Ausgabe Nr.
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J M upload 30.12.2016, Viva Edition 110 | Print article

Restaurant Montesdeoca - ein ehrwürdiges Denkma(h)l

Eine meiner Lieblingsdestinationen auf Gran Canaria ist die charmante Altstadt Vegueta, die jetzt vor Weihnachten aufgrund der Beleuchtung noch schöner erstrahlt. Hier vermischt sich das urbane Flair einer multikulturellen Gesellschaft der Stadt mit der Kultur der internationalen Gäste, die entweder aus dem Süden der Insel oder direkt vom Kreuzfahrtpier her strömen.

Und trotzdem herrscht in diesem alten und gut besuchten Teil der Stadt keinerlei Hektik. Man kann sich sicher fühlen, während man durch das überschaubare Vegueta flaniert, vorbei an (manchmal baufälligen) Fassaden der geschichtsträchtigen Gebäude, die hinter ihren dicken Mauern so viel zu erzählen hätten. Wie es sich für eine Altstadt ‚gehört’, sind die meisten Gassen mit Kopfsteinpflaster ausgelegt (Ergo: Sie sollten ihre Erkundungstour auf keinen Fall mit Stöckelschuhen unternehmen). Eine dieser alten Gassen ist die Calle Montesdeoca, die zum Kolumbushaus führt.

Geheimer Tunnel in historischen Mauern

Während ich mit meinem Fotografen auf der Jagd nach neuen Motiven entlang dieser Gasse schlendere, dringt Musik an mein Ohr. Wie die Sirenen der griechischen Mythologie zieht mich an diesem Abend die Melodie von Bach förmlich in das Gebäude. Die Tür ist geöffnet und man erkennt gleich, dass es sich hier um etwas Besonderes handelt. Der Boden ist mit runden Steinen ausgelegt, die für die historischen Gebäude auf den Kanaren so typisch waren. An einer Wand hängen alte, zumeist schwarzweiß, Fotografien und auf einem ist der ehemalige König Juan Carlos I zu erkennen.

Ein Herr sieht meinen interessierten Blick und obwohl er mit flotten und zugleich eleganten Bewegungen offenbar viel zu tun hat, winkt er mich mit einer einladenden Geste herein. „Sie können sich gerne umsehen, dafür sind wir da“, sagt Lito (wie ich später seinen Namen in Erfahrung bringen konnte. Seit Jahrzehnten lebt der gebürtige Argentinier auf Gran Canaria. Er ist seit zwei Jahren der Maître dieses Restaurants, also der Restaurantleiter). Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und sehe mich um.

Intim und gediegen in nobler Zurückhaltung

Manchmal lohnt es sich im Leben hinter bescheiden anmutende Fassaden zu blicken. Man weiß nie, welches Juwel man entdeckt (das könnte man jetzt in vielerlei Hinsicht deuten, wenn Sie wissen was ich meine). Die weiße Fassade ist unauffällig, nur ein Balkon mit den typisch kanarischen Schnitzereien unterbricht die glatten Wände. Erst beim genauen Hinsehen entdeckt man das senkrechte Transparent, das auf das Restaurant Casa Montesdeoca hinweist. Das könnte man durchaus als noble Zurückhaltung beschreiben und trotzdem finden illustre Gäste ihren Weg in diesen außergewöhnlichen Speisetempel.

Sobald man in den Innenhof schreitet, breitet sich von der gediegenen Stimmung ein wohlig entspanntes Gefühl aus. Ein wahrer Stresskiller. Riesige Pflanzen wachsen zwischen den Platten des Steinbodens empor und komplettieren den magischen Zauber dieses Ortes. Das zarte Licht der Nachmittagssonne zaubert eine paradiesische Stimmung, die hochpolierten Gläser blitzen auf den schneeweißen Tischtüchern der gedeckten Tische. Es ist überschaubar und intim, ein idealer Ort für romantische Abende denke ich mir. Mitten in der Altstadt bleibt die Zeit stehen. Spontan frage ich, ob es noch an diesem Abend möglich sei zu dinieren. Der Restaurantleiter nimmt uns trotz Kleidung und Rucksack ernst, denn unser Outfit würde eigentlich nicht so richtig in dieses Ambiente passen.Eine Stunde später würde es gehen, was wir, mein Fotograf Eric und ich, fest machen (Ich frage mich, ob Leto wirklich geglaubt hat, dass wir zurückkommen? Wir haben ihn allerdings freudig überrascht).

Eine bewegte Geschichte - Gebäude aus dem 16. Jahrhundert

Das Gebäude wurde im 16. Jahrhundert von einem wohlhabenden Juden erbaut. Im Mittelalter hatten sie auf der Iberischen Halbinsel ihre Blütezeit in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht. Doch mit dem sogenannten Ausweisungsedikt (Alhambra-Edikt) der katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragonien waren sie gezwungen zu emigrieren oder zum Christentum zu konvertieren. Also machten sich viele auf den Weg, vor allem in den Mittelmeerraum, oder, wie im gegenständlichen Fall der Familie Montesdeoca, auf die Kanaren (obwohl das eigentliche Ziel Südamerika war). Doch die Angst vor Verfolgung blieb und so ließ der reiche Herr einen geheimen Tunnel bauen, der bis zum etwa dreihundert Meter entfernten Barranco de Guiniguada führte. Dieser existiere angeblich noch heute, ist aber für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Speisen im historischen Ambiente

Man zwang die Juden damals zu konvertieren und so war er fast gezwungen eine kleine Kirche zu bauen, wo er vor Verfolgung Schutz finden konnte. Denn der Boden einer Kirche war heilig. Aus seiner Angst heraus, verband er sein Wohnhaus durch eine geheime Tür mit San Antonio Abad.

Eine kleine Kapelle, dort wo heute die Igelesia San Antonio Abad mit der Gedenktafel von Christoph Kolumbus steht, grenzte unmittelbar an sein Wohnhaus. Ein Brand zerstörte die Kapelle des Ordens, der nun hilfesuchend Montesdeoca aufsuchte. Der Vermögende sagte unter einer Bedingung zu, nämlich dass er einen (weiteren) Geheimgang zur Kirche bekam, von dem aus er im Notfall fliehen konnte. Der Eingang zu diesem Durchgang war dort, wo heute die Bartheke untergebracht ist.

Viele betuchte jüdische Kaufmänner sponserten Kirchen oder Kapellen, um die Gesellschaft milde zu stimmen. Die Familie Montesdeoca bewohnte das erste Stockwerk des Gebäudes und in der selben Etage lebten in einem hinteren Bereich die Bediensteten. Im Erdgeschoss war die Wirtschaft sowie das Nutzvieh, wie z. B. Hühner, Esel und Gänse, die sich zwischen dem Pferdegespann tummelten. Ein sieben Meter tiefer Brunnen im Innenhof sorgte für das lebensnotwendige Nass. Für Juden war es einst vorgeschrieben die Wände gelb zu streichen und die Farbe bleibt in Anlehnung an diese damalige Vorgabe unverändert.

Viele Jahre war das Schicksal des Gebäudes fast zum Scheitern verurteilt. Es stand lange leer und verkam fast zu einer Ruine, bis vor 25 Jahren die deutsche Hotelkauffrau Elke gemeinsam mit ihrem Spanischen Gatten Don Vicente Sarmiento das gediegene Restaurante Casa Montesdeoca eröffnete. Bis dahin war es ein aufwändiger und teurer Weg, denn das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert steht unter Denkmalschutz. Man durfte die originäre Substanz nicht zerstören bzw. musste diese wiederherstellen. Das Transparent mit dem Namen montieren zu dürfen war ein Kampf. Doch es lohnte sich am Ende. In dieser elitären Lage und mit dem Kochgeschick ihres Mannes führten sie über Jahrzehnte dieses außergewöhnliche Restaurant.

Im Jahr 2001 erhielt das Restaurant königlichen Besuch im wahrsten Sinn des Wortes, denn der ehemalige König Juan Carlos I dinierte hier (Ein Foto an der Wand dokumentiert dieses Ereignis, als der Royal die damalige Gastgeberin Elke mit angedeutetem Handkuss begrüßte).

Das dritte Leben' der Casa Montesdeoca

Vor zwei Jahren hat es ein italienisches Ehepaar gekauft, und führt es doch im Sinne des Vorbesitzers weiter. In der hart umkämpften Gastronomie reicht eine exponierte Lage und ein schönes Interieur alleine nicht aus, um Gäste anzulocken. Das Restaurante Casa Montesdeoca macht einiges richtig, und das fängt beim aufmerksamen Fachpersonal an. Kaum hat man uns zu einem kuscheligen Tisch für zwei Personen geführt, stand schon ein Kellner mit einem zusätzlichen Stuhl da. Der ist für die Handtasche und Eric’s Rucksack. Voller Vorfreude kann ich es kaum erwarten, die Menükarte zu studieren.

Während wir entspannt auf das Essen warten, beobachte ich die Szenerie. Die Gäste sind bunt gemischt, man hört verschiedene Sprachen. Man unterhält sich zivilisiert und obwohl es angenehm ruhig ist (ganz anders als in rein spanischen Tempeln, wo man am liebsten Ohrstöpsel nehmen möchte), herrscht keine peinliche Stille. Die Stühle sind bequem und gut gepolstert, was für einen ausgedehnten kulinarischen Genuss sicher kein Nachteil ist. Denn beim Restaurantbesuch könnten wir uns von Spaniern etwas abschauen. Sie nehmen sich Zeit zum Essen. Es ist ein Genuss, Tischkultur, in der der Dialog nicht zu kurz kommt. Natürlich muss aber auch das Gericht gut schmecken, da scheuen sie kein Geld. Klassische Musik untermalt den gediegenen Rahmen.

Der Geschmackstest

Kulinarisch bin ich nicht festgefahren und probiere gerne Neues aus, was fast immer belohnt wird. Nachdem der Besuch spontan und kurz vor Redaktionsschluss erfolgte, haben wir leider nicht alle Gerichte fototechnisch dokumentiert. Ich versuche es nach bestem Wissen zu beschreiben.

  • Mein Starter waren handgemachte Ravioli mit einer Steinpilzfüllung und einer Trüffelsoße - herrlich.
  • Eric aß gesunden frischen Salat mit zartem Ziegenkäse, Cherrytomaten und Pinienkernen, garniert mit einer perfekten Mandarinenvinaigrette.
  • Der frische Lachs wurde in einer großzügigen Portion serviert, außen knusprig gebraten und innen auf den Punkt zart rosa. Garniert wurde es mit Sojasprossen und einer delikaten Pfeffersoße. Auberginen waren die ungewöhnlichen, aber herrlich passenden Begleiter - ein Hit (meine Empfehlung).
  • Eric war an diesem Abend der Fleischtiger und schwieg glückselig mit leuchtenden Augen, während er das zarte Filet auf der Zunge zergehen ließ.
  • Die Weinkarte bot reichlich Auswahl und man kann auch glasweise gute Tropfen bestellen.

Der Service war auf entsprechendem Niveau. Obwohl das Personal höchst gefordert war, hatten sie alles und jedes Detail fest im Blick. Höflich und aufmerksam, z. B. es wurde nachgeschenkt, die Aschenbescher geleert, ein Sonderwunsch geduldig aufgenommen etc.

FAZIT

Ein Besuch des Restaurante Casa Montesdeoca ist ein empfehlenswertes Erlebnis, wie ich meine. Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit bei höchstem kulinarischen Genuß, mit höchster Professionalität und im intimen Ambiente. Speisen unter freiem Sternenhimmel (das wird die Raucher freuen), eingerahmt von der Geschichte der Stadt. Die Küche ist international und wird klassisch serviert. Die Qualität top. Die Preise sind für die gebotene Qualität sehr fair (Lachs lag bei etwa 14 Euro, Desserts kosten um die fünf Euro, Steaks zwischen 17 und 22 Euro). Guten Appetit! 

Kontakt

Restaurante Casa Montesdeoca
c/Montesdeoca Nr. 10 (neben der Kapelle San Antonio Abad bzw. in unmittelbarer Nähe zum Kolumbushaus, Altstadt Vegueta), Las Palmas de Gran Canaria.
Parkmöglichkeit am Mercado de Vegueta (Anm.: Das Restaurant liegt nur 5 Minuten zu Fuß entfernt)
Tel.: 928 333 466
Geöffnet: Täglich ab 13.00 Uhr (Abends Reservierung empfohlen)
Live-Musik (Piano, Evergreens und Klassik) - regelmäßig ab ca. 21.00 Uhr (allerdings nicht an jedem Abend)