„Die Kanarischen Inseln haben von jeder internationalen Krise am Ende profitiert“, das sagte mein renommierter Anwalt Miguel Rodríguez aus Las Palmas de Gran Canaria und begründete seine Einschätzung neben den klassischen Argumenten, wie z. B. das schöne Klima, auch mit Rechtssicherheit als EU-Mitglied. Der Archipel „wird immer eine beliebte Destination bleiben wird. Und gerade in diesen unsicheren Zeiten der Pandemie ist das gute Gesundheitssystem auf dem Archipel sicher ein guter Grund, um ihn anderen exotischen Ländern vorzuziehen. À la long könnten die Inseln im Tourismus damit punkten.“
Jedoch wie sieht die Situation am Immobilienmarkt aus? Ich sprach mit einigen erfahrenden globalen Playern aus dem internationalen Finanz- und Immobilienumfeld, Experten aus Wien etc.1) Sie sehen diese Misere weniger mit einem weinenden und mehr mit einem lachenden Auge. Potente Investoren, die die aktuelle Lage finanziell aussitzen können, warten auf lukrative Angebote und sind bereit, bei einem gewinnträchtigen Schnäppchen zuzuschlagen. Die Geldmittel scheinen kein Thema, das wurde von mehreren Seiten bekräftigt.
Abwarteposition am Immobilienmarkt
Trotzdem scheint ihr Motto zu lauten: „Eile mit Weile“, sie werden jene, die in die Bredouille geratenen sind, zappeln lassen. Schon jetzt sind interessante, modern ausgestattete Hotelkomplexe und Appartementanlagen in einigen Ländern, wie z. B. Italien, Kroatien und sogar Österreich, am Markt verfügbar.
Da im Besonderen kleine und mittelgroße Komplexe nicht über die finanziellen Polster verfügen, um eine Krise längerfristig zu überleben, selbst wenn sie per se gut geführt wurden und ihre Kosten mit ihren Einnahmen abdecken konnten. Die Reserven für solche unerwarteten Ausnahmesituationen sind limitiert.
Das Coronavirus schreibt neue Regeln. Wie werden sich die Kanarischen Inseln mit anderen Tourismusdestinationen messen können? Welche Auswirkungen wird das auf die Preise haben? Wie schätzen hiesige Immobilienprofis die Lage ein? Ich traf mich u. a. mit Renate Arnsteiner von Canarinvest Properties auf Gran Canaria, die als Gründerin und Vorstandsmitglied von ACEGI (der kanarische Immobilienverband) eine Expertin ist. Gemeinsam mit ihr habe ich einige Fakten rund um den spanischen bzw. hiesigen Immobilienmarkt zusammengetragen.
Immobilienmaklerin Renate Arnsteiner führt aus: „Wir haben schon 2019 aufgrund der sehr hohen Preise einen leichten Rückgang der Käufe am kanarischen Immobilienmarkt beobachten können, insbesondere im höheren Preissegment beliebter Zonen, wie z. B. in den Touristenhochburgen“, sagt Arnsteiner und führt weiter aus: „Im Moment gibt es sehr viel Nachfrage von Personen, die hier ein Objekt erwerben wollen. Aber, obwohl diese Nachfrage grundsätzlich besteht, scheint jeder durch die Reisebeschränkungen und Marktunsicherheiten im Moment in einer Art Abwarte- und Beobachtungsposition zu sein. Jeder hat Angst einen falschen Schritt zu setzen. Jetzt ist der qualifizierte Immobilienmakler gefragt, mit ruhigem Kopf, und viel Expertise. Jetzt ist eine laufende Schulung und Fachwissen mehr gefragt denn je, um die wirtschaftliche Lage und den Immobilienmarkt in seiner Komplexität korrekt einschätzen und bewerten zu können. Mehr denn je, erwarten sich die Kunden eine partnerschaftliche und kompetente Beratung und nicht, dass man sie jetzt noch mehr verwirrt oder gar unter Druck setzt. Der enge Kundenkontakt ist entscheidend. Aber langfristig zahlt sich der Zeitaufwand aus. Es ist eine Investition - jetzt muss gesät werden, die Ernte kommt von selber.“
Preisreduktionen bei Notverkäufen
Ein richtiger Immobilienmakler bietet nicht einfach Häuser oder Wohnungen an bzw. verkauft sie, sondern kümmert sich um seine Klienten. In enger Abstimmung eruiert er die individuellen Bedürfnisse und die sind so vielfältig wie die Objekte selbst. Wir arbeiten mit Menschen und nicht mit Häusern. Der Grund für einen Kauf oder Verkauf ist entscheidend und beeinflusst den Preis maßgeblich. Handelt es sich um einen Notverkauf? In diesem Fall muss jedem klar sein, dass man finanzielle Abstriche machen muss. Und, muss bei mehreren Hypothekenrückständen wirklich dringend verkauft werden, oder können wir eventuell eine ganz andere Lösung anbieten. Eventuell kann man eine Refinanzierung vermitteln und die Verkäufer können ihr Zuhause behalten. Eine andere Variante wäre, dass ich einen seriösen langfristigen Mieter zur Hand habe, der vielleicht genau so ein Objekt sucht und das Problem wäre dadurch gelöst und der Verkäufer kann sich die notwenige Zeit nehmen, um seine Entscheidung gründlich zu überlegen. Es gibt so viele Möglichkeiten und die muss ein qualifizierter Immobilienmakler kennen und richtig beraten. Das bedeutet auch, dass jeder im Team gleichermaßen geschult ist und auf dem aktuellen Stand der Themen ist.“
Arnsteiner fährt fort: „Aktuell verkaufen wahrscheinlich nur diejenigen, die den festen Entschluss gefasst haben und es muss ihnen klar sein, dass man Preiseinbußen im Verkauf hinnehmen muss. Zur Zeit fallen die Preise um die 5 - 10 Prozent. Allerdings waren viele Preissenkungen schon vor der Covid-19 Krise zu erwarten, da viele Objekte zu hoch bewertet waren und über dem Marktpreis gehandelt wurden. Diese Immobilien müssen auf alle Fälle weitere Preissenkungen 20 oder mehr Prozent in Kauf nehmen. Ansonsten wäre es unbedingt ratsam, diese für einige Zeit aus dem Angebot raus zu nehmen. Immobilien, die jahrelang angeboten werden, sind uninteressant und wecken bei potenziellen Käufern den Eindruck, dass mit diesem Objekt etwas nicht stimmt. Jene Immobilien, die bereits vor Covid-19 korrekt bewertet und beziffert wurden, werden im Verkaufspreis keine so großen Preissenkungen erleiden.
Marktbeobachtung vor Schnellschüssen
Jetzt ist es unbedingt notwendig, den Markt täglich genau zu beobachten und die Zahlen der Verkäufe sowie den Endpreis dieser Abschlüsse zu kennen. Nachdem aufgrund der Ausrufung des nationalen Alarmzustands und den damit verbundenen Einschränkungen erst ab 11. Mai wieder Immobilienbesichtigungen möglich waren, ist die Erhebung der Daten der Daten der Abschlüsse ab diesem Zeitpunkt besonders wichtig. Aufgrund des vergleichsweise kurzen Zeitraums fehlen aussagekräftige Daten und alles andere wäre vorerst reine Spekulation.
Arnsteiner sieht auch eine Art Bereinigung bei den Immobilienmaklern bevorstehen und argumentiert wie folgt: „In Krisenzeiten wird es weiterhin Menschen geben die verkaufen wollen oder müssen und auch diejenigen die kaufen wollen und können, sei es aus langfristigen Investitionsmotiven oder weil das Angebot sehr attraktiv ist. In meiner Einschätzung setzen sich jetzt die Besten der Besten durch. Wer einfach nur Häuser zeigt und auf Schnellschüsse hofft, der hat langfristig schlechte Karten. Nur mit Weitblick im Sinne des Kunden zu arbeiten zahlt sich einfach aus. Auf Druck kauft keiner Notangebote, die sind per se schon suspekt. Meiner Einschätzung nach könnte bis zu einem Drittel der ‚Immobilienmakler‘ vom Markt verschwinden. Und all jene Kunden, die keinerlei Beratung wünschen oder darauf keinen Wert legen, die gehen ohnehin über die verschiedenen online Portale und nehmen die damit verbundenen Risiken in Kauf. Wir bleiben bei unserer Strategie sowie Geschäftsethik und setzen weiterhin auf Information und Beratung, die jetzt wichtiger den jemals ist - auch wenn sich gute Beratung schon immer ausgezahlt hat.
Renate Arnsteiner/Julija Major
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Verweise
1)Namen der Redaktion bekannt, auf Wunsch nicht publiziert, wir können jedoch gerne den Kontakt herstellen.
2)Viva Canarias Nr. 132 vom 20.8.2018 „Kaufen oder mieten? Was die Immobilienexpertin Renate Arnsteiner für die Kanarischen Inseln rät“ (www.viva-canarias.es) Kaufen oder mieten? Was die Immobilienexpertin Renate Arnsteiner rät für die Kanarischen Inseln ...
3)Studie „Estadistica Registral Inmobialaria“ 2020T1 der Universität Zaragoza (Publikation Nr. 64)