Die Höhlenformationen von Risco Caído sind eine der wichtigsten Kultstätten der Altkanarier und könnten 2019 von der UNESCO sogar zum Weltkulturerbe ernannt werden. Vor zwei Jahren inspizierte eine Delegation die Fundstelle und nun harren die Einheimischen mit Spannung auf die Entscheidung.1)
Risco Caido ist nur zu Fuß erreichbar, denn die moderne Welt und die Erschließung des Verkehrs endet im Barranco Hondo, das nächstgelegene Dorf. Es gibt drei uralte Wanderwege, die sich dorthin beharrlich hoch schlängeln. Wenn Sie diese Stätte noch in seinem originären Zustand und noch bevor Touristenmassen hinströmen werden, sehen möchten - dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt.
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archäologie inklusive
Wir entführen Sie bei dieser Wanderung in die Vergangenheit, aber auch in die Zukunft. Barranco Hondo und Risco Caído sind Höhlendörfer noch aus der prähispanischen Zeit. Sie zählten zum einstigen Verwaltungsbezirk Artevirgo, dessen Name allerdings im 18. Jhdt. verloren gegangen ist.
und verfügt über gebogene Wände, ähnlich einer Kuppel mit einer Höhe von fünf Metern. Sie hat zwei Eingänge, einen normalen und eine Öffnung oben (siehe Foto). Dadurch entsteht im Inneren zwischen dem 21. März und dem 21. September ein interessantes Phänomen, denn die eintretenden Sonnenstrahlen projizieren eine Figur auf die Wand, die einen Samen darstellt. Mit jedem Tag wächst dieser und stellt am Ende eine schwangere Frau dar.
Und auch die dreißig dreieckige Felsgravuren an derselben Wand, die den weiblichen Schambereich darstellen sollen und wahrscheinlich für die dort zelebrierten Fruchtbarkeitsrituale gedient haben. Auf Gran Canaria existiert vermutlich eine der weltweit höchsten Konzentrationen an femininen Figurationen! Die Höhle Nummer sieben hat sogar siebzig davon. Mit dem Herbst beginnt eine ganz andere Magie, nämlich die des Mondes, der die gleiche Rolle wie zuvor die Sonne von Herbst bis Frühling übernimmt.
Fazit: Um solche Höhlen anzulegen, benötigten die Altkanarier Kenntnisse in Astronomie, Geometrie und Architektur. Aus diesen Gründen gelten diese Höhlen von Risco Caído als einzigartig auf der Welt. Seit den 1960-er Jahren ist das gleichnamige Dorf nicht mehr bewohnt und einige Höhlen wurden lediglich als Lagerräume oder Stallungen verwendet. Die Höhle wurde vom Eigentümer an die Inselregierung verkauft. Dem ehemaligen Besitzer war weder die merkwürdige Kuppel, noch die Gravuren oder das Phänomen aufgefallen, bis ihn der kanarische Archäologe Julio Cuenca darauf aufmerksam gemacht hat. Es soll allerdings einen notariellen Bericht aus dem 17. Jahrhundert geben, der die Höhle als „Almogarén“ (dt. Tempel) der Urbevölkerung beschreibt.
wieder auf tour:
risco hondo
Viele der Vorfahren des Dorfes von Barranco Hondo sind in Risco Caído geboren und aufgewachsen und nur wegen dem „verfluchten“ Felsen weggezogen, oder weil es dort zu gefährlich war. Auf dem Weg zum Dorf kamen uns drei junge, fröhliche Männer entgegen. Unsere Wanderklamotten sprangen ihnen ins Auge und sie fragten uns neugierig: „Was, ihr seid auch nach Risco Caidó gegangen?“ Der junge Tony Pérez ist der Präsident der Bürgervereinigung von Barranco Hondo und freute sich geradezu über unser Interesse an ihrer Kultur und erzählt: „Risco Caído ist ein geheimnisvoller Edelstein, ein Rohdiamant, aber Barranco Hondo ist vom Aussterben bedroht. Alle ziehen weg und es gibt kaum noch Kinder. Vielleicht kommt mit der Ernennung zum Weltkulturerbe der UNESCO wieder Leben ins Dorf. Geografisch betrachtet zählt Risco Caído zur Gemeinde von Artenara, aber emotional zum Barranco Hondo und der zählt zur Gemeinde Gáldar. Somit sollte der ‚Kuchen‘ zwischen beiden Ayuntamientos aufgeteilt werden. Gemäß Schätzungen erhofft man sich, dass zehn Prozent der Touristen in Zukunft Risco Caído besuchen werden. Es wäre auch wirtschaftlich für die Einheimischen von Bedeutung. Es haben sogar einige Deutsche ein Höhlenhostel eröffnet, es gibt mehr Wandertouren und auch der Supermarkt hat bessere Verkaufszahlen.“
Man plant die komplette touristische Erschließung, von Reisebussen und geführten Touren bis hin zum Bau von Restaurants und einem Besucherzentrum. Derzeit läuft bereits ein maßstabsgetreuer Nachbau der Höhle Nummer 6.
Melancholisch sinnierend ergänzt Tony: „Es ist kaum zu glauben, dass die Höhle, die einst als Stall dem Verfall überlassen wurde, vielleicht einmal Weltkulturerbe sein könnte.“
Der Weg dahin ist noch lang. Im Vorjahr hat auch ein nationales Komitee des Kulturerbes Risco Caído besucht und in Spanien den Antrag gestellt. Die UNESCO wird in diesem Jahr alle evaluieren und noch diesen August weitere Inspektoren entsenden. Die entgültige Entscheidung wird bei der Sitzung im Sommer 2019 beim Welterbekomitee gefällt.
Sofie Hendrikx/Julija Major
tipp: sondertour
Jeweils an den Sonntagen, 14. Januar und 18. Febuar bieten die Reiseführer Mogán Verde eine geführte Wanderung nach Risco Caído an. Distanz: 8 km, Höhenunterschied: 380 m, Rundtour. Preis: 18 Euro pro Person, mindestens 10, maximal 15 Personen. Im Preis inbegriffen ist der staatlich geprüfte professionelle Führer, Picknick, Versicherung und Wasser. Anm.: Als individuell geführte Privattour kostet Risco Caído 150 Euro pro Person.
KONTAKT
Sofie Hendrikx von Mogán Verde, staatlich zugelassene Reiseführerin (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und die Muttersprache Holländisch),
Geführte Gruppen- oder Privatwanderungen.
Tel.: 653 737 773
sofiehendrikx@hotmail.com
www.moganverde.es
Sonderpreise für Wanderungen unter 4 Stunden; Wanderungen im Süden beinhalten Transport (San Bartolomé und Mogán)
Wir haben für Sie, den unserer Meinung nach, schönsten Wanderweg ausgesucht, der hoch oben am kiefern bedeckten Tamadaba-Massiv bei Artenara beginnt und beim Abstieg einen Blick auf die smaragdfarbenen Stauseen bietet.
An der Staumauer bietet sich ein Ausblick in die Bergwelt Gran Canarias. Die Täler von Agaete und Barranco Hondo ziehen sich rampenartig hinauf und wir schauen aus der Ferne auf unser heutiges Ziel, die Rückseite des Risco Caído, dem „gefallenen Felsen”. Ab Lugarejos führt ein gepflasterter sogenannter „Camino real” (dt. königlicher Weg) durch eine Landschaft, die an die ‚bezaubernde Welt von Oz‘ erinnert. Flammende Ginsterbüsche haben die alten Terrassen vollständig eingenommen und im Frühling läuft man hier durch ein leuchtend gelbes Blütenmeer.
Eine Quelle und eine mit Baumheide und Gagelbäumen überwucherte Steilwand sind untrügliche Zeichen für die von Passatwinden herangetragene Feuchtigkeit. Besonders, wenn die Sonne sich zur Guten Nacht in Richtung Erde herabneigt, leuchten die Farben besonders intensiv und bieten ein wunderbares Schauspiel. Man versteht, wieso die Altkanarier diesen Ort verehrten und hier leben wollten.
Die Urbevölkerung wohnte hauptsächlich in Höhlen und zwar entweder in natürlichen oder in ‚künstlichen‘, also von Menschenhand gegrabenen. Auch heute gibt es auf Gran Canaria viele Höhlenwohnungen, die noch bewohnt sind. Man schätzt die Zahl auf um die 2.000. Und auch, wenn es auf allen Inseln Höhlenwohnungen gibt, findet man künstlich erbaute bzw. erweiterte nur auf Gran Canaria.
Die Altkanarier nutzten Höhlen entweder als Behausung oder als Begräbnisstätte, Getreidespeicher sowie als eine Art Tempel. Sie hatten ihre eigenen Götter, wobei Acorán als wohl wichtigster Gott auf Gran Canaria verehrt wurde und der vermutlich der Sonne zugeordnet wurde. Man betete allerdings auch Berge, Felsen und gar Bäume an. Fruchtbarkeits- und Regenrituale hatten einen besonders hohen Stellenwert.
Neben der Bedeutung als archäologische Fundstelle dieser einstigen Kultstätte ist auch die Landschaft von La Caldera de Tejeda bemerkenswert. Dieser große Einsturzkrater befindet sich im Zentrum der Insel und für die Urbevölkerung war es ein heiliges Gebiet. Daher gibt es auch die „caminos sagrados“ (heilige Wanderwege).
Die UNESCO denkt daran hier eine kulturelle Landschaft mit „4-Stern-Fundstätten“ (yacimientos estrellas) zu kreieren, von denen eine Risco Caído wäre. Die anderen drei würden Sierra Bentayga, Acusa Seca und Risco Chapín. Weltkulturerbe kann eine Stätte nur dann sein, wenn sie einzigartig ist, was hier der Fall ist.
was macht risco
caído so einzigartig?
Risco Caído heißt übersetzt „gefallener Felsen”. Um eine Höhle auszugraben gibt es ein paar Voraussetzungen: Das Gestein sollte einfach zu verarbeiten sowie wasserfest und stabil sein. Dies ist bei Risco Caído nicht der Fall, denn die unterste Gesteinsschicht besteht aus sehr harten Basalt. Darüber liegen, aufgrund der einstigen Lagune, Alluvialböden, doch bei diesen gibt es häufig Steinrutsche. Zudem besteht Risco Caido noch aus einer Schicht Tuffstein, die aber nicht wasserfest ist. Diese Zusammenstellung kann man geradezu als eine Bombe betrachten. Im 20. Jahrhundert ist die Höhle drei Mal eingestürzt! In den siebziger Jahren ist dort eine Familie verschüttet worden und man hat die Leichen nie herausholen können. Die abgesprengten Felsblöcke dort wirken als stille Zeugen!
BESONDERE HÖHLEN:
NUMMER 6 UND 7
In Gedenken an die Verstorbenen haben die Einheimischen Kreuze in den Felsen geritzt und nennen sie auch noch „Risco Maldito” (dt. verfluchte/böse Felsen). Das komplette Höhlendorf Risco Caído besteht aus einundzwanzig Höhlen. Die zwei wichtigsten Höhlen, die Nummer sechs und sieben, sind noch intakt. Erstere gilt aufgrund ihrer Typologie als „único en el mundo“ laut dem Archäologen Julio Cuenca. Sie ist kreisförmig ausgegraben worden