Dieses Mal geht es um Rallyes. Die Kanarier sind Rallye-Fans und das schon seit vielen Jahrzehnten. Vielleicht liegt es auch daran, dass hier optimale Bedingungen vorherrschen, um das ganze Jahr über seinen Adrenalinspiegel in die Höhe zu treiben. Hier werden perfektes Klima und optimale Bergstrecken geboten, die es hinsichtlich des Anspruchs für die Piloten allerdings in sich haben. Es ist immer wieder spannend, neue Facetten des Archipels zu entdecken und das stimmt mich zuversichtlich, dass mir die Themen für mein Magazin VIVA Canarias so schnell nicht ausgehen werden.
Um ein wenig mehr zu erfahren treffen wir uns mit Stefan Efferoth, der seit zwei Jahren unter dem Namen „Escudería Maspalomas“ in der Klasse A2 Rallys fährt. Sie erinnern sich, wir haben den Jungunternehmer vor drei Jahren vorgestellt1). Zum Treffen kamen noch seine Frau Ariane und die hübsche Tochter Mayra-Leonie, die wir gleich als Cover-Model ‚zwangsbeglückt‘ haben und die uns als ein echtes Modeltalent mit ihrer Professionalität und ihrem großen Durchhaltevermögen begeisterte.
Stefan karrte seinen Rallye-Boliden mit seinem Appschleppauto an. Dass dieses Auto einen Motor hat, der etwas mehr drauf hat als ein „gewöhnliches“ Fortbewebungsmittel, lag spätestens auf der Hand, als das tiefe sonore Geräusch des Motors die Gegend richtiggehend zum Schwingen brachte. Schwups, fuhr er in die von uns gewünschte Position und machte gleich auch noch eine rasante, doch elegante Pirouette.
Quereinsteiger im Rallye-Zirkus
Zurück zum Motorsport, denn irgendwie war ich schon überrascht, dass Stefan nun in diesem Rennzirkus mitmischt. Schon viele Male war er mein rettender Engel, wenn ich wieder einmal vergessen hatte, das Licht im Auto abzudrehen etc. Auf der anderen Seite ist es auch gar nicht so abwegig, denn Autos sind sein Leben.
Stefan bestätigte mir das auch folgendermaßen: „Es lag irgendwie auf der Hand, denn durch meine Autowerkstatt saß ich ja an der Quelle. Ich lernte immer mehr Menschen kennen, die direkt und indirekt in Rallyes involviert waren. Dass es hier derart populär ist, habe ich dann erst so richtig verstanden. Aber das schöne an diesem Sport ist, dass es ein richtiger Gemeinschaftssport ist. Jeder hilft jedem. Das reicht vom Wasser und Saft bis hin zum Werkzeug, denn zwischendurch muss häufig noch ein wenig ‚repariert‘ werden. Schön war für mich, dass ich von Anfang an super aufgenommen wurde.“
Seine Frau Ariane, auch vom Rally-Fieber gepackt, ergänzt: „Diese Welt ist wie eine große Familie, im wahrsten Sinn des Wortes. Freunde und Familienmitglieder kommen und sorgen für das leibliche Wohl und die Bespaßung, während die Piloten sich auf ihren Einsatz vorbereiten oder gar auf der Strecke sind.“ Wie geht es der Ehefrau eigentlich, wenn ihr Mann mit Megatempo die halsbrecherischen Kurven in den Bergen fahren muss, denn häufig sind die Strecken von richtig tiefen Schluchten flankiert. „Schlecht geht es mir dabei“ schmunzelt die Ehefrau und erläutert: „Beim ersten Rennen schrie ich nur die ganze Zeit ‚Oh Gott, oh Gott, fahr nicht so schnell‘. Ich konnte gar nicht zusehen. Wir haben eine Vereinbarung, dass er unmittelbar eine Nachricht schickt oder Anruft, sobald er die Ziellinie durchfahren hat.“
Stefan ergänzt: „Ich bin ja kein jugendlicher Draufgänger, sondern ein seriöser Familienvater und Unternehmer. Wenn ich ausfalle, dann steht alles. Von mir hängen einige Menschen ab und natürlich versuche ich schnell zu fahren, aber nicht um jeden Preis. Dazu kommt, dass mein CoPilot auch noch mein Mitarbeiter ist. Wir fahren im guten Mittelfeld und das ist für mich, obwohl ich mit 43 Jahren ein Quereinsteiger bin, ein zufriedenstellendes Ergebnis. Hier erlebt man bei der Rally normalerweise kein hartes Konkurrenzdenken. Man versucht halt gute Zeiten zu fahren.“
Adrenalin auf höchstem Niveau
Ich lernte, dass es also nicht unbedingt um das Siegertreppchen geht. Aber warum dann? Stefan versucht mir das Rally-Gen zu erläutern: „Der ganze Rennzirkus ist aufregend und er ist hier auf den Kanaren super professionell organisiert. Beim ersten Rennen wusste ich ja noch nicht, wie ich überhaupt zeitmäßig mithalten kann. Die anderen Fahrer waren so rücksichtsvoll und haben zusätzlich dreißig Sekunden Zeit gelassen, bis der Pilot hinter mir losfuhr. So hatte ich nicht noch zusätzlich Druck durch einen Rennfahrer hinter mir. Im Prinzip ist es auch sicher. Das Auto ist speziell verstärkt, so dass man sogar einen Überschlag unbeschadet überstehen kann. Dazu kommt die feuerfeste Schutzkleidung und der Helm etc.
Alle Fahrer sind zudem zusätzlich versichert und entlang der Strecke stehen überall mit Funk ausgestattete Streckenposten. Außerdem sind Rettungskräfte (Ambulanz, Feuerwehr) bei jedem Rennen in Bereitschaft, sollte doch mal etwas passieren.
Unterschätzt - der Copilot
Man fährt zu zweit, wieso? Stefan erklärt einer Unwissenden: „Ich fahre unter dem Namen des ‚Rennstalls‘ Escudería Maspalomas mit meinem Co-Piloten Alberto Sanchez Moreno und der hat eine unheimlich wichtige Rolle. Man muss sich das so vorstellen. Zuerst fährt man die Strecke ab, um sie kennenzulernen und der Co-Pilot markiert sich alle markanten Punkte, wie z. B. ein verlassenes Haus, einen großen Baum, eine Brücke etc. Zusätzlich, und das ist noch viel wichtiger und essenziell im Rallye-Sport, vermerkt er die Kurven und deren Stärke der Neigung. Während dem Rennen konzentriert man sich als Fahrer auf die Straße und auf die Befehle des Co-Piloten, der dann schreit rechts drei, links eins. Übersetzt kann man sich das wie die Stärke der Kurve vorstellen, wobei die Zahlen jenen der Position auf dem Ziffernblatt einer Uhr entsprechen. Sich zu irren wäre alles andere als ratsam, wenn nicht sogar sehr gefährlich. Als Fahrer muss man sich beim Rennen zu hundert Prozent auf den Co-Piloten verlassen können und dieses Vertrauen schweißt einen als Team noch mehr zusammen. Das ist unheimlich wichtig. Nach einer Fahrt ist das Adrenalin auf dem Maximum, mehr geht dann nicht.“ Per Definition ist eine Rallye ein Motorsport-Wettbewerb, der für gewöhnlich über mehrere Tage oder Etappen auf Feld- und Waldwegen sowie auf regulären Straßen ausgetragen wird. Und so läuft es im Prinzip auch auf den Kanaren. Während man beim Bergrennen normalerweise alleine hoch fährt, ist bei einer Rallye immer ein Co-Pilot dabei.
Die Kanarier fiebern einem Rennen schon lange vorher entgegen und da geht es nicht ‚nur‘ um die technisch aufgemotzten Boliden, die mit ohrenbetäubendem Lärm die Kraft des Motors demonstrieren. Hier sind die Zuschauer quasi mittendrin, wenngleich nur hinter den gelben Absperrungen. Sie kommen mit Kind und Kegel, mit dem Auto, Wohnwagen oder Zelt. Geparkt wird, wo es nur möglich ist, zentimetergenau in die Hänge platziert. Sie dürfen sich aber nicht in Gefahr begeben oder den Fahrzirkus beeinträchtigen und so wird vor jedem Start von den Streckenposten alles auf die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen kontrolliert. Erst dann fällt der Startschuss.
Bei einer Rallye herrscht richtige Volksfeststimmung und es ist schwierig sich nicht von der guten Laune der Menschen anstecken zu lassen. Eine der ältesten Rallys auf Gran Canaria findet beispielsweise in diesem Jahr zum 44 Mal statt, die „Rallye Maspalomas“.
Das liebe Geld ...
Die Kosten für das Auto und die Ausrüstung muss man selbst tragen, sofern man keine Sponsoren hat. „Ich habe den Vorteil, dass ich in meiner Werkstatt vieles selbst reparieren kann und keine auswärtige Hilfe benötige. Dazu kommt, dass ich mit meinem eigenen Abschleppauto das Rennfahrzeug zum Start transportieren kann und keine zusätzlichen Kosten habe. Ansonsten sind die Kosten für diesen Sport überschaubar.
Man muss ein technisch abgenommenes Auto haben, den entsprechenden TÜV, für die Straße versichert sein und man selbst muss eine Rennlizenz haben. Die erhält man mit einem jährlichen Gesundheitszeugnis. Bei jedem Rennen muss dann noch die Teilnahmegebühr (liegt zwischen 150 und 200 Euro) bezahlen. Die Grundausstattung der feuerfesten Schutzkleidung und -helm schlägt einmalig mit etwa 2.000 Euro zu Buche und muss in Folge alle fünf Jahre erneuert werden.
Ihre Chance
Wenn Sie das Spektakel live erleben möchten, fahren Sie rechtzeitig an die Stelle Ihrer Wahl, parken Sie abseits der Strecke und rechnen Sie damit, dass Sie wahrscheinlich erst einige Zeit nach dem programmierten Ende der jeweiligen Sonderprüfung wieder wegkommen (um dann möglicherweise noch ein wenig im Stau zu stehen). Und noch ein Tipp für diejenigen, die mit Motorsport wenig am Hut haben: Meiden Sie an den beiden Renntagen die auf der Karte verzeichneten Strecken, die stundenlang für den normalen Verkehr gesperrt werden. jm
Quelle:
1)Viva Canarias Ausgabe Nr. 66 „Stefan‘s Garage, Familie Efferoth in unserer Serie Unternehmer“ vom 21.11.2014. Wir haben dieses unter dem Menüpunkt „Portraits“ auf unserer Webseite zum Nachlesen hochgeladen.
www.viva-canarias.com