Saulo Sarmiento ist derzeit einer der gefragtesten Pole-Dance-Akrobaten der Welt, der seit zwei Jahren sogar eine Soloshow im Cirque du Soleil hat. Der Körperkünstler verzaubert mit seinen atemberaubenden Acts das Publikum auf der ganzen Welt. Er hebelt mit höchster Körperbeherrchung alle Gesetze der Schwerkraft aus und dabei sieht es immer elegant aus, ohne auch nur ein Fünkchen von Anstrengung zu transportieren. Inzwischen hat Saulo selbst bei Instragram über 51.000 sogenannte ‚Follower‘, also Menschen, die ihm folgen.
Nach Auftritten in Las Vegas, Monaco, Miami, Costa Rica, Guatemala, Argentinien und Paraguay kam er vor drei Monaten für einige Tage in seine Heimat Gran Canaria. Wir hatten die große Ehre ihm während seiner Stipvisite ein wenig Zeit abzuzweigen und trafen ihn für ein Interview auf dem Anwesen Montecristo. Dies hatte mehrere Gründe u. a., dass dort die Sonderausstellung der Skulpturen von Ulysse zu sehen war, dessen Muse für die Bronzeskulpturen eben Saulo war.1)
Cool bleiben ...
Die erste Überraschung: Saulo wusste nicht, dass ich mit meinem Fotografen komme und auf ein Shooting nicht eingestellt. Den mit scheint aufkeimenden Ärger lächelte er schnell und professionell weg und erklärte uns, dass Fotos von ihm nur unter bestimmten Voraussetzungen gemacht werden dürfen. Hintergrund ist sein Vertrag in dem die Vermarktungsrechte streng geregelt sind. Daher darf er beispielsweise nur mit Kleidung ohne erkennbarem Label fotografiert werden. Inzwischen wird Saulo immer mehr auch als Model gebucht (Anm.: was ich absolut verstehen kann, ein hübscher Mensch mit einem perfekten Körper und wäre ich ein Teenager, dann hätte ich mich auf den ersten Blick in ihn verliebt). Und gleich folgte die zweite Überraschung an diesem Nachmittag: Ich machte ihn mit den Anwesenden bekannt, u. a. mit dem Hausherrn Guy Martin. Plötzlich begannen beide in perfektem Französisch zu parlieren. Meine Kenntnisse sind eingerostet und ich verstand nur noch einige Fragmente. Bei mir wechselte Saulo im Flug ins Englische und so war dieses Interview ein energiegeladenes Sprachenwirrwarr mit vielen interessanten Hintergrundinformationen. Ich liebe die Vielfalt und das war an diesem Nachmittag mit der Mischung aus Deutschland, Frankreich, Schweiz, Holland, Österreich und Spanien genial!
Tägliches Training und viele Auftritte
Sarmiento wurde 1987 in Las Palmas de Gran Canaria geboren. Aber, wie schafft man es von einer kleinen Insel fernab der großen Metropolen auf die größten Bühnen dieser Welt? Das war sicherlich nicht nur seinem äußerst attraktiven Äußeren zu verdanken. Seine Persönlichkeit ist außergewöhnlich und man kann ihn nicht übersehen. Sein unprätentiöse Art entwaffnet augenblicklich und zieht sein Umfeld in seinen Bann. Der Weltstar hat die französische Sprache während seines Studiums in Paris gelernt. Während seiner Welttourneen lernte er andere Sprachen kennen.
Als Cosmopolit ist die Welt seine Heimat geworden. Sarmiento kommentiert es augenzwinkernd wie folgt. „Vielleicht ist das meine Zigeunerseele“. So schön es ist viele Länder kennenzulernen, es ist in vielerlei Hinsicht auch sehr anstrengend. Wenn er mit Cirque du Soleil auf Tournee geht, dann muss er drei Wochen lang täglich auftreten und an Wochenenden sogar zwei Mal. Das sind 8 Shows pro Woche. Eine Verschnaufpause haben die Artisten nur, wenn der Zirkus in eine andere Stadt zieht. Das nimmt etwa eine Woche Zeit in Anspruch, bis alles ab- und aufgebaut ist. Diese Zeit können die Akrobaten und das Showensemble für andere Auftritte nutzen oder sich ein wenig um das Privatleben kümmern. Trainieren ist allerdings auch dann Pflicht wie er erklärt: „Ja, ich muss jeden Tag trainieren, zumindest zwei Stunden an Showtagen und ansonsten drei Stunden. Ein ‚normales soziales Leben zu führen ist kaum möglich. Meine Freunde sind auf der ganzen Welt verstreut.“
Eine Tournee läuft normalerweise sechs Monate lang und dazwischen kehrt er in seine Heimat, um seine Familie und Freunde zu besuchen. Am Ende sind alle Hotels gleich, egal wie gut sie sind. Man kommt an und irgendwie auch ein bisschen einsam in einer fremden Stadt. Mit den sozialen Medien heutzutage kann man zumindest in Kontakt bleiben.
Der große Traum
„Welche Träume möchtest du im Leben noch erreichen?“ frage ich und er sieht mich mit glückstrahlenden und gar ein wenig erstaunten Augen an, während er mir antwortet: „Aber, ich habe meinen Traum erreicht und bin sehr glücklich. Ich träumte schon als Zwölfjähriger davon, eines Tages mit „Cirque du Soleil“ auf Tournee zu gehen. Dass ich sogar mit einem eigenen Soloprogramm diesen Traum verwirklichen konnte, ist noch immer schwer zu glauben. Als ich definitiv gebucht wurde, dachte ich eine Woche lang, es sei irreal und dass ich träume.“
I did my big dream
„Ich bin ein Autodidakt und habe viel von den Besten der Besten gelernt. Pole-Dance kommt ursprünglich aus China und in der Zirkuswelt sind die Chinesen sowie die Russen die Elite. Irgendwie scheine ich für Pole-Dance geboren worden zu sein. Ich probierte es aus und es lag mir einfach. Nach einem Jahr nahm ich bereits an der Weltmeisterschaft teil und ich habe tatsächlich gewonnen. (Anm.: Das war 2014.) Ich konnte es selbst nicht fassen und das hat mein Leben komplett verändert. Erfolg gibt einem zusätzlichen Ansporn und Motivation, um noch besser zu werden, noch härter zu trainieren und sich immer wieder Neues einfallen zu lassen. Ich wurde ‚ein wenig berühmt‘ und erhielt Anrufe aus der ganzen Welt.“
International wurde Saulo eine große Medienaufmerksamkeit nach seinem Auftritt in Großbritannien bei „Got Talent“ zuteil. In dieser TV-Talentsuche brachte er nicht nur das Publikum und die Juroren zum Kreischen. Ein Ritterschlag war sein Engagement bei dem weltbesten Zirkus: Cirque du Soleil, mit dem er nun schon zwei Jahre auf Tournee ist. Und man zollt dem Kanarier nun auch in der Heimat Respekt.
Im Jahr 2017 wurde der smarte und sympathische Künstler von der Inselregierung von Gran Canaria als Tourismusbotschafter ernannt. Man hat ein Video mit ihm gedreht, das ihn performend vor spektakulären Landschaften in schwindelerregenden Höhen zeigt.2) Da bekommt man schon beim Zusehen Höhenangst und auf meinen diesbezüglichen Kommentar lächelt Sarmiento und erklärt mir: „Wo ich mit meinen Füßen stehen kann, da kann ich es auch auf meinen Händen. Das ist für mich kein großer Unterschied.“
Von Las Palmas nach Paris ... und in die weite Welt
Schon als kleiner Junge wollte ich Zirkusakrobat werden. Meine Eltern waren nicht sehr glücklich über meinen ungewöhnlichen Berufswunsch. Sie wollten, dass ich etwas mit mehr Sicherheit lerne. Aber in meinem Kopf war es von je her ganz klar: Ich werde Akrobat!
Auf den Inseln sind die Möglichkeiten sehr beschränkt bzw. für einen Akrobaten praktisch gar nicht vorhanden. Je mehr ich die Weltmetropolen und deren Angebote kennenlerne, desto evidenter wird mir das bei meinen Heimaturlauben. Von Las Palmas ging ich zuerst nach Madrid und von dort weiter zum Studium nach Paris. Um mir das zu finanzieren musste ich hart arbeiten. Das waren keine leichten Jobs als Animateur, wo man als Mensch keine Anerkennung bekommt. Man ist quasi Luft. Ich zog es durch, denn ich wußte wofür ich das mache. Jeder Cent wanderte in mein Sparschwein, das ich für meine Ausbildung in meine Zukunft benötigte.
Disziplin ja, aber sündigen erlaubt
„Die Disziplin zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben, denn tägliches Training ist eine Sache, die richtige Ernährung ist mindestens genauso wichtig. In den Hotels, auch wenn es sehr gute sind, bekomme ich nicht die Nahrungsmittel zu den Zeiten und in der Form, wie ich sie benötige. Daher habe ich immer meine Tupperware dabei. Ich organisiere mir, was ich benötige. In den großen 5-Sterne-Hotels gibt es immer Reis, Huhn und Gemüse. Einmal in der Woche gönne ich es mir, zu essen und zu trinken was ich will. Da ist dann auch ein Gläschen Wein dabei etc. und so freue ich mich doppelt, wenn ich ‚sündigen‘ darf.“
Ich kreiere meine Show-acts selbst
„Da ich meine Showacts selbst kreiere, besitze ich auch die Rechte daran. Das hat mehrere Vorteile. Einerseits kann ich jederzeit meine Shows verändern und andererseits sie auch anderen lehren. Das ist eine Art Back-Up-Plan den ich vor einiger Zeit gestartet habe. Ich kann nicht mein Leben lang diese physischen Anforderungen erfüllen und falls ich einmal nicht auftreten kann, weil ich krank bin o. ä., dann könnte jemand einspringen, den ich selbst gecoacht habe. Bisher ist das allerdings erst zwei Mal der Fall gewesen. In Zukunft möchte ich vermehrt auf die Schiene des Coachings gehen und als Freelance mein Wissen weitergeben. Vielleicht sehen die Shows bzw. die Akrobatikacts für andere schwer aus, aber mir kommt das gar nicht so vor. Sogar bei meinen Workshops sind immer viele Zuschauer dabei, die es genießen sich so zusätzlich motivieren zu können mit dem harten Training weiterzumachen.
Conclusio
Ich bitte Saulo um sein Conclusio: „Du musst deinen Fokus auf deine eigenen Ziele richten und an dich glauben. Gerade am Anfang hat man nicht viele Menschen, die an einen glauben und auch viele, die einem demotivieren oder desillusionieren möchten. Davon darf man sich nicht abbringen lassen. Die ‚neuen Freunde‘ und Anhänger kommen mit dem Erfolg scharenweise. Da ist es gut sich selbst treu zu bleiben, zu wissen woher man kommt, seine Wurzeln nicht aus den Augen zu verlieren und keinesfalls vergessen, wer am Anfang für einen da war und an dich geglaubt hat! Bravo, kein weiterer Kommentar notwendig.
1)Viva Canarias Nr. 128 vom 1. Dezember 2017 (Ulysse Heiliger „Pole Art Dance“.
Steckbrief: Cirque du Soleil
Phänomenale Show, atemberaubende Akrobatik, die jede Vorstellungskraft sprengt, dramatische Effekte mit modernster Technologie und eine Brise Komik - so hat es der Zirkus „Cirque du Soleil“ auf der ganzen Welt zu Bekanntheit gebracht. Wer ihn einmal besucht hat, der wird es sein Leben lang nicht vergessen. Dabei lässt man sich jedes Jahr für die Welttournee ein neues Programm einfallen. „Cirque du Soleil“ (span. Circo de sol) gastierte 2014 sogar in Las Palmas de Gran Canaria und vielleicht kommen sie wieder?
Gegründet wurde dieser Zirkus 1984 vom Straßenkünstler Guy Laliberté in Kanada. Heute umfasst das Unternehmen mit Sitz in Quebec um die 5.000 Mitarbeiter aus 50 Ländern und erwirtschaftet ca. 750 Millionen Euro. Lt. Handelsblatt wird der Wert auf über 1 Milliarde Dollar geschätzt. 2012 hatte der Zirkus erstmals keine Gewinne erzielt, verkaufte Unternehmensteile und hat sich nach rigorosen Streichungen von Stellen und Umstrukturierungen wieder erholt.
Ungefährlich ist diese Arbeit für die Künstler bzw. Akrobaten nicht, denn erst im März 2018 stürzte der Artist Yann Arnauld bei einer Vorstellung in Tampa (Florida, USA) in den Tod. Schon 2013 verunglückte auch die junge Studentin Sarah Guillot-Guyard in Las Vegas.