato den Künstler auf seinen offiziellen Pressefotos ausschließlich im schwarzen Anzug mit Masche.
Tytlaks musikalischer Hintergrund
Der in Polen aus einer Musikerfamilie stammende Tytlak begann nach seinem Violoncello und Cembalo-Studium als Kammermusiker. Als Solist sollte er regelmäßig durch Europa und Amerika auf Tournee gehen. Seine nächste Station sollte Mexiko sein, wo er bis 1983 Mitglied der philharmonischen Gesellschaft wurde und auch mit dem mexikanischen Ensemble auf Konzertreisen ging sowie mehrere CD- Einspielungen machte. Danach kehrte er in seine Heimat Polen zurück, wo er Mitglied des Nationalorchesters wurde und erster Solist des Orchesters des RTV Warschau.
Gran Canaria lernte Tytlak im Rahmen seines Auftritts beim allerersten Kanarischen Musikfestival kennen. Kurze Zeit später lud man ihn nach Madrid zum Vorspielen ein und so kam es, dass er Solist im angesehenen Philharmonischen Orchester Gran Canaria wurde. Seit 28 Jahren lebt er inzwischen mit seiner Ehefrau, ebenfalls Musikerin, die an der Akademie unterrichtet, hier auf den Kanaren. Irgendwie erscheint es fast logisch, dass auch sein Sohn Musiker geworden ist.
Tytlaks Ehrgeiz, seine Disziplin und sein Anspruch an Perfektion führten dazu, dass er auch in der Akademie tätig wurde und schließlich 1998 die Leitung des Jugendorchesters übernahm. Langweilig wird Tytlak sicher nicht, denn er lehrt nach wie vor auch noch am Konservatorium für Musik (Superior de Música de Canarias) Violoncello. Bei so viel Musik sind es die gegensätzlichen Besuche der schönen Strände von Maspalomas, die für ein wenig Ablenkung sorgen.
Der feine Schliff der Rohdiamanten
Sein Wissen weiterzugeben war Tytlak schon immer ein Anliegen. Die Arbeit mit jungen Talenten ist für ihn ein Vergnügen und er erklärt es so: „Die jungen Musiker sind so offen und interessiert. Man muss die Werke tiefgreifender vermitteln. Die Technik ist dabei „nur“ eine Komponente. Schließlich müssen die Talente die Kompositionen, die Gefühle und die Gedanken der Schöpfer verstehen, um sie entsprechend interpretieren zu können. Es ist ein sehr kreativer Prozess mit dynamischen Gedankenaustausch.“
Der Professor wählt nicht die am leichtesten zu spielenden Kompositionen aus. Oft sind es schwierige komplexe Werke, die die Entwicklung der Einzelnen am meisten fördern und viel Einsatz und Disziplin der jungen Musiker erfordern, um an die Spitze zu gelangen.
Die Säulen einer guten Ausbildung
Vielleicht ist der Name Joven Orchester ein wenig irreführend. Hier handelt es sich um begabte Musiktalente, die ein gewisses Maß an musikalischer Technik längst beherrschen. Tytlak will seine Schüler fit machen für die weite Welt, aber mit dem größten möglichen Maß an Flexibilität.
Was bedeutet das konkret?
Einerseits geht es um die Perfektion, um als Solist Karriere machen zu können. Doch wer ein guter Solist ist, muss es noch lange nicht an die Spitze schaffen. Zu viele Faktoren beeinflussen den Werdegang, von Charisma bis hin zu Glück. Ungeachtet des musikalischen Könnens wird also nicht jeder eine (weltweit) erfolgreiche Einzelkarriere machen können. Das heißt, dass die pre-professionelle Ausbildung zum Orchestermitglied eine weitere wesentliche Säule der Ausbildung darstellt. Es ist eine eigene Technik nötig, um mit anderen Musikern spielen zu können, damit sich die Qualität des Klangkörpers als eine Einheit präsentiert.
Pünktlichkeit ist Wesentlichen
„In der Profi-Liga ist Pünktlichkeit das A und O, eine Frage des Respekts und der Professionalität und auch das wird den jungen Musikern vermittelt, um Sie auf die geltenden Regeln der Profis vorzubereiten.“
„Unsere Aufgabe besteht auch darin, dafür zu sorgen, dass die Musiker sich präsentieren können. Schließlich handelt es sich um ‚grandes artistas‘, die ihr Können einem Publikum darbieten wollen“, erläutert Tytlak und fährt fort: „Wir sorgen dafür, dass die Musiker so oft wie möglich Konzerte geben, um mit ihrem musikalischen Talent glänzen zu können. Sie gewinnen dadurch auch Selbstvertrauen und eine gewisses Maß an Routine.“ Das Jugendorchester tritt regelmäßig in Gran Canaria auf und auch außerhalb der Insel wie beispielsweise in Madrid oder Palma de Mallorca.
DAS JOGC KOMMT nach maspalomas
Im Süden von Gran Canaria kann das JOGC schon am Samstag, dem 16. Februar, genossen werden. Die jungen Künstler präsentieren bekannte lateinamerikanische Kompositionen.
Anm.: Das JOGC ist Gründungsmitglied der spanischen Vereinigung junger Orchester (AEJO) mit dem Ziel der pre-professionellen Ausbildung zum Orchestermitglied.