Kochen ist eine Kunst. Essen auch! Ob Fluch oder Segen ist, einen feinen Gaumen zu haben, darüber bin ich mir noch nicht im Klaren. Auf jeden Fall begeistern mich raffinierte und kreative Gerichte und wirken noch lange nach dem eigentlichen Genuß nach. Ich schwöre, dass mir beim Schreiben dieses Artikels in Erinnerung an meine neue kulinarische Entdeckungsreise das „Wasser im Mund zusammengelaufen ist“. Und in Zeiten von Covid-19 sind uns wenige Dinge geblieben, die unserem (verwöhnten) Leben Glücksmomente bescheren, wie z. B. das stark eingeschränkte Kulturleben.
Mir ist ebenfalls klar, dass meine kulinarische Vergnügungssucht ein wenig dekadent ist, zumal in vielen Regionen dieser Welt die Menschen hungern müssen. Nahrungsmittel zu respektieren und die Nachhaltigkeit wertzuschätzen sind vielleicht ein kleiner Versuch meinerseits, dieses sich manchmal einschleichende schlechte Gewissen zu kalmieren.
222° SW - der Name ist Programm
Meine neueste kulinarische Erkundigung führte mich in das im Jahr 2012 eröffnete Hotel Radisson Blue SAS1), das sich fast unscheinbar auf der Küstenstraße von Arguineguín in Richtung Anfi befindet. Die Lage direkt am Meer ist geradezu prädestiniert, um einen attraktiven Speisetempel zu eröffnen.
Man geht zwar ebenerdig in das Gebäude, befindet sich jedoch gleichzeitig in der 6. Etage, also auf dem Dach des Komplexes. Der Ausblick ist fantastisch. Protagonist ist das Meer mit seiner funkelnden Oberfläche, das sich nur vom Farbspiel der untergehenden Sonne in den Schatten stellen lässt. Das Beste daran ist, dass uns diese optisch reizenden Eindrücke während des kompletten Abendessens begleiten werden. Selbst dann, wenn die Sonne am Horizont verschwunden ist und sich die Sterne am Himmel in Aufstellung bringen. Die Szenerie und Beleuchtung der Gebäude entlang der Küste, mit dem Anfi Komplex zu Füßen. Konkret ist der Winkel 222 ° in südwestlicher Richtung im Blickfeld, was sich im Namen des Restaurants widerspiegelt.
Stil trifft Geschmack
Der Eingang zum Restaurant befindet sich rechter Hand im Foyer. Man wird höchst freundlich begrüßt und zum reservierten Tisch geführt, wie beispielsweise von der multilingualen Sharon. Trotz des modernen, geschmackvollen und hochwertigem Interieurs hat die Atmosphäre eine heimelige Atmosphäre.
Sogar das Lichtkonzept wurde mit warmen Farben im Innendesign berücksichtigt, keine Selbstverständlichkeit auf den Kanaren. Ästhetik und Gemütlichkeit vermischen sich par excellence.
Der neue Besitzer ist Gregorio Fernandez Rodríguez und in der Küche zeichnet der vielfach ausgezeichnete Chef Mikel González Asiain für die Gaumenfreuden verantwortlich.
Vorweg. Die Kreationen auf der Menükarte sind verlockend und auch, wenn die Auswahl nicht überbordend ist, fällt eine Wahl sehr schwer.
Die Gerichte sind zwar international ausgelegt, doch haben sie eine kulinarische Brücke zu den Kanaren geschlagen. Ihre Auswahl ganz nach Ihrem Geschmack - jeder nach seiner Fasson.
Qualität hat seinen Preis und man muss in diesem Restaurant ein wenig tiefer ins Portemonnaie greifen. Dafür genießt man eine perfekte Symphonie aus Ambiente, Lage, Professionalität und Geschmack auf höchstem Niveau. Trotz allem ist das Preis/Leistungsverhältnis fair, wenn man den Ursprung der einzelnen Zutaten und die Qualität berücksichtigt.
Einige selbst verkostete Gerichte möchte ich gerne präsentieren und führe ggfs. die Preise zur Orientierung an.
Kochen ist eine Kunst, essen auch
Ein Vorteil beim Älter werden ist, dass man Erfahrungen sammelt und die Dinge in ihrer Wertigkeit mit der nötigen Aufmerksamkeit bedenkt. Mein Tipp: Lassen Sie sich Zeit beim Essen und gehen Sie niemals ausgehungert in ein Restaurant. Um Missinterpretationen auszuräumen möchte ich an dieser Stelle gerne explizit anmerken, dass die Wartezeit zwischen den verschiedenen Gängen keinesfalls zu lange war.
Liebe auf den 1. Biss
… bezieht sich schon auf die Präsentation der Gerichte, die mit viel Liebe zum Detail kunstfertig im Stile der „Nouvelle Cuisine“ arrangiert. Die internationalen Gerichte mit kanarischem Pepp bieten für alle Geschmacksvorlieben etwas passendes. Die „complementary starters“ stimmen uns auf einen schönen Abend ein und sind ein Willkommensgruß der Küche.
Hier einige Beispiele:
• Ravioli mit Wonton Käse und mit Trüffelschaum für 19,90 Euro (Foto 06)
• Knusprige pikant-scharfe Tacos mit Thunfisch-Tartar, Sesam, Avocado und Kimchie für 18,90 Euro (Foto 01)
• Gegrilltes ökologisches Hühnchen mit Basmati Reis und Gemüse (22 Euro)
• Lamm mit grünem Salat und Tzatziki (29,90 Euro)
• Tenderloin mit Pilzcreme, Charlotten und Jus (28 Euro)
• Trocken gelagerter Sirloin mit Chimichurri, 320 g (32 Euro)
• Entrecôte vom Rind Ayrshire 320 g mit Chimichurri
• 222° SW Beef Burger (Brie, süße Chilly, Mayonnaise, Speck und Salatblätter) für 21 Euro (Foto 02)
• Risotto mit Spargel (Foto 05)
• Doppelt frittierte Pommes Frites für 4,50 Euro (side orders)
• Desserts, z. B. gebackener Käsekuchen mit Madagascar Vanillecreme und Zimtbiskuit für 9,50 Euro
• Erdbeeren und Wildbeeren mit Orangencreme für 9,50 Euro
• Schwarze Schokolade mit Zitronencreme, Chillykracker und Kokos-Eiscreme für 10 Euro
• Für Unentschlossene stehen noch Eisvariationen mit Mandelcracker zur Verfügung für 10 Euro
Tipp: 3-Gänge Menü für ca. 40 Euro, wobei zwei Gerichte je Gang zur Auswahl stehen
Fazit
Ein kompetentes, sehr aufmerksames und höchst freundliches Servicepersonal macht den Abend einfach perfekt. Auf einem Niveau, das man so auf Gran Canaria nur selten finden kann und trotzdem nicht belästigend ist. Die Auswahl der Weine ist exquisit und vervollständigt das Angebot.
Die Preise sind höher, jedoch im Verhältnis Preis/Leistung und Ambiente überaus fair. Die Portionen sind derart ausgerichtet, dass man zumindest eine Vorspeise und eine Hauptspeise konsumieren sollte.
Ergo: Ein besonderes Restaurant für besondere Anlässe - unsere neue Nummer 1 auf Gran Canaria.
Verweise
1)Viva Canarias Nr. 11 vom 8.6.2012 „Neueröffnung Radisson Blue Resort