In der heutigen Zeit kann jeder ein Buch publizieren, was die literarische Qualität nicht unbedingt fördert und zu Orientierungslosigkeit in den Massen an Publikationen führt. Man kann die Größenordnung nur erahnen, bedenkt man, dass im Jahr 2017 der weltweit erwirtschaftete Gesamtumsatz des Buchhandels bei rund 9,14 Milliarden Euro lag.[1]
Reisen liegt im Trend und damit einher geht die Nachfrage nach entsprechender Lektüre, seien es Fachmagazine oder einschlägige Reiseführer. Letztere führen mich zum eigentlichen Thema dieses Berichts. Vor etwa drei Monaten flatterte mir eine Buchempfehlung der Emons Verlag GmbH ins Haus, das im September 2018 erschienene Buch mit dem Titel „111 Orte auf Gran Canaria, die man gesehen haben muss“. Der Titel, eine Aufforderung. Nach sieben intensiven Jahren als Herausgeberin des Magazins Viva Canarias weckte es meine Neugier, denn ich meine die Insel schon ziemlich gut zu kennen. Ich schmökerte anfänglich lediglich die kreativ umschriebenen Überschriften und Fotos durch und siehe da, es flogen mir nicht nur bekannte Orte zu. Ich entdeckte eine Reihe an unbekannten reizvollen Schmuckstücken, die ich auf meine gedankliche „ToDo-Liste der Erkundungstouren“ setzte.
Als ich dann begann die einzelnen Geschichten komplett zu lesen, wurde ich in den Bann gezogen. Der erzählerische und humorvolle Schreibstil, die bildgewaltige und lebendige Sprache und vor allem die interessanten Informationen waren in ihrer Kombination einzigartig.
Auf der Suche nach dem verloren gegangenen literarischen Wortschatz, vom Stil ganz zu schweigen, wurde ich bei diesem Werk fündig. Dieses Buch bot höchsten Lesegenuss, jeder Satz formvollendet formuliert, geradezu poetisch und gleichzeitig einfach und fließend zu lesen. Und vielleicht gerade deswegen ist es für Jedermann lesbar, da es nie aufgesetzt oder affektiert wirkt. Es ist ein ‚Reiseführer der anderen Art‘, der den Leser mit auf eine grandiose Reise nimmt, traumhafte Bilder kreiert und ansprechende wissenswerte Hintergrundinformationen aufzeigt, ohne trocken, langweilig oder fade zu sein. Chapeau!
Aber wer ist dieser Rolando Suárez, der dieses Buch geschrieben hat? Ich lud ihn in die Redaktion ein und er sagte zu. Wir trafen uns an einem Tag im Oktober.
Rolando Suárez - Der fantasievolle Autor
Pünktlich um zwölf Uhr stand ein junger Mann in der Tür und stellte sich als besagter Buchautor vor, der mit seiner offenen und sympathischen Art wohl alle Menschen, die ihm begegnen, vereinnahmt. Er hatte ein lebhaftes Auftreten und wirkte auf mich wie ein Student, der allerdings mit höflichen Umgangsformen zu überraschen wusste. Wir nahmen schließlich am Besprechungstisch Platz und begannen zu parlieren.
Suárez wurde in Las Palmas de Gran Canaria als Sohn einer Kanarierin und eines deutsch-südamerikanischen Vaters geboren und wuchs sowohl auf seiner Heimatinsel, als auch in Deutschland auf.
Eine aufregende multikulturelle Mischung, die sich wie ein roter Faden durch sein Leben zu ziehen scheint, denn der bilingual aufgewachsene Mann ist rastlos, wie er erzählt: „Heimat ist für mich keine Einbahnstraße, sondern eine gigantische Kreuzung.“
Der Wortkünstler verbrachte in seiner Kindheit alle Schulferien auf Gran Canaria. „Meine Mutter hatte immer eine große Sehnsucht nach ihrer Heimat, aber auch mein Vater und ja, wir Kinder auch. Wir hatten viele Verwandte und Freunde zurückgelassen.“
Dadurch öffnen sich Kindern normalerweise die Welten zweier Kulturen und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man dadurch durchaus Vorteile hat, wie z. B. gewisse Bräuche doppelt zu zelebrieren - siehe die Bescherung zu Weihnachten und nochmals am Dreikönigstag.
Reisen erweitert den Horizont und …
Zwischendurch, so in den Zwanzigern, zog es den damaligen Studenten mit dem Drang der Unabhängigkeit in die Welt: „Gran Canaria war in der Zeit irgendwie out, ähnlich wie es der abgeschmuste Lieblingsteddybär mal ist. Ich wollte Neues entdecken.“ Das hat sich geändert, wie ich von Suárez erfahre: „In den vergangenen Jahren versuchte ich zwei bis drei Mal im Jahr auf die Insel zu kommen und irgendwann würde ich gerne ganz hier herziehen oder zumindest meine Base hier haben“.
Temperamentvoll und kommunikationsstark sprudelten bei unserem Gespräch die Wort(witz)e aus ihm heraus und wir lachten viel und herzlich. Wir redeten bei unserem dreistündigen (!) Gespräch über Gott und die Welt. Ein Porträt über einen Autor zu schreiben ist für mich immer eine Herausforderung, insbesondere, wenn ich den Schreibstil derart bewundere (wie im gegenwärtigen Fall).
Gedanken über Gedanken im Kopf
Grammatikalisch richtig zu schreiben lernen wir (normalerweise) in der Schule, doch die Worte wie ein musikalisches Werk als eine formvollendete Sinfonie zu komponieren, das ist aus meiner Sicht ein Talent. Das muss scheinbar in die Wiege gelegt worden sein, oder wie sieht es Suárez? Er erklärt es folgendermaßen:
„Als Kind will man sich ausdrücken und jedes sucht seine eigene Art und Weise. Manche malen oder spielen Fußball und andere suchen ihren Platz auf einer Bühne. Dann gibt es jene, so wie in meinem Fall, die vor allem das Lesen und Schreiben interessiert, wobei Sport bei mir auch eine wichtige Komponente war und ist. Ich begann mit Tagebüchern, später folgten Gedichte und Liedtexte. Wenn man es so betrachtet, dann könnte man es durchaus so beschreiben, dass mir das Schreiben in die Wiege gelegt wurde. Allerdings muss man als Elternteil die Talente des Kindes erkennen, um sie fördern zu können. Mir war früh klar, dass es mich in eine schriftstellerische oder journalistische Richtung zieht.“
Fleiß, Leidenschaft und viel Geduld
Irgendwann habe er beschlossen nur noch zu schreiben, erzählt er. Geschrieben habe er schon immer, auch schon für Film und Fernsehen und Suárez erläutert: „Das Schreiben ist einfach meins und wenn man seins gefunden zu haben scheint, egal zu welchem Zeitpunkt im Leben, dann sollte man keine halben Sachen machen oder zumindest versuchen dem Ganzen eindrücklich nachzugehen - und zwar mit Fleiß, Leidenschaft und viel Geduld.“ Wir reden über seine Schreibprojekte (Stadtroman, Thriller, Krimi, illustriertes Kinderbuch, Theaterstück) u.v.m.
Der konsequente Weg
Suárez führt aus: „Man muss ständig lernen und für die Tätigkeit Interesse aufbringen und dann macht man es auch gut. Mir flogen die Projekte im Laufe meines Lebens förmlich zu.“
Das glaube ich dem Autodidakten gerne, der nun fortsetzt: „Man muss im Leben seinen eignen Weg gehen und ihn mit Interesse und Hingabe gehen, auch wenn man mal vom Weg abkommt oder hinfällt - aufstehen und weitergehen! Und man darf sich nicht davon abhalten lassen, sein eigenes ‚Ding‘ durchzuziehen. Keiner lehrt einem mit Niederlagen umzugehen. Jeder muss seinen eigenen gehen und man muss seine Lektionen aus den gemachten Erfahrungen lernen, egal wie schwierig dies mitunter ist. Die persönliche Einstellung macht den großen Unterschied und die wird einem nicht in die Wiege gelegt. Wenn man in einer Sackgasse landet, dann muss man eventuell zwei Schritte zurück gehen und einen anderen Weg suchen. Manchmal muss man auch Mut aufbringen, um neue Wege zu beschreiten und sich auf Neues einzulassen. Allerdings verstehe ich auch, dass es Menschen gibt, die alles von langer Hand planen und Schritt für Schritt ihrem geordneten Lebensplan folgen. Vielleicht gibt ihnen die Routine ein gewisses Maß an Sicherheit und Halt.“
Es ist, wie es sein soll
Der Buchautor spricht mir aus der Seele und ich beneide die Menschen, die so leben können. Er beschreibt es so: „Ich will dieses zuvor beschriebene Lebensmodell nicht bewerten. Keines ist richtig oder falsch, sie sind einfach nur unterschiedlich und mein Weg ist ein anderer. Ich bin immer offen für neue Impulse und irgendwie scheinen die Dinge auf mich zuzukommen.
Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass sich häufig die Geschehnisse, ob in den jeweiligen Momentaufnahmen gut oder schlecht oder irgendetwas dazwischen, zu einem Ganzen zusammenfügen. Und das so, wie sie letztendlich sein sollen. Es ist ähnlich wie bei einer Kette, bei der Glied um Glied das Ganze formt.“
Sich ‚treiben lassen‘
Suárez ist ein Wanderfreund: „Mit zwei Freunden oder auch alleine begebe ich mich regelmäßig landeinwärts, oft querfeldein in einen der unzähligen Barrancos. Und in der Regel starten wir ohne ein bestimmtes Ziel. Es kommt nicht selten vor, dass ich mich verlaufe - das ist schön und spannend zugleich. Es ist ein wenig Abenteuer, das man sich merkt – und das uns auch verbindet. Auf Gran Canaria gibt es so viel zu entdecken, erst recht, wenn man sich einfach nur teiben lässt. Das Schöne hier ist auch, dass man das ganze Jahr über draussen sein kann. Unerwartete und außergewöhnliche Erfahrungen mache ich meist dann, wenn ich einfach so losgehe, ohne große Planung - quasi kanarisch schön verplant. Dann begegne ich interessanten Menschen, sauge viel Natur auf und finde tolle Ecken und Gegenden“, beendet er schwärmerisch seine Ausführungen.
Der etwas andere Reiseführer
Diese Leidenschaft für die hiesige Natur und das Wandern inspirierten Suárez für seinen Reiseführer „111 Orte auf Gran Canaria die man gesehen haben muss“. Er kennt die Insel wie seine Westentasche und wollte dies aufzeigen, aber in einer etwas anderen Form, wie er erklärt: „Mir ging es um eine gute Mischung. Ich wollte ‚mein‘ Gran Canaria vorstellen, aber nicht als einen klassischen Reiseführer. Ich wollte eher eine Reihe von Kurzgeschichten aneinanderreihen, die ich einzeln auf erzählerische Weise mit einer humoristischen Note versah – als lese man einen Roman. Es ging mir nicht darum zwanghaft etwas anderes zu publizieren. Der Wunsch es genauso zu machen steckte tief in mir und wollte genau so heraus. Glücklicherweise fand ich einen Verlag in Deutschland, dem das Konzept gefiel und der über Gran Canaria noch kein Buch veröffentlicht hatte.“
Fazit: Mit diesen abschließenden Worten wünsche ich Rolando Suárez viel Erfolg mit dem Buch. Wie eingangs erwähnt, kann ich es in höchstem Maße empfehlen. Es ist Lektüre, die von einem Inselkenner mit Charme und Kompetenz geschrieben worden ist. Ein echtes Lesevergnügen. Damit werden auch jene fündig, die meinen, die Insel schon zur Gänze zu kennen und ‚Couchpotatoes“ bietet dieser ‚Reiseführer‘ eine fantastische virtuelle Reise an wenig bekannte Orte …
Rolando Suárez - Buchautor
„111 Orte auf Gran Canaria, die man gesehen haben muss“ (mit zahlreichen Fotografien), 13,5 x 20,5 cm, 240 Seiten, ISBN 978-3-7408-0436-7
16,95 Euro [DE], 17,50 Euro [AT]
Auf Gran Canaria
En Las Palmas de G.C.:
Librería del Cabildo
Canaima
El libro Técnico
Idiomátika Centro Comercial El muelle
En San Agustín:
BBC, Centro Comercial S. Agustín
En Playa Inglés:
Bazar Expo, Centro Comercial Yumbo
Supermercados Gordillo
En San Fernando:
Librería Primicia
Zona Arguineguín-Mogán:
Supermercados Spar
Footnotes
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