1. Wann stehen die nächsten Wahlen an?
a) Wahlen zum spanische Parlament: Am Ende dieses Jahres, wahrscheinlich im November.
b) Nach der spanischen Verfassung vom Jahre 1978 und dem Gesetz „Ley Orgánica del Régimen Electoral General“ müssen am 24. Mai 2015 Gemeindewahlen („Elecciones municipales“) und Wahlen für die meisten Bundesländer („Comunidades autónomas“ in Asturien, Cantabrien, Navarra, Castilla y León, La Rioja, Valencia, Madrid, Castilla-La Mancha, Murcia, die Kanaren, Balearen, Aragón, Extremadura, Ceuta und Melilla - also, in allen Bundesländern ausser in Katalonien, Andalusien, Galizien und Baskenland - stattfinden. Es werden ebenfalls Wahlen zur Inselregierungen der Balearen („Consejos insulares“) und der Kanaren („Cabildos insulares“) abgehalten.
2. Wer kann wählen?
Wählen ist in Spanien ein Recht, aber auf keinen Fall - wie in einigen wenigen Länder - eine Pflicht. Wer hat aber dieses Recht?
a) Wahlen zum spanischen Parlament und zu den Länderparlamenten: Nur spanische Bürger können wählen - unabhängig davon, ob sie in Spanien oder im Ausland leben. b) Europawahlen: Spanier und auch EU-Bürger, die offiziell resident und gemeldet sind und sich extra für diese Wahlen eingetragen haben können wählen. c) Wahlen in den Gemeinden („Ayuntamientos“) und zu den Inselregierungen („Cabildos insulares“) und Provinzen („Diputaciones provinciales“): Spanier und gemeldete residente EU-Bürger. Auch Bürger aus anderen Ländern, die mit Spanien ein internationales Abkommen unterschrieben haben (Norwegen, Ecuador, Neuseeland, Kolumbien, Chile, Peru, Paraguay, Island, Bolivien, Cabo Verde, Südkorea, Trinidad-Tobago) dürfen wählen, wenn sie mindestens seit 5 Jahren in Spanien leben (nur 3 Jahre bei den Norwegern). Der Wähler muss mindestens 18 Jahre alt sein. Wählen darf man nicht, wenn man entmündigt wurde bzw. man durch Richterspruch vom Wahlrecht ausgeschlossen wurde. Bevor man wählen kann, muss man sich zuerst in eine Wählerliste („Censo electoral“) eintragen lassen haben (per Post, per Internet - wenn man über eine elektronische Unterschrift verfügt- bzw. in den Gemeinden).
Die Frist, um sich für diese Wahlen von Mai 2015 anzumelden ist am 30.12.2014 abgelaufen.
2. Das spanische Parlament
Das spanische Parlament besteht aus zwei Kammern: Es gibt das Abgeordnetenhaus („Congreso“, 350 Abgeordnete) und den Senat („Senado“, 266 Senatoren). Jede Provinz wählt für 4 Jahre eine gewisse Anzahl von Abgeordneten (z.B Las Palmas 8, Teneriffa 7) und Senatoren; die Parlamente der Bundesländer ernennen ebenfalls 58 Senatoren.
Auf den Kanaren ist es etwas anders: 3 Senatoren werden auf Gran Canaria gewählt, 3 stammen aus Teneriffa, einer von jeder anderen Insel, und 3 werden vom kanarischen Parlament ernannt. Das Kanarische Parlament besteht aus 60 Abgeordneten (15 aus Gran Canaria, 15 aus Teneriffa, 8 aus La Palma, 8 aus Lanzarote, 7 aus Fuerteventura, 3 aus La Gomera und 3 aus El Hierro.
Das Kanarische Parlament wählt (oder stürzt) die Kanarische Regierung. Jede Kanarische Insel hat eine Inselregierung („Cabildo Insular“). Jede Gemeinde wählt ebenfalls ihre Stadträte („Concejales“).
PP: Partido Popular (Volkspartei)
Die Volkspartei ist sozusagen die spanische CDU. Präsident ist der erfahrene Mariano Rajoy Brey, von Beruf Politiker und Jurist (ehemaliger Grundbuchbeamter). Die PP ist zurzeit die stärkste Partei im Parlament, und sie ist seit einige Jahren in der spanischen Regierung an der Macht. Sie ist konservativ und christlich geprägt.
Pluspunkte der PP bei diesen Wahlen sind:
a) die Wirtschaft scheint sich jetzt einigermassen zu erholen; b) die Sparmassnahmen haben angeblich gewirkt; c) es gibt in Spanien keine rechtsextreme Parteien, darum wählen auch die extremen Rechten die für sie alternativlose Volkspartei; d) viele Bürger haben Angst vor den Linken von „Podemos“; e) die Volkspartei verteidigt entschlossen die Einheit von Spanien gegen Separatisten, was vielen gefällt.
Minuspunkte der PP bei diesen Wahlen:
a) die PP hat den Ruf, die korrupteste Partei zu sein: Viele Mitglieder sind in Korruptionsskandale verwickelt, u.a. der Präsident Herr Rajoy selbst (der Fall Bárcenas, der Fall der schwarzen Bankkarten, Umbau des Sitzes der Partei mit Schwarzgeldern, Zahlung von Schwarzgeldlöhne an Spitzenfunktionäre der Partei, die massenhafte Korruption in Valencia); b) die Wirtschaftskrise und die Sparmassnahmen haben diese Partei auch nicht gerade beliebter gemacht; c) Herr Rajoy ist der älteste aller Kandidaten und momentan rufen die Leute nach neuen Gesichtern in der Politik.
PSOE: Partido Socialista Obrero Español
Die spanischen Sozialdemokraten, oder die spanische SPD, ist die PSOE. Ihr Präsident ist der junge, nicht schlechtaussehende Pedro Sánchez (Politiker, Betriebswirt). Die PSOE war viele Jahre an der Macht in Spanien (bis 2011) und ist heute die zweite Kraft im spanischen Parlament.
Pluspunkte bei diesen Wahlen: a) Die Korruptionsskandale der PSOE sind schon etwas alt – mit Ausnahme des Falls in Andalusien; b) Pedro Sánchez hat den Ruf, ehrlich zu sein; c) die Bevölkerung hat die Sparmassnahmen satt.
Minuspunkte: a) Die PSOE und die PP halten viele noch für Parteien der „alten Politiker“ die die Korruption nicht genug bekämpft haben; b) einige meinen, die Politik der PSOE hätte die Krise mitverursacht; c) Die PSOE ist in Madrid und Katalonien ziemlich zerstitten; d) die PSOE plädiert fur ein föderalistisches Spanien, was einigen Angst macht; e) Pedro Sánchez ist ein sympathischer Typ, jedoch etwas unerfahren in der Politik und als Redner nicht ausserordenltich begabt oder brilliant.
IU: Izquierda Unida (Die Linke Partei, Kommunisten).
Ihr Chef ist der junge Betriebswirt Alberto Garzón. Pluspunkte der IU: a) Herr Garzón ist ein guter Kandidat und kein schlechter Redner; er ist jung, vom Fernsehen bekannt und beliebt; b) die Bevölkerung will keine Sparmassnahmen mehr und viele wünschen sich einen Wechsel in der Politik. Negative Punkte der IU bei diesen Wahlen: a) Im letzten Jahr ist die ebenfalls linke Partei „PODEMOS“ gegründet worden und wird laut Umfragen eine massive Unterstützung haben. Die Wähler und sogar Mitglieder und Politiker der IU fliehen zu Podemos; b) für den spanischen Durchschnittsbürger ist IU zu radikal und wirtschaftsunfreundlich.
Ciudadanos (in etwa die spanische FDP):
Ciudadanos ist eine neue Partei. Sie ist wirtschaftsnah und liberal und plädiert besonders für die Gleichbehandlung aller Bürger (unabhängig von ihrer Religion), für die Bewahrung der Einheit von Spanien (Kampf gegen die Separatisten in Katalonien und im Baskenland und gegen die Sonderrechte von bestimmten Regionen), sowie für die Bekämpfung der Korruption. Ihr Präsident ist der junge Anwalt und Betriebswirt Albert Rivera.
Pluspunkte: a) Die Bekämfung der Korruption ist zum „grossen Thema“ der Politik geworden und davon profitieren besonders die neuen Parteien; Ciudadanos hat davon einen seiner Hauptthemen gemacht; b) viele ehemalige Wähler der Volkspartei möchten nicht mehr die PP wählen, wegen der Korruption und könten Ciudadanos wählen. c) Herr Rivera ist ein junger, mutiger, ehrlicher und grossartiger Redner.
Minuspunkte: a) die Partei ist immer noch nicht allen bekannt; b) sie wurde in Katalonien gegründet; c) die Partei UpyD ist dieser Partei so ählich, dass man die Ideen von beiden eigentlich nicht unterscheiden kann... allerdings konnten sie sich nicht einigen, um sich zu vereinen. Das könnte beiden Parteien schaden.
UPyD: Unión Progreso y Democracia
UPyD und Ciudadanos verfolgen fast die gleichen Ziele und Massnahmen. Vielleicht könnte man sagen dass UpyD unerheblich Linker ist, bzw. dass UpyD noch strenger gegen die Korruption vorgehen will, aber die Unterschiede sind eigentlich sehr gering. Die Präsidentin ist die erfahrene, mutige und kämpferische Rosa Díaz, ehemalige baskische PSOE-Politikerin. Sie bekämfte immer streng die Separatisten und Terroristen sowie die Korruption. Ihre Partei behauptet (vielleicht mit Recht) die “sauberste” von allen zu sein. Sie schlägt ständig Massnahmen gegen die Korruption vor und hat mit Klagen und Anzeigen mehrere wichtigen Korruptionsfälle aufgedeckt. Plus- und Minuspunkte: wie bei Ciudadanos.
Podemos (= “Wir können“) (Die Linke Partei, Kommunisten).
Podemos will so etwas wie die „Syriza“ in Griechenland sein. Sie ist eine (extreme) linke Partei, die aber Wähler aus allen Bevölkerungsschichten anziehen will. Ihren Ursprung kann man an den Massendemostrationen gegen die Sparmassnahmen der PP und gegen die Räumungen von Schuldnern aus ihren Wohnungen finden.
Podemos wurde vor ca. zwei Jahren gegründet, ist aber jetzt laut Umfragen nach der PP die zweitgrösste Partei geworden. Ihr Wachstum ist explosionsartig erfolgt. Ihre Führer sind ehemalige Politikwissenschaftsstudenten und können mit dem Fernsehen und dem Internet sehr gut umgehen. Ihr Präsident Pablo Iglesias ist ein junger Politikwissenschaftsprofessor mit Pferdeschwanz, ein extrem guter und leidenschaftlicher Redner, mit einer aussergewöhnlichen Fähigkeit, die Medien auch sich aufmerksam zu machen. Podemos will als einzige Partei die Verfassung radikal ändern und eine Republik ausrufen.
Pluspunkte: a) Podemos hat geschafft, zur Partei gegen die korrupten Politiker, die Krise, die Sparmassnahmen und die Räumungen zu werden; b) Podemos ist (zusammen mit der UpyD) die Partei, die die Korruption und de alten korrupten Polítiker („la casta“) am schärfsten kritisiert und das begeistert viele Bürger; c) die Führer von Podemos sind jung, intelligent, engagiert und sehr gute Redner; d) viele spanischen Bürger wollen endlich „Transparenz“, „Gerechtigkeit“ und soziale Massnahmen nach den langjährigen Sparmassnahmen.
Minuspunkte: a) Viele sind der Meinung, Podemos schildert die Probleme sehr gut, hat aber keine richtigen Lösungen für sie; b) man sagt, die wenigen, fast kommunistischen vorgeschlagenen Lösungen von Podemos könnten das Land schnell ruinieren (z.B. Nichtzahlung der Staatschulden, Grundeinkommen für jeden Bürger, ob er arbeiten will oder nicht usw.) ; c) Podemos hat angeblich die finanzielle Unterstützung der (beinahe?) diktatorischen Regierung von Venezuela erhalten und diese Summen wurden anscheinend nicht richtig deklariert und besteuert, was die Partei, die alle anderen für korrupt erklärt, natürlich in ein komisches Licht stellt; d) die Führer von Podemos haben in der Vergangenheit oft die Regierung von Venezuela (die ihr Land in den letzten Jahren ruiniert hat) öffentich gelobt. Heute versuchen sie das zu vertuschen); e) einige denken, die PP und PSOE könnten eine grosse Koalition bilden, um die „gefährlichen Jungs“ von Podemos zu stoppen.
Nationalistische Parteien
In machen Regionen von Spanien gibt es auch starke nationalistischen Parteien. Im Baskenland und in Katalonien gibt es die sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite (PNV, CIU, ESQUERRA u.s.w). Auf den Kanaren sind die Nationalisten gemäßigter als in Katalonien oder im Baskenland und sie plädieren nicht (oder nicht so offen) für die Unabhängigkeit der Kanarischen Inseln von Spanien. Die kanarischen nationalistischen Parteien sind COALICIÓN CANARIA (seit vielen Jahren an der Macht auf den Kanaren, entweder in Koalition mit der PP oder mit der PSOE) und NUEVA CANARIAS. Coalición Canaria ist eher von der Mitte-rechts und Nueva Canarias ist eher von der Mitte-links, aber die Ideologie ist bei diesen Parteien nicht das Ausschlaggebende. Coalición Canaria entstand im Jahre 1993 durch die Verschmelzung von kleineren, rechten und linken Parteien, die alle mehr oder wenig nationalistisch waren. Die „Verteidigung der Interessen der Inseln“ und der „Aufbau einer Nation“(„Construcción nacional“), sowie die Absicht, die „Einheimischen“ vor den Fremden zu bevorzugen oder zu beschützen sind die Hauptthemen ihrer „Ideologie“. Coalición Canaria ist stärker auf der Provinz Teneriffa vertreten, während es Nueva Canarias fast nur in der Provinz Las Palmas gibt. Der jetzige Präsident von Coalición Canaria und der kanarischen Regierung ist Paulino Rivero, aber der zukünftige Präsident und Kandidat wird Fernando Clavijo (jetziger Bürgermeister von La Laguna, Teneriffa) sein. Der Präsident von Nueva Canarias ist Herr Román Rodríguez. Obwohl Coalición Canaria nationalistisch ist, kann sie in der Tat nicht so nationalistisch handeln, da sie in der Regel auf den Kanaren die Unterstützung der PP oder der PSOE benötigt.
José Antonio Pérez Alonso, Abogado-Rechtsanwalt