Wie die Wahlen in spanischen Eigentümerversammlungen vonstattengehen
1. Wer kann in einer Versammlung einer Eigentümergemeinschaft abstimmen?
Das spanische Wohnungseigentumsgesetz (Ley de Propiedad Horizontal, LPH.) besagt, dass die Beschlüsse der Eigentümergemeinschaften ausschließlich innerhalb einer Generalversammlung getroffen werden können. Diese Versammlungenkönnen nicht durch schriftliche Umfragen oder eine Briefwahl ersetzt werden. Nur die in der Versammlung anwesenden Eigentümer (oder deren durch schriftliche Vollmacht legitimierte Vertreter) dürfen in einer Eigentümerversammlung abstimmen. Eigentümer, die gegenüber der Eigentümergemeinschaft Schulden haben, können zwar in der Versammlung auftreten und reden, besitzen aber kein Stimmrecht. Es ist aber schon möglich, dass die Versammlung bestimmte Entscheidungen delegiert, z.B. mittels eines Beschlusses, wonach der Pool für maximal 25.000 € renoviert werden soll, und der Präsident (oder eine Kommission von wenigen Eigentümern) von der Versammlung den Auftrag erhält, die Baufirma auszuwählen und dieser den Auftrag zu erteilen. Wenn ein Appartement mehrere Eigentümer hat (z.B mehrere Erben), ist einer von ihnen, ohne eine Vollmacht des anderen Eigentümers zu benötigen, bzw. ein Vertreter stimmberechtigt.
2. Vertretungsvollmachten
Vertretungsvollmachten müssen schriftlich vorliegen. Die Rechtsprechung akzeptiert notarielle Vollmachten, aber auch Vollmachten als Fotokopie und manchmal sogar als Email. Gleichwohl empfehle ich, dass Vollmachten zumindest “unterschrieben” sein sollten, da das Gesetz das eigentlich verlangt.
3. Sprache
In welcher Sprache müssen die Versammlungen und die Wahlen stattfinden? In Spanisch, da Spanisch hier die offizielle Sprache ist. In vielen Eigentümergemeinschaften, die nur aus Ausländern bestehen oder in denen die Mehrheit kein Spanisch spricht, gibt es jemanden, der als Dolmetscher dient. Oft werden die Einladungen, Rundschreiben und Protokolle auch übersetzt. Allerdings kann man das als einzelner Eigentümer nicht verlangen, wenn die Gemeinschaft das nicht beschlossen hat oder die Statuten es nicht vorsehen.
4. Kann man vorschlagen, dass man heimlich wählt?
Nein, die Abstimmung muss öffentlich sein. Das Wohnungseigentumsgesetz verlangt, dass Protokoll geführt wird, und dass bei jedem Punkt der Tagesordnung festgehalten wird, wer dafür, wer dagegen war und wer sich enthalten hat. Diejenigen, die sich enthalten oder dafür stimmen, können die Beschlüsse anschließend nicht mehr gerichtlich anfechten.
5. Worüber darf abgestimmt werden?
Nur über die konkreten Tagesordnungspunkte der Einladung. Auch wenn es einen Punkt wie “Verschiedenes” oder “Fragen und Bitten” gibt, darf man trotzdem nichts Verbindliches beschließen, was nicht eindeutig in der Einladung erwähnt wurde. Der Eigentümergemeinschaft ist es außerdem nicht gestattet, über Angelegenheiten zu entscheiden, die außerhalb ihrer Kompetenz liegen; zum Beispiel darf diese nicht entscheiden, dass man an bestimmte Personen keine Immobilien verkaufen kann, oder dass man den anderen Eigentümern ein Vorkaufsrecht einräumen muss, oder dass die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin gut oder schlecht ist, oder dass Herr X oder Frau Y in der Anlage unerwünscht sind.
6. Wer bestimmt die Punkte der Tagesordnung ...
Wer bestimmt die Punkte der Tagesordnung, worüber abgestimmt werden muss? Der Präsident ist derjenige, der die Einladung erstellt, und die Punkte der Tagesordnung festsetzt. Die Eigentümer (auch die Schuldner der Gemeinschaft) dürfen beim Präsidenten beantragen, dass für die Eigentümergemeinschaft relevante Punkte in die Tagesordnung aufgenommen werden. Der Präsident ist verpflichtet, diese aufzunehmen, auch wenn er damit nicht einverstanden ist. Wichtig: Wenn Sie einen Punkt vorschlagen wollen, tun sie dies schriftlich und rechtzeitig, also bevor die Einladung zur nächsten Versammlung abgesandt wird.
7. Darf man über die Vorschläge in etwas veränderter Form abstimmen oder kann man nur „Ja” oder „Nein” wählen?
Sicherlich kann der Vorstand vorschlagen, dass man über einen inhaltlich leicht veränderten Punkt der Tagesordnung abstimmt, wenn die Auffassung besteht, dass man sich so besser einigen kann; z.B: der Vorstand schlägt vor, dass ein gewisses Budget für das Jahr 2017 genehmigt wird; die Mehrheit der Eigentümer scheint damit einverstanden zu sein, aber viele sind der Ansicht, die Position “Renovierungen der Anlage” sei zu hoch angesetzt. In einem solchen Fall kann der Vorstand vorschlagen, dass über das Budget mit dieser Veränderung abgestimmt wird. Oder: der Vorstand schlägt eine außerordentliche Umlage von 1.000 € pro Appartement vor, die sofort zahlbar sein soll. Im Laufe der Versammlung schlägt jemand vor, dass man den Eigentümern die Möglichkeit einräumen soll, diese Summe in vier monatlichen Raten zu bezahlen, was von der Mehrheit der Eigentümer befürwortet wird, usw. Aber: Oft kandidieren mehrere Eigentümer als Gruppe, um Mitglieder des Vorstandes zu werden, und sie wollen nur als Gruppe gewählt oder abgelehnt werden; in diesem Fall sollte man schon ihren Willen akzeptieren und sie alle zusammen wählen oder eben nicht. Die Kunst eines guten Präsidenten oder Verwalters besteht meines Erachtens oft darin, kleine Änderungsvorschläge zu akzeptieren oder zu machen, damit die Gesamtheit der Tagesordnungspunkte am Ende einstimmig oder mit einer großen Mehrheit angenommen werden.
8. Was ist die „Doppelte Mehrheit”?
In der Regel braucht man, um Beschlüsse zu fassen, die sogenannte doppelte Mehrheit der Eigentümer, die in der Versammlung anwesend oder vertreten sind; die Enthaltungen werden dabei nicht berücksichtigt, es geht darum, ob es mehr Ja- oder Nein-Stimmen gibt. Jedes Appartement oder jeder Bungalow hat eine “Quote” (das ist sein Anteil an der Gemeinschaft); jeder Bungalow in einer Anlage, die z.B. aus 10 Bungalows besteht, hat also (wenn alle gleich groß sind) eine Quote von 10%; diese Quote ist im Grundbuchamt eingetragen, und ist damit auch in Ihrer notariellen Kaufurkunde (“escritura”) oder in jedem Grundbuchauszug ersichtlich. Außerdem hat auch jedes Appartement oder jeder Bungalow eine Stimme. Um einen Beschluss in einer Anlage zu fassen, bedarf es in der Regel beider Mehrheiten: der Mehrheit der Quoten (“Quotenmehrheit“) und der Mehrheit der Appartements oder Bungalows (“Köpfemehrheit”). Wenn alle Appartements oder Bungalows ungefähr gleich groß sind (also die selbe Quote haben) und kein Eigentümer mehrere Appartements oder Bungalows besitzt, sind beide Mehrheiten faktisch gleich; aber stellen Sie sich vor, dass in unserer kleinen 10-Bungalow Anlage eine Firma z.B. 6 Bungalows besitzt, wobei es noch vier weitere Eigentümer gibt. Da jeder Bungalow eine Quote von 10% hätte, stehen der Firma sechs Mal 10% der Quoten zu, also 60% der Quoten, und darum die Quotenmehrheit, und jeder der vier anderen Eigentümer hätte eine zehnprozentige Quote. Aber: Die Firma hat nur 1 “Kopfstimme”, und die anderen vier Eigentümer der restlichen Bungalows hätten dann zusammen 4 “Kopfstimmen”. In einer solchen Situation kann die Firma nicht alle ihre Wünsche so einfach durchsetzen, obwohl sie die Quotenmehrheit hat, wenn sich die anderen Eigentümer ihr widersetzen. Jedoch hat die Firma ein Vetorecht, denn sie kann mit ihrer Quotenmehrheit jeden Beschluss blockieren, da man für jeden Beschluss auch die Quotenmehrheit braucht. Mit diesem System versucht der Gesetzgeber zu verhindern, dass große Eigentümer stetsihren Willen in Eigentümergemeinschaften durchsetzen.
9. Was passiert, wenn man keine Mehrheiten erreicht?
Wenn dieser Fall eintritt, gilt der betreffende Punkt als abgelehnt, auch wenn es eine Quotenmehrheit gab oder eine Köpfemehrheit. Man braucht eben beide Mehrheiten, um einen Beschluss zu fassen. Allerdings kann jeder Eigentümer bei Blockade-Situationen den Amtsrichter bitten, in dieser Angelegenheit eine Entscheidung zu treffen. Davon sollte man nur selten Gebrauch machen, denn es entstehen nicht unerhebliche Kosten und die Entscheidung kommt nicht schnell. Ein guter Vorstand zeichnet sich dadurch aus, konstruktive Vorschläge zu machen, die am Ende von einer Mehrheit der Quoten und der Köpfe annahmefähig sind. Hierzu bedarf es aber der Flexibilität, Intelligenz und Diplomatie. Gute Eigentümergemeinschaften zeichnen sich dadurch aus, dass man dort fast alles mit großer Mehrheit oder sogar einstimmig beschließt. Das ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass man einen fähigen Vorstand hat. Bevor Sie sich in ein Haus oder eine Anlage einkaufen, schauen Sie sich die Protokolle an. Es ist u.a. gut zu prüfen, ob es viele Schuldner gibt, oder ob die Beschlüsse immer wieder mit vielen Gegenstimmen gefasst wurden. Man will ja nicht unbedingt in einer zerstrittenen Eigentümergemeinschaft wohnen, oder?
10. Fälle, in denen man größere Mehrheiten braucht.
Achtung: In diesen Fällen gelten die nicht anwesenden Eigentümer als Ja-Stimmen, wenn man diesen den Beschluss zustellt und diese sich nicht schriftlich gegen den Beschluss innerhalb von 30 Tagen äußern.
a) Man braucht Einstimmigkeit um:
- Statuten zu genehmigen,
- Die Quoten zu ändern,
- Einen Teil der gemeinschaftlichen Zonen zu veräußern; zum Beispiel, um die ehemalige Portier-Wohnung, oder um einen Keller oder die Parkplätze unter den Eigentümern zu verteilen,
- die Gemeinschaftszonen stark zu verändern (z.B. den Pool zu eliminieren).
b) Man braucht eine 3/5 Mehrheit um:
- Teile der Gemeinschaftszonen zu vermieten.
- Einen Portier, einen Gärtner, einen Wächter einzustellen, wenn es diese bisher noch nicht gab. Oder um zu entscheiden, dass es sie weiterhin nicht geben wird.
c) Spezieller Fall: Aufzüge: Um einen Aufzug zu installieren (obwohl man damit die gemeinschaftliche Zone stark verändert) braucht man nicht die Einstimmigkeit, es reicht die einfache Mehrheit. Aber: wenn ein einziger Eigentümer einer Wohnung oder eines Geschäftslokals behindert oder älter als 70 Jahre ist (oder wenn solche behinderte oder alte Menschen dort leben oder arbeiten), darf der Eigentümer verlangen, dass man einen Aufzug installiert, auch wenn die Mehrheit dagegen ist (!). Die Eigentümer im Erdgeschoss müssen genauso zahlen wie alle anderen, auch wenn sie wahrscheinlich den Aufzug nicht benutzen werden, es sei denn, die Statuten enthalten eine andere Regelung oder man beschließt einstimmig etwas Anderes. Sind die Ausgaben für einen Aufzug größer als die Summe der ordentlichen Umlagen eines ganzen Jahres, dann sind die Eigentümer nur verpflichtet, bis zu einem Betrag von einer Jahresumlage hierfür aufzukommen, wobeider Rest von denjenigen zu tragen ist, die den Lift beantragt haben.
d) Spezieller Fall: Sonnenkollektoren, Antennen, Telekommunikationsanlagen, gemeinschaftliche Energieversorgunsanlagen, usw. Um das zu genehmigen, reicht eine Minderheit von 1/3 (an Quoten und an Köpfen).
e) In den Abstimmungen, die eine spezielle größere Mehrheit benötigen, gelten als “Ja-Stimmen” diejenigen von den Eigentümern, die sich enthalten haben, oder nicht anwesend oder vertreten waren und die nicht schriftlich gegen den Beschluss innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung des Beschlusses vorgegangen sind.
José Antonio Pérez Alonso, Abogado - Rechtsanwalt