Ausgabe Nr.
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J M upload 04.11.2016, Viva Edition 106 | Print article

Il Vespino Vecchio - Neapels Küche at it's best

Gaetano Caprio ist ein lieber Freund von mir, der vor fünf Jahren gemeinsam mit seinem Lebensgefährten Steven nach Gran Canaria zog, um fortan als Privatier das Leben in vollen Zügen zu genießen. Zehn Jahre lang hatte der Gastronom jede Menge Erfolg mit seinem riesigen Lokal in Reutlingen, aber auch jede Menge Stress. Gaetano hatte jeden Tag geöffnet und irgendwann erkannt, dass es überhaupt kein Leben mehr außerhalb gab, weder für sich noch für die Partnerschaft. Zwölf Jahre zuvor besuchte Gaetano die Insel Gran Canaria erstmals und das milde Klima ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Schließlich fassten die Beiden den Entschluss auszuwandern.

Privatier mit Langeweile

Aber nach einiger Zeit ‚im Paradies‘ machte sich eine gewisse Unruhe breit. Ihm war langweilig, wie er mir erklärte, und mit Anfang Vierzig war ‚nurmehr‘ Golfspielen keine wirkliche Erfüllung. „Ich wollte es nochmal wissen“ sagte mir Gaetano vor über einem Jahr und entschloss sich, ein Restaurant zu eröffnen, wo er authentische neapolitanische Küche anbietet, so wie er es von seiner Familie kannte. Obwohl er in Deutschland aufwuchs und Zeit Lebens dort seinen Mittelpunkt hatte, kehrte er immer wieder zu seinen Wurzeln zurück. „Mein Papa stammt aus Neapel und die Mama aus Kalabrien. Ich sah meiner Mutter oft beim Kochen zu und so lernte ich es, aber nur für den Privatgebrauch.“

Ich beobachtete wie Gaetano seine Visionen Schritt für Schritt umsetzte und wie sich das Restaurant Il Vespino Veccio immer mehr zu dem entwickelte, was es heute ist. Natürlich habe ich regelmäßig dort gespeist und es hat mich bisher nur ein Faktor davon abgehalten, nicht über ihn zu schreiben: Meine persönliche Beziehung, die mir eventuell als Interessenskonflikt vorgehalten werden könnte. Dieses Risiko nehme ich nun auf mich und entführe sie in Gaetanos Küchenwelt.

Perfektionist von A bis Z

Schon die Wahl der Location und des Namens erweckte Interesse. Einige ‚Freunde‘ und Bekannte prognostizierten Gaetano, dass das nichts werden könne. Der Erfolg gab ihm allerdings recht. Anders, als viele eingesessene Gastronomen, musste er im Sommer nicht schließen, sondern bewirtete seine Gäste nach wie vor jeden Tag. Diese kamen immer öfter und regelmäßiger. Inzwischen zählt neben dem deutschen, skandinavischen und klarer Weise dem italienischen Publikum auch der Spanier zu seinem Klientel. Gaetano setzt also auf Internationalität.

Der Perfektionist ließ sich nicht beirren und ließ das Restaurant nach seinem anspruchsvollen italienischen Gusto einrichten. Edle Materialien der Einrichtungsgegenstände und schönes Design mussten es sein. Hell, freundlich und mit klaren Linien präsentiert sich das Lokal. 

Markenzeichen: die alte Vespa

Der Name „Il Vespino Veccio“ heißt eigentlich alte Vespa. Damit ist sein ehemaliges Gefährt aus Jugendzeit gemeint (siehe Foto 01), das hübsch aufpoliert nun als Deko im Restaurant den marketingtechnischen Stempel aufdrückt. Die orange Vespa zieht sich durch wie ein roter Faden, im Logo etc. „Wer so viel Geld in die Einrichtung eines Lokals investiert, der muss auch werben. Gerade hier, wo es so viele eingesessene Lokale gibt, muss man im Blick bleiben. Das habe ich durchgezogen, egal wie schwer das vielleicht im Sommer war. Mir war klar, dass es Zeit braucht, bis sich eine Stammkundschaft etabliert. 

Die Location hat sich als Glücksgriff erwiesen, weil keine so hohe Lokaldichte vorherrscht. Aufgrund der Lage zwischen der Wohngegend von San Agustín und dem Weg zum Strand kommen auch viele Passanten vorbei, die so auf das Restaurant aufmerksam werden. Das Einkaufszentrum ist sehr klein, überschaubar und zudem sehr schön gemacht. Sollte man bevorzugen im Innenhof zu speisen, fühlt man sich von den umgebenden Wänden beschützt, ohne den Eindruck zu haben , dass man gefangen ist. Das Konzept der Gerichte erklärt mir Gaetano folgendermaßen: „Ich hatte Schwierigkeiten essen zu gehen, so wie ich es mir vorstelle. Es gab aber ein kleines Restaurant in San Fernando, wo Luca herrlich kochte und ich immer wieder sein Gast war. Ich war ein richtiger Fan von ihm. Es war mein Glück, dass ich Luca für das Restaurant Il Vespino Veccio gewinnen konnte“.

Er fährt fort: „Für mich bedeutet ein gutes italienisches bzw. neapolitanisches Gericht, dass es frisch zubereitet und unverfälscht ist. Die Qualität muss überzeugen, vom frischen Fisch, den Meeresfrüchten bis zum zarten Steak. Die Zutaten muss man schmecken und sie dürfen nicht mit Sahne kaputt gemacht werden“. Beim letzten Wort verzog er beinahe angewidert sein Gesicht und ich musste schmunzeln.

Gaetano, der geborene Gastgeber

Gaetano ist der geborene Gastgeber und viele Gäste kommen nicht zuletzt wegen ihm ins Il Vespino Veccio. Vielleicht haben auch Sie schon die Erfahrung gemacht ein schönes Restaurant zu besuchen und trotzdem fühlen Sie sich nicht wohl. Das Personal ist arrogant oder unaufmerksam oder die Stimmung ist kühl und distanziert trotz oder vielleicht wegen des Designs. Dazu kommt, dass viele Gastronomen keinen Wert auf die Musik und die Beleuchtung legen. Dabei wissen wir alle, wie wichtig beides ist, damit wir uns wohl fühlen. Keine Frau (und wahrscheinlich auch kein Mann) möchte irgendwo romantisch essen gehen und dann bei grellweißem Licht (wie in einem OP-Saal) jede Pore und jede Falte so genau sehen. Das Licht darf und sollte ein wenig schmeicheln. 

Einige Highlights

Die Menükarte umfasst wenige Gerichte, denn es gibt täglich außerhalb der Karte spezielle Angebote, je nach Saison. Von Hummer bis Austern, vom Fisch bis Wild. Seine Highlights (die Auswahl hätte von mir nicht besser sein können), sind folgende:

  • Thunfischtartar mit Avocado (siehe Foto 05),
  • Das feine zarte Steak, das auf der Zunge zergeht (Foto 03), oder jenes mit hauchdünnem Speck ummantelt.
  • Die Tintenfischnudeln aldente „schwarze Leidenschaft“ (Foto 04),
  • Burata - chinesische Nudeln knusprig gebacken „Engelsgleich das Engelshaar“ (Foto 06), 
  • Langustino Nr. 1
  • Für Fleischtiger muss ich noch den Hirschbraten auf Merlotsauce, garniert mit Pflaumen und Pinienkernen sowie die hausgemachten Papardelle mit Wildschweinragout ergänzen.
  • Tiramusu - nicht zu nass, nicht zu trocken, einfach ein flaumiger Traum (siehe Foto 07),
  • hausgemachte Schokoladenküchlein

Fazit

Hier können Sie in einem gediegenen intimen Ambiente mit italienischem Esprit gut speisen. Der individuelle Geschmack der Zutaten wird durch die Art der Zubereitung exzellent in Szene gesetzt und in ihrer Komposition harmonieren sie miteinander, ohne sich gegenseitig zu dominieren. Die Gerichte werden mit schlichter Eleganz präsentiert, ohne viel Schnickschnack. Die Preise sind etwas höher angesetzt, aber für die gebotene Qualität gerechtfertigt (Vorspeisen kosten von 5,50 bis 12 Euro, die hausgemachten Pastagerichte von 10,50 bis 15,50 Euro, Hauptspeisen liegen bei ca. 19,50 Euro und die Dessers bei 5,50 Euro). Wenn Sie zuviel gegessen haben, man kredenzt köstlichen Grappa. Guten Apettit!

Neue Adresse

Restaurante Il Vespino Vecchio, c/Los Jasmines 4 (150 Meter vom alten Standort entfernt)
San Agustín, Gran Canaria
Geöffnet: Täglich von 12.30 bis 23.00 Uhr, Mo. von 18.00 bis 23.00 Uhr
Reservierungen empfohlen. Tel.: 673 323 827

www.ristorante-il-vespino-vecchio.com