Ausgabe Nr.
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J M upload 05.04.2020, Viva Edition 162 | Print article

Rechtstipp Nr. 144 Coronavirus in Spanien, ein rechtliches Special

Liebe Mandanten, liebe Freunde, liebe Leser, viele Grüße aus dem Home-Office. Wir arbeiten weiter für die Gerechtigkeit und für die Interessen unserer Mandanten, auch (oder gerade) in diesen schwierigen Zeiten. Diese Zeitschrift und diese Berichte gibt es weiter, denn sowohl die Presse als auch wir Anwälte haben eine gewisse soziale Verantwortung, der wir gerecht werden müssen. Und natürlich werden wir es alle zusammen schaffen!

Anscheinend ist diese Situation mit dem Coronavirus ernster geworden als wir uns am Anfang uns hätten vorstellen können. Die Sache schien erstmal nur ein Problem der Chinesen zu sein, dann hat man die Coronavirus Krankheit als eine übliche Grippewelle kleingeredet, aber am Ende ist uns bewußt geworden, wie ernst die Lage ist. Der Schutz unserer älteren Menschen (unserer Eltern, Großeltern, Verwandten, Freunde Mandanten...) oder der Menschen, die Vorerkrankungen haben, muss oberste Priorität haben und deswegen müssen wir sehr harte Maßnahmen und deren Folgen in Kauf nehmen. Eventuelle Unannehmlichkeiten oder sogar wirtschaftliche Probleme sollten jetzt nachrangig sein. Auch wenn wir selbst keine Angst verspüren, oder nicht in besonderer Gefahr sind, sollten wir alles erdenklich Mögliche tun, um die Krankheit nicht zu verbreiten, denn wir könnten Menschen schaden, die in größerer Gefahr leben.

Da ich Anwalt bin und kein Arzt oder Politiker, erkläre ich Ihnen in diesem Bericht hauptsächlich, was sich in Sachen Gesetze in den letzten Tagen geändert hat wegen der Coronavirus-Krise (nichtsdestotrotz erlaube ich mir nur dazu etwas Persönliches zu sagen: Ich bin gerührt und sehr stolz auf unser Spanien, auf ein Land, das so entschlossen, diszipliniert, solidarisch und ruhig auf eine solche Krise reagieren kann...) Es ist sehr Vieles geschehen, denn die Regierung hat viele neue Dekrete erlassen. An dieser Stelle möchte ich mich um eine hoffentlich klare und verständliche Zusammenfassung bemühen:

1. OFFIZIELLE ERKLÄRUNG DER “AUSNAHMESITUATION”:

Kurz nachdem die Corona-Virusgrippe offiziell von der Weltgesundheitsorganisation zur “Pandemie” erklärt wurde, rief die spanische Regierung (nach italienischem Beispiel) mit dem königlichen Erlass (Real Decreto) 465/20 vom 14.3.2020 die „AUSNAHMESITUATION“ aus und verordnete eine Quarantäne bzw. Ausgangsperre, sowie die Schließung der meisten Geschäfte.  Das Dekret wurde kurz vor Mitternacht des besagten Tages im Staatsanzeiger BOE veröffentlicht und trat sofort in Kraft (was die Ausgangssperre betraf). Link zum Dekret

https://boe.es/diario_boe/txt.php?id=BOE-A-2020-3828

2. A. AUSGANGSSPERRE 

Nur aufgrund der Ernsthaftigkeit der Lage und der Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, durfte die Regierung per Dekret diesen tiefen Einschnitt in die persönliche Freiheit der Bürger beschließen. Noch nie in der ganzen Geschichte unseres Landes ist etwas Ähnliches beschlossen worden. Die spanische Regierung erklärte eine Ausgangsperre, um die rasante Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. “Ab sofort“ (also ab dem 14.3.2020 und mindestens 15 Tage lang) durfte man in ganz Spanien, also auch hier auf den Kanaren) nicht mehr auf die Straße (weder zu Fuß noch mit dem Auto), mit einigen Ausnahmen. Auch auf den Kanaren zum Strand oder in den Park zu gehen, in die die Berge zu fahren, Freunde, Verwandte oder Liebhaber zu besuchen, zum Frisör oder Masseur zu gehen,  zu wandern, einen Ausflug zu unternehmen oder auf der Promenade zu flanieren (oder zum Restaurant oder Café zu gehen) wird eine Zeit lang also nicht möglich sein. In der Zwischenzeit haben auch andere Länder in Europa und außerhalb unseres Kontinents eine ähnliche Ausgangsperre verhängt. Am Anfang galt die Ausgangsperre nur für “Straßen” („vías públicas”). Die Regierung bemerkte schnell den Fehler und korrigierte ihn wenige Tage später, und erklärte, dass auch alle öffentlichen Plätze gemeint waren, z.B. Gemeinschaftszonen von Eigentümergemeinschaften, Parks, Strände, Pools (selbst in damals noch offenen Hotels), usw.

Am 22.3.2020 hat Regierungspräsident Sánchez angekündigt, dass die Ausgangsperre um weitere 15 Tage verlängert werden soll (eine Genehmigung des Parlaments ist dafür notwendig), also bis zum 12.4.2020. Eine weitere Verlängerung ist möglich und sogar wahrscheinlich. 

(Genehmigte Ausnahmen von der Ausgangssperre - siehe Tabelle Seite)

2. C. HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN UND ANTWORTEN

Darf ich mein Restaurant/meine Cafeteria/meine Bar geöffnet lassen? Antwort: “Jain”.  Sie dürfen wegen der Coronavirus-Krise weder Essen noch Getränke servieren, die im Lokal verzehrt werden. Sie dürfen aber kochen und diese Gerichte und Getränke zum Mitnehmen verkaufen. Sie müssen aber dabei beachten, dass Ihre Angestellten und Kunden einen bestimmten körperlichen Abstand einhalten, und die Türen müssen geschlossen bleiben.

-  Frage: Darf ich trotz Ausgangssperre meine Freundin zum Flughafen fahren? Darf ich sie am Flughafen abholen und nach Hause bringen? Antwort: Nicht, wenn diese Person ein Taxi oder einen Bus nehmen kann. Ich weiß, diese Regel kann etwas unsinnig sein, gerade wenn man mit jemandem zusammen wohnt, dem man zum Flughafen bringen muss …

-  Frage: Darf ich zum Frisör oder zur Wäscherei trotz der Ausgangssperre? Antwort: Wäschereien können weiter geöffnet bleiben.  Aber Frisöre können nur Kunden zu Hause bedienen, die sich z.B. nicht mehr selbst die Haare waschen können), und Wäschereien sollen nur für gewerbliche Kunden (z.B. Krankenhäuser) geöffnet bleiben.

-  Frage: Darf ich mit meiner Frau zusammen im selben Auto zum Einkaufen fahren? Antwort:  Nein, man darf nur allein einkaufen gehen.

-  Frage: Ich bin geschieden. Darf ich nächstes Wochenende meine Kinder abholen? Antwort: Es gibt geteilte Meinungen, viele Richter denken eher nicht.

2. D. PERSÖNLICHER KOMMENTAR

Viele werden erst jetzt merken, wie wichtig die Freiheit ist, die wir gerade nicht mehr genießen können und wie schwierig es ist, “eingesperrt” zu sein.

Viele fragen mich: Warum darf ich wegen der Ausgangssperre nicht dies oder jenes tun? Warum darf ich mit meinem Mann nicht zum Supermarkt gehen? Warum darf ich meine Mutter nicht zum Flughafen bringen? Warum darf ich keinen Ausflug dorthin machen, wo es sowieso niemanden gibt oder am menschenleeren Strand spazieren gehen?, und so weiter... ANTWORT: Regeln sind dazu da, dass sie eingehalten werden. Zu hoffen, dass die Leute von alleine vernünftig handeln, ist eine Illusion, es gibt in jeder Gesellschaft die ewig Unverbesserlichen, die man nur durch staatlichen Druck zu sozialem Verhalten zwingen kann. Zu viele Ausnahmen, von denen vielleicht einige an sich sinnvoll wären, würden das Gesetz kompliziert und unanwendbar machen, oder seine Einhaltung nicht wirklich kontrollierbar machen. Außerdem mussten diese Regeln sehr schnell beschlossen werden und die Realität ist immer komplizierter und komplexer als sich das der Gesetzgeber vorstellen kann, sodass es natürlich passieren kann, dass einige gesetzliche Bestimmungen nicht immer sehr sinnvoll sind. Im Einzelfall kann die Regel unsinnig sein, aber wichtig ist, dass wir sie einhalten und dass sie im Ganzen funktioniert.

2. E. STRAFEN BEI NICHTEINHALTUNG DER AUSGANSPERRE 

(gemäss Ausnahmezustand-Dekret, Ley de Seguridad Ciudadana, Ley de Salud Pública, Ley del Sistema de Protección Civil):

Disziplin, Regeln, Strafen und Kontrollen sind leider immer nötig, dass die Gesetze eingehalten werden. Also:  Bei nicht schwerwiegenden Vergehen, also wo man kein großes Risiko oder keinen großen Schaden verursacht hat: Geldstrafen von 601 Euro bis 30.000 Euro.  Bei schwerwiegenden Verstößen kann die Strafe bis 600.000 Euro betragen.  Wenn man auf der Straße ertappt wird, außer in den erlaubten Fällen, wird man wahrscheinlich eine Geldstrafe (s.o.) erhalten, nehme ich an, das werden wir mal mit der Zeit sehen. Keiner weiß z. Zt. genau, wie streng die Behörden die Ausgangssperre auslegen werden und wie hart sie mit den Strafen sein werden. Besonders vorsichtig sollten Gewerbetreibende und Beamte sein.  Aktiver oder passiver Widerstand gegen die Anordnungen der Polizei sind natürlich eine Straftat. Sich dagegen zu wehren, identifiziert zu werden oder falsche Identitätsangaben zu machen, können ebenfalls bestraft werden. Gegen die Strafen kann man selbstverständlich Einspruch einlegen. Zum Beispiel, wenn man doch einen legalen Grund hatte, um auf der Straße zu sein, oder wenn die Strafe zu hart ist. Die Einspruchsfrist wird aber nicht vor Ende der Ausgangssperre-Zeit anfangen zu laufen.

In den ersten Tagen der Ausgangssperre haben die Polizisten oft nur die Passanten informiert oder angemahnt. Allmählich sind sie aber erheblich strenger geworden und sie machen jetzt auch viel öfter Kontrollen, um zu prüfen, ob die Bürger die Quarantäneregeln einhalten. Mittlerweile hat man in Spanien deshalb mehr als 30.000 Strafen verhängt, und 350 Personen sind sogar verhaftet worden.

3. SCHLIESSSUNG VON GESCHÄFTEN

Alle Cafés, Restaurants und Bars mussten gemäß Dekret (siehe Punkt 2.E.) ab dem Montag nach Bekanntmachung des Dekretes, in ganz Spanien schließen und das gilt natürlich auch für die Kanaren. Unter anderem mussten folgende Lokale schließen: Cafés, Bars, Restaurants, Eisdielen, Kinos, Theater, Fitnessstudios, Konzertsäle, Ausstellungsräume, Sportplätze, überdachte Pools, Diskotheken, Bingos, Casinos, Vergnügungsparks, Wasserparks, Zoos, Fußballplätze... Und Frisörsalons durften erstmal offenbleiben, aber bald änderte die Regierung ihre Meinung: Sie müssen jetzt ganz schließen (Frisöre dürfen aber immer noch Hausbesuche für bestimmte bedürftige Personen machen). Tankstellen, Ämter, Baustellen, Baumärkte, Werkstätten oder Büros müssen zwar nicht geschlossen werden, aber die meisten Büros und Ämter haben auch ihre Türen geschlossen, entweder als Vorsichtsmaßnahme oder aus Mangel an Kunden. Die Gerichte und Polizeistationen bleiben geöffnet, aber fast alle Gerichtsverhandlungen und Prozesse werden bis auf Weiteres verschoben. Bei Zuwiderhandlung kann man von der Polizei verhaftet oder/und mit hohen Geldstrafen belegt werden.

4. RUNTERFAHREN DER ÖFFENTLICHEN TRANSPORTMITTEL

Im spanischen Staatsanzeiger BOE vom 17.3.2020 wurde veröffentlicht: Ab dem 19.3.2020 gibt es keine Flüge mehr vom spanischen Festland. Auch dürfen keine Yachten aus dem restlichen Spanien die Kanaren ansteuern. Ab dem 18.3.2020 sind weder Schiffspassagen noch private Flüge vom Festland hierhin erlaubt. Auch insofern sind nur ganz wenige Ausnahmen vorgesehen. Die Zahl der kommerziellen Flüge zwischen den Inseln ist auch extrem reduziert worden.

Da in Spanien eine allgemeine Ausgangsperre besteht und alle touristischen Anlagen per Dekret geschlossen worden sind, dürfen auch keine Touristen mehr nach Spanien einreisen. Das heißt aber nicht, dass Menschen nicht mehr nach Spanien kommen dürfen, wenn sie hier einen festen Wohnsitz haben. Eine andere Frage ist natürlich, ob diese Personen dann in der jetzigen Ausnahmesituation noch einen Flug bekommen.

5. SCHLIESSUNG ALLER HOTELS IN SPANIEN

Die spanische Regierung hat am 19. März 2020 endlich die Schließung aller Hotels in Spanien wegen der Coronavirus-Krise angeordnet.  Hier die Veröffentlichung der “Orden SND/257/2020” im spanischen Staatsanzeiger BOE: https://www.boe.es/boe/dias/2020/03/19/pdfs/BOE-A-2020-3892.pdf

Noch nie in der ganzen Geschichte unseres Landes ist etwas Vergleichbares beschlossen worden. Auch Griechenland hat gerade dasselbe beschlossen. In einer Woche (also spätestens am 26.3.2020) müssen Hotels, Ferienhäuser, touristische Anlagen und Campingplätze schließen. Neue Gäste dürfen schon jetzt nicht mehr aufgenommen werden. Gäste, die schon vor der offiziellen Verhängung des Ausnahmezustands dauernd oder saisonal hier wohnten, dürfen in den Anlagen bleiben, solange das Hotel weiter in der Lage ist, sie zu beherbergen. Die Hotels dürfen nur noch diejenigen Angestellten weiter beschäftigen, die für die Sicherheit oder Instandhaltung der Anlagen sorgen.

Die Hintergründe und mein Kommentar dazu: Eigentümer, die sich in ihren eigenen Häusern, Appartements oder Bungalows aufhalten, sind von dieser Verordnung NICHT betroffen!! Die Schließung von Hotels heißt nicht, dass irgendjemand dazu “verpflichtet” wäre, die Insel oder gar Spanien zu verlassen. Die neue Verordnung sagt nichts dazu, was mit den (sicherlich sehr wenigen) Touristen passiert, die sich in den Hotels am 26.3.2020 aufhalten werden... Solchermaßen Betroffene können theoretisch auf die Straße gesetzt werden. Es ist anzunehmen, und zu hoffen, dass diese entweder in ihre Ländern evakuiert oder ihnen irgendwie anders geholfen werden wird. Paradoxerweise ist dieser Beschluss eine gute Nachricht für die Hotels und die touristischen Vermietungsfirmen in dieser katastrophalen Situation. Die meisten Hotels waren, als der Schließungsbefehl bekannt wurde, bereits ohnehin geschlossen oder hatten weniger als 5 - 10% Belegung. Die Maßnahme wurde deshalb von den Hoteliers selbst verlangt: Sie hatten gerade sowieso kaum Gäste und diese Pflicht zu schließen wird den Hotelbetreibern ermöglichen, ihre Häuser ganz zu schließen (was Kosten sparen wird) sowie staatliche Hilfen zu bekommen, in deren Genuss bisher nur die bereits per Dekret geschlossenen Bars, Restaurants und Geschäfte  gekommen sind. Die Hoteliers werden ihre Angestellten entweder sofort kündigen oder diese hoffentlich eher lediglich von ihrer Arbeitspflicht vorläufig befreien und dafür die vorgesehenen staatlichen Hilfen beanspruchen können. Die Firmen, die touristische Vermietung betreiben, werden sicherlich jetzt die Eigentümer der vermieteten Apartments oder Bungalows anschreiben, um die Mietverhältnisse und Mietzahlungen auszusetzen oder die Verträge endgültig zu kündigen ...

 

6. ÜBERSICHT ÜBER DIE NEUEN MASSNAHMEN DER REGIERUNG ZUM SCHUTZ DER SPANISCHEN WIRTSCHAFT UND DER ARBEITNEHMER WÄHREND DER CORONAVIRUS KRISE

Auf den Kanaren gab es im Februar 2020 ca. 211.000 Arbeitslose. Ca. 68.000 Personen arbeiten auf den Kanaren in touristischen Anlagen, welche jetzt alle auf einmal arbeitslos werden. Man braucht nicht viel Fantasie zu haben, um sich die Folgen auszumalen. Und trotzdem meint die Regierung, die Gesundheit und das Leben unserer Gäste und Mitbürger müsse höchste Priorität genießen, koste es, was es wolle. 

In ganz Spanien wird sie Situation nicht sehr anders sein. Die Coronavirus-Krise wird leider voraussichtlich mehrere Wochen oder vielleicht sogar Monate anhalten. Die persönlichen Folgen werden schmerzhaft sein, aber die wirtschaftlichen werden sicherlich auch katastrophal sein. Man schätzt, am Ende der Krise könnten wir in etwa 20%  unseres Bruttosozialproduktes verloren haben und die spanische Staatsverschuldung wird wahrscheinlich um 20 % gewachsen sein; eine Million Spanier könnten ihren Job verlieren und die permanenten Schäden für die Wirtschaft könnten gravierend sein; aber eigentlich ist alles immer noch sehr ungewiss.

Damit sich die Wirtschaft nach dem Ende der Pandemie wieder so schnell wie möglich erholt und damit die einfachen Bürger diese außerordentliche Krise überstehen können, hat die Regierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die einen Gesamtbetrag von sage und schreibe ca. 200 Milliarden Euro betragen sollen. Sie sind allerdings zu umfang-

reich und kompliziert, um sie hier alle zu erläutern. Hier folgt nur eine sehr kurze, und ich hoffe, verständliche  Zusammenfassung der wirtschaftlichen Maßnahmen, die von der spanischen Regierung ergriffen worden sind, um die Wirtschaft, die Selbstständigen, die Firmen und die Arbeitnehmer vor den Folgen der großen Coronavirus-Krise zu schützen. Um die richtigen Entscheidungen für die eigene Firma oder das eigene Geschäft zu treffen, empfehle ich natürlich eine persönliche Beratung. Diese Info darf also nicht eine eingehende Beratung im Einzelfall ersetzen. 

Diese außerordentlichen Maßnahmen sind provisorisch und gelten natürlich nur, solange die Coronavirus-Krise anhält. 

Bei der Anwendung dieser außerordentlichen Maßnahmen der Regierung müssen die Firmen darauf achten, dass: 

- bestimmte Arbeitnehmer nicht diskriminiert werden (z.B. man entlässt provisorisch nur die schwangeren Frauen oder nur Frauen oder Angehörige einer Gewerkschaft, usw.).

- Kündigungen oder Arbeitszeitverkürzungen dürfen nur erfolgen, wenn sie notwendig bzw. zweckmäßig sind. Das Arbeitsamt kann das prüfen und eventuell den Antrag ablehnen, wenn diese Notsituation nicht gegeben ist.

 

 

6. A. KRISENBEDINGTE 

PROVISORISCHE KÜNDIGUNGEN

(„ERTEs, expedientes de regulación temporal de empleo”).

Schon vor der Krise gab es „EREs“ („expedientes de regulación de empleo“, also Fälle, die im Gesetz geregelt sind, in denen die Firmen ihren Angestellten kündigen können oder deren Arbeitszeit verkürzen können, wenn sie in eine Notlage geraten, oder wenn es eine schwere Krise gibt) und ERTEs, also Verfahren für die provisorische Regulierung der Arbeitsverhältnisse. Das Neue ist, dass die Regierung anerkannt hat, dass der Ausnahmezustand wegen der Coronavirus-Krise als solcher in vielen Bereichen der Wirtschaft bereits eine Notlage darstellt. Außerdem werden in diesen ERTEs die Bedingungen für die Arbeitgeberseite und die Arbeitnehmerseite flexibler gestaltet und die Folgen sind auch etwas vorteilhafter geworden. 

- Die Arbeitgeber können ihren Angestellten provisorisch kündigen, wenn die Regierung beschlossen hat, dass ihre Geschäfte geschlossen werden müssen, oder wenn wegen der Krise viel weniger Kunden erscheinen können, oder wenn einige Angestellte an Coronavirus erkranken oder das Gesundheitsamt beschließt, dass ihre Geschäfte geschlossen werden müssen. 

- Dafür hat man ein schnelles Verfahren geschaffen. Sollte das Amt nicht innerhalb einer kurzen Frist antworten, gilt der Antrag sogar als stillschweigend genehmigt. Die Maßnahmen gelten dann ab dem Tag der Antragstellung.  

- Die Firmen, die Arbeitnehmer wegen der Krisensituation von der Arbeit suspendieren, werden keine Sozialversicherungsbeiträge für diese Angestellten zahlen (oder nur ¼ der normalen, wenn die Firma mehr als 50 Angestellte hat). Bisher war es so, dass Firmen den betroffenen Angestellten in Krisensituationen provisorisch kündigen durften, aber weiter die Sozialversicherungsbeiträge zahlen mussten.

- Diese Hilfe für die Arbeitgeber ist abhängig davon, dass die Firma alle Angestellten nach dem Ende der Krise noch mindestens sechs Monate beschäftigt. Ansonsten muss der Arbeitgeber die gesamten nicht bezahlten Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. 

- Während dieser Zeit darf sich der arbeitslose Angestellte einen anderen Job suchen (aber ohne mit seiner Firma zu konkurrieren) und er darf auch für eine andere Firma arbeiten. In dieser Zeit entstehen keinerlei Urlaubsansprüche. Allerdings zählt dieser Zeitraum zur Betriebszugehörigkeit, was wichtig sein kann, um z.B. Abfindungen bei einer möglichen zukünftigen Kündigung zu berechnen. Die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers gelten während dieser Zeit als bezahlt (was wichtig ist, zum Beispiel für die Renten, das Arbeitslosengeld, usw.).

 

6. B.  KURZARBEIT

- Die Coronavirus-Krise wird auch als Grund akzeptiert, um auf Antrag der Firma zu beschließen, dass die Angestellten weniger arbeiten sollen und ihre Löhne entsprechend gekürzt werden. Wenn die Firma entscheidet, dass die Angestellten weniger Stunden am Tag arbeiten sollen, dann erhalten sie vom Arbeitsamt anteiliges Arbeitslosengeld.

- Die Angestellten dürfen aber auch ihrerseits eine kürzere Arbeitszeit (mit entsprechend weniger Lohn) verlangen, wenn sie Kinder unter 12 Jahren betreuen müssen (die nicht mehr in die Schule können) oder nahe Verwandte haben, die auf Hilfe angewiesen sind. Alternativ kann der Angestellte verlangen, dass man seine Arbeitszeiten ändert, oder dass er flexibel arbeiten kann, oder dass er zu Hause arbeiten kann, oder dass er an einem anderen Ort arbeitet, wo die Firma auch eine Arbeitsstelle hat. 

- Der Erlass der Sozialversicherungsbeiträge gilt auch für die Fälle, in denen die Arbeitgeber beschließen, dass Angestellte krisenbedingt weniger arbeiten müssen, aber dann natürlich anteilsmäßig. https://sincro.com.es/blog/actualidad-laboral/asi-queda-el-derecho-de-adaptacion-del-horario-y-reduccion-de-jornada-por-coronavirus/

 

6. C. ERLASS DER SOZIAL-

VERSICHERUNGSBEITRÄGE

Firmen oder Selbständige, die mehr als 75% ihres Geschäftsvolumens verlieren, können den vorläufigen Erlass der Sozialversicherungsbeiträge beantragen. Die Selbständigen müssen aber dafür angemeldet bleiben (Achtung, wenn Sie von der sogenannten „Sozialversicherungs-Flat Rate“ profitieren und sich abmelden, verlieren Sie danach das Recht, weiter von dieser Flat Rate Gebrauch zu machen). 

 

6. D. ARBEITSLOSENGELD

Die Angestellten, denen vorläufig wegen eines ERTE gekündigt wird (siehe Punkt 1), erhalten Arbeitslosengeld („prestación por desempleo“), auch wenn sie nach der bisherigen Gesetzgebung nicht ausreichend Zeit gearbeitet und Beiträge geleistet haben, um dieses Recht zu erwerben. Außerdem wird die Zeit, in der sie das Arbeitslosengeld erhalten haben nicht abgezogen von der Zeit, in der sie in Zukunft das „normale“ Arbeitslosengeld erhalten, wenn es später zu einer normalen, endgültigen Kündigung kommen sollte. Bei dem sogenannten „subsidio por desempleo“ (Arbeitslosenhilfe für bestimmte Arbeitslose, nachdem sie das normale Arbeitslosengeld erhalten haben), verlängern sich die Zahlungen, auch wenn man diese Verlängerung nicht beantragt hat und wenn (bei den Arbeitern die mehr als 52 Jahr alt sind) sie nicht die Einkommensteuererklärung einreichen können. 

 

6. E. ARBEITSLOSENGELD FÜR 

SELBSTSTÄNDIGE

(Prestación por cese de actividad)

Die Selbständigen durften bis Ende 2019 freiwillig einen kleinen Zuschlag zu ihren Sozialversicherungsbeiträgen zahlen, wenn sie „Arbeitslosengeld“ für den Fall der Geschäftsaufgabe bekommen wollten. Ab Januar 2020 wurde diese Versicherung allerdings obligatorisch. Die Bedingungen sind aber so hart, dass bisher kaum jemand diese erfüllt hat. Nichtsdestotrotz ist diese Möglichkeit immer noch da. 

Neu ist, dass Selbständige, die ihr Geschäft aufgrund von Anordnungen der Regierung schließen mussten oder mehr als 75 % ihres Umsatzes verloren haben, eine finanzielle Unterstützung beantragen können (70 % der Bemessungsgrundlage, also im Normalfall erhalten sie ca. 601 €). Um diese Hilfe zu erhalten, muss man aber anscheinend weiter angemeldet bleiben und keine Schulden bei der Sozialversicherung haben oder sie vorher zahlen. Es ist noch unklar, ob man weiter die Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss (fast 300 € in der Regel), aber anscheinend nicht. Die Kanarische Regierung hat angekündigt, dass sie dazu 30 % der Bemessungsgrundlage bezahlen will, sodass diese Selbständigen 100 % der Bemessungsgrundlage (also in der Regel ca. 900 €) erhalten; allerdings ist das bisher noch nicht offiziell beschlossen worden. Nach dem Erhalt dieser Hilfe kann man weiter die Sozialversicherungs-Flatrate erhalten, wenn man sie auch vorher schon erhalten hat. 

 

6. F. ANDERE MÖGLICHE 

MASSNAHMEN AUF FREIWILLIGER BASIS

Arbeitnehmer müssen zur Arbeit gehen, auch wenn sie Angst vor dem Coronavirus haben. Es sei denn, die Firma gibt Ihnen die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten oder die Firma ist wegen dieser Krise geschlossen, oder wenn die Firma die legalen Schutzmaßnahmen nicht einhält und das die Angestellten gefährdet. Sollte man entscheiden, nicht zur Arbeit zu gehen, ist eine schriftliche und gut begründete Mitteilung sehr empfehlenswert. 

Ein Arbeitnehmer darf auch nicht einseitig entscheiden, ab sofort Urlaub zu nehmen (wie auch der Arbeitgeber nicht einseitig über Urlaubszeiten entscheiden darf). Die Urlaubszeiten müssen nämlich einvernehmlich von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmt werden. Die Firmen dürfen ihre Angestellten nicht gerade jetzt zwangsweise beurlauben. Die Zeit, in der jeder den Urlaub erhält, muss wie immer mit den Angestellten ausgehandelt werden. Im Falle, dass man sich nicht einigt, entscheidet der Richter. Trotzdem ist zu erwarten, dass viele Angestellte ihren Firmen entgegenkommen und sich doch jetzt Ihren Urlaub nehmen. 

Die Firmen können auch freiwillige Freistellungen von der Arbeit ohne Lohnfortzahlung oder auch Arbeitszeitverkürzungen mit ihren Angestellten aushandeln. 

Man kann auch mit den Angestellten vereinbaren, dass man eine sogenannte „bolsa de horas“ bildet, also eine Ansammlung von Arbeitsstunden, an denen jetzt nicht gearbeitet wird, die aber trotzdem bezahlt werden. Nach dem Ende der Krise sind diese Stunden dann zusätzlich abzuarbeiten. 

Man kann auch mit den Angestellten vereinbaren, dass sie „Home-Office“ machen. Die Firmen sind nun dazu verpflichtet worden, sich zu bemühen, dies zu ermöglichen. Es sind Subventionen genehmigt worden, um diese Kosten teilweise zu decken.

 

6. G. SUSPENDIERUNG DER

ZAHLUNG VON HYPOTHEKEN

Darlehensnehmer, sowie Bürgen, dürfen diese Suspendierung der Zahlung von Raten ihrer hypothekarischen Darlehen bei den Banken beantragen. 

Bedingungen: 

- Das Darlehen muss für den Erwerb einer Wohnung aufgenommen worden sein, in der man seinen Hauptwohnsitz hat. 

- Der Antrag muss bei der Bank bis spätestens zum 02.05.2020 gestellt werden.

- Der Antragsteller muss arbeitslos geworden sein oder ein Selbständiger, der erheblich weniger umgesetzt oder verdient hat.

- Das Familieneinkommen darf gewisse Grenzen nicht überschreiten (1.613,52 € im Monat, oder etwas mehr, wenn man Kinder hat oder ältere Menschen oder Behinderte Mitglieder der Familie sind)

- Die Rate plus Wasser-, Strom- und Internetkosten muss mindestens 35 % des Familieneinkommens betragen.

https://www.economistjurist.es/

actualidad-juridica/moratoria-del-pago-de-hipotecas-explicacion-del-real-decreto-ley-8-2020-de-17-de-marzo-de-medidas-urgentes-extraordinarias-para-hacer-frente-al-impacto-economico-y-social-del-covid-19/

 

6. H. AUSSETZUNG DER 

MIETZAHLUNGEN

Das verlangen viele, aber ich muss sagen: Das ist in Frankreich beschlossen worden, aber momentan nicht in Spanien. Wenn Sie nicht in der Lage sind, die Miete zu zahlen, sprechen Sie und verhandeln Sie mit dem Vermieter. 

https://www.rtve.es/noticias/20200319/gobierno-no-decretado-moratoria-alquileres/2010396.shtml

 

6. I. IGIC ZAHLUNGEN:

Die Kanarische Regierung hat angekündigt (aber noch nicht offiziell beschlossen), dass die Zahlung der kanarischen Mehrwertsteuer des ersten Quartals noch bis zum ersten Juni erfolgen kann (statt bis zum 20 April).

6. J. STUNDUNGEN VON 

STEUERZAHLUNGEN

Die Steuererklärungen müssen wie immer in den üblichen Fristen abgegeben werden. 

Allerdings hat man die Bedingungen erleichtert, um Steuerschulden stunden lassen zu können: 

Bedingungen: 

- Nicht mehr als 6 Millionen Euro Umsatz im Jahre 2019.

- Die Schuld darf maximal 30.000 € betragen. 

- Man darf nunmehr sogar die Abführung von Steuerabzügen stunden, also nicht nur von normalen Steuerschulden.  

- Die Stundung kann 6 Monate betragen (ersten drei Monate sind zinsfrei).

 

6. K. KRANKENMELDUNGEN 

WEGEN CORONAVIRUS

Im Falle einer Krankenmeldung wegen Coronavirus, oder wenn man deshalb isoliert wird, erhält der Erkrankte Krankengeld, genauso wie wenn er einen Arbeitsunfall erlitten hätte und nicht nur, wie wenn man an einer nicht beruflich bedingten Krankheit erkrankt. 

 

6. L. STAATLICH GARANTIERTE 

ICO-KREDITE

Die Regierung wird 400 Millionen Euro bereitstellen, damit Unternehmer und Firmen in bestimmten Bereichen von Banken staatlich garantierte Kredite bekommen, die sogenannten “créditos ICO” (ICO = Instituto de Crédito Oficial). Transportfirmen, Hotels und touristische Unternehmen, Gastronomiegewerbe (Restaurants, Bars…), Mietwagenverleihe, Reisebüros, Theater, Museen, Freizeitparks, Kinos, etc. werden Zugang zu diesen ICO-Krediten erhalten.

 

7. LISTE DER WICHTIGSTEN NEUEN ERLÄSSE, mit dem entsprechenden Link zum Staatsanzeiger BOE: 

- Real Decreto-ley 6/2020, de 10 de marzo.  https://www.boe.es/diario_boe/txt.php?id=BOE-A-2020-3580

- Real Decreto Ley (königliche Dekret, Erlass) Nr. 7/20 “de medidas urgentes para responder al impacto económico del COVID 19”. 

https://www.boe.es/diario_boe/txt.php?id=BOE-A-2020-3434

- Real Decreto 465/20. Am 14.3.2020 wurde der Ausnahmezustand ausgerufen und eine Quarantäne bzw. Ausgangssperre verhängt, sowie die Schließung der meisten Geschäfte verordnet. 

https://boe.es/diario_boe/txt.php?id=

BOE-A-2020-3828

- Real Decreto Ley 8/2020 de 18.3.2020.  

https://www.boe.es/buscar/act.php?

id=BOE-A-2020-3824

 

NOCH EIN PERSÖNLICHER 

KOMMENTAR1)

Wir hoffen alle, dass diese gesundheitliche und wirtschaftliche Krise nicht so lange dauert, dass am Ende alle Staaten hochverschuldet oder sogar bankrott sind und wir alle auch arbeitslos und ruiniert sind. Die wirtschaftliche Lage war schon vor der Coronavirus-Krise nicht gut, aber wenn ich mit meinen Mandanten in der letzten Zeit spreche, erzählen sie mir fast immer von deren großen Existenzangst und sie tun mir echt leid.

 

Die von der Regierung beschlossenen Sicherheitsmaßnahmen sind so streng und so wirtschaftsschädigend, dass einem manchmal gewisse Zweifel sowohl über ihre Zweckmäßigkeit als auch über ihre Verhältnismäßigkeit kommen. Es geht nämlich um eine Krankheit, bei der bisher in Spanien geschätzt ca. 90 % der Infizierten nicht einmal diagnostiziert worden sind, meistens weil sie überhaupt keine Symptome aufweisen. Bei den anderen geschätzten 10 % sterben ca. 6 % (in Deutschland aber nur 0,4 %, in Südkorea nur 1 %!).  Und dabei haben eigentlich hauptsächlich nur Menschen über 70 (und besonders Menschen über 80) mit Vorerkrankungen etwas zu befürchten, also dieselben Menschen, die auch bei den normalen Grippewellen jeden Winter sterben (ca. 15.000 Grippe-Tote jährlich in Spanien, ohne dass dies bisher Aufsehen erregt hätte), und die leider sowieso eine kürzere Lebenserwartung haben und auch isoliert und somit geschützt werden könnten.

 

Mich würde es freuen, wenn Sie mein Bericht interessiert hat, wenn Sie darin ein bisschen Orientierung gefunden haben und noch mehr, wenn er Ihnen weitergeholfen hat. In unserer Kanzlei sehen wir uns als einen nützlichen Teil unserer Gesellschaft und fühlen uns besonders unseren deutschsprachigen Touristen und Residenten verpflichtet. Auch in dieser schwierigen Zeit steht Ihnen oder Ihrer Firma unsere Anwaltskanzlei und Steuerberatung jederzeit gerne zur Seite!

 

mit freundlichen Grüßen

José Antonio Pérez Alonso

Rechtsanwalt 

www.kanzleiperezalonso.com