Ausgabe Nr.
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J M upload 29.03.2022, Viva Edition 186 | Print article

Semana Santa auf den Kanaren, Ostern nicht ohne Sancocho

In der Osterzeit platzen die Kanaren aus allen Nähten und zwar nicht ausschließlich wegen der vielen religiösen Feierlichkeiten. Wenngleich die KatholikInnen in Spanien und somit auch auf den Kanarischen Inseln ihre Rituale sehr ernst nehmen, stehen für einen Großteil der Bevölkerung die Familienzusammenkünfte und -feste im Vordergrund.

Die Tourismusministerin Yaiza Castilla zeigte sich bereits über die ausgezeichnete Buchungslage hoch erfreut und gemäß Prognosen der TouristikerInnen wird eine Auslastung auf dem Niveau der Pre-Covid-Zeit erwartet. Zusätzlich zu den ausländischen UrlauberInnen strömen zur „Semana Santa“ auch noch die InlandstouristInnen in die Touristenenklaven und die Campingplätze sind zum Bersten voll. Nicht selten teilen sich dutzende Familienmitglieder ein kleines Appartement und essen vermeintlich rund um die Uhr. Apropos Essen …

Ostergericht: Sancocho

Wenn es ein Gericht gibt, dass zu Ostern auf den Kanaren traditionell auf den Tisch kommt, dann ist es Sancocho Canario. Es ist speziell, vielleicht für meinen Gaumen ungeeignet, doch das tut nichts zur Sache.

Im Prinzip handelt es sich um salzigen getrockneten Fisch, der mit Kartoffeln und Süßkartoffeln zubereitet wird und mit Mojo-Soße und einer klassischen Pella de Gofio serviert wird (siehe Foto re.). Obwohl es an und für sich sehr einfach zuzubereiten ist, gibt es erstaunlich viele Variationen dieser tief verwurzelten Speise. Praktisch hat jeder Haushalt sein eigenes Rezept. Dabei scheint der Ursprung mit vor sehr langer Zeit eingewanderten Portugiesen zusammenzuhängen. Sie lieben Kabeljau, der allerdings auf dem Archipel rar ist. Und so kam Cherne oder Wrackbarsch ‚zum Handkuss‘.

Mitte des 19. Jhdts. mussten die Kanarier in Ermangelung an Kühlgeräten gefangenen Fisch noch am selben Tag verzehren bzw. verkaufen. Mit dem Salz gab es endlich eine Möglichkeit der Konservierung und zu dieser Zeit gab es auch erste Erwähnungen von Sancocho.

Kanarische Ostern

Wer auf Lärm sensibel reagiert, sollte sich mental auf diese Ausnahmezeit vorbereiten. Im Idealfall empfehlen wir eine nette ruhige Ausweichsunterkunft in den Bergen, fernab des ‚Ostertreibens‘ zu buchen.

Auf den Kanarischen Inseln begeben Sie sich vergeblich auf die Suche nach versteckten Ostereiern, wenngleich sich die Geschäfte auch hierzulande die Umsätze mit Schoko-Osterhasen, Süßigkeiten und Dekomaterial in allen erdenklichen Facetten nicht entgehen lassen.

In Wirklichkeit scheint Ostern heutzutage schon kurz nach Weihnachten zu beginnen. Tappen Sie nicht in die Konsumfalle - ihrer Geldbörse, der Nachhaltigkeit und Ihrem Gewicht zuliebe. Wie Sie hübsche Ostereier mit natürlichen Farben färben können, haben wir Ihnen im Vorjahr präsentiert.1) Ebenso gibt es hier nicht den österlichen Brauch, Palmkätzchen mit bunt verzierten Ostereiern aufzustellen.

Dafür gibt es einige typische und interessante Bräuche, die wir Ihnen gerne vorstellen möchten. Die Kirchen sind festlich, ja geradezu üppig, geschmückt mit aufwändigen Blumenbouquets. Die Farbe violett steht für Verwandlung und Übergang und daher ist die Passionsblume (bot. Passiflora Quadrangularis) die Osterblume schlechthin. Die Blütenblätter assoziieren die Dornen und stehen für die Leiden Christi auf seinem Kreuzweg. Wer in den Blütenkelch blickt, erkennt die ‚drei Nägel sowie die fünf Wunden des Erlösers’.

Die Osterwoche wird „Semana Santa“ bezeichnet und beginnt mit dem Palmsonntag (Domingo de Ramos), der in diesem Jahr auf den 10. April fällt. Hier wird an den Einzug Jesu Christi auf einem Esel in Jerusalem gedacht, der vom jubelnden Volk mit Palmzweigen wedelnd wie ein König begrüßt wurde. Die Palmen wurden als heilige Bäume verehrt, während der Esel für Frieden und Bescheidenheit steht.

Prozessionen ‚en masse‘

So manche Prozession lässt ein mulmiges Gefühl aufkommen. Wer es wagt zu lachen, der wird mit bitterbösen Blicken gestraft. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit einen Grund dafür zu finden ist ohnehin verschwindend gering - unheilschwangere Klänge der Blaskapellen, Singsang und Fackelzüge, vermummte Büßer mit gruseligen Spitzhauben etc. Typisch sind traditionelle schwarze Tücher aus schwarzer Spitze an Kämmen bei Damen als Kopfputz oder weiße, hüftlange Kopftücher (mantillas blancas). Zumeist starten die Prozessionen in den späteren Abendstunden und interessant anzusehen sind sie auf jeden Fall.

(Magna)Prozessionen

Der Karfreitag ist formal das Ende der 40-tägigen Fastenzeit und gedacht wird an das Leiden und Sterben Jesu Christi am Kreuz. Für Gewöhnlich strömen dann Gläubige, KirchenvertreterInnen, PolitikerInnen und sogar MilitärvertreterInnen in die Hauptstadt Las Palmas de Gran Canaria. Zu diesem Anlass verlassen die Heiligenfiguren und -bildnisse auf schweren, doch reichlich geschmückten, Thronen die Kirchen (werden von Helfern getragen) und ziehen durch die Altstadt.

In unmittelbarer Nähe zum Plaza de Santa Ana und der Kathedrale befindet sich der emblematische Platz des Heiligen Geistes samt der gleichnamigen Kapelle „Espíritu Santo“ (siehe Foto oben), wo traditionell am Karfreitag eine Büßerprozession der 1941 gegründeten Bruderschaft in langen roten Mänteln beginnt. Markant an diesem kleinen Platz ist zudem der Springbrunnen, der einzige Überdachte auf Gran Canaria. Allerdings würde eine kleine Verschönerungskur nicht schaden. Bei Magnaprozessionen starten mehr als zehn Umzüge gleichzeitig und ziehen sternförmig in Richtung Kathedrale bzw. Plaza de Santa Ana (gegen 18.30 Uhr).

Passionsspiele

In Agüimes finden seit über drei Jahrzehnten Passionsspiele unter Beteiligung von über 300 Gemeindemitgliedern bzw. LaienschauspielerInnen statt. Sie inszenieren an verschiedenen Spots im historischen Ortskern die wichtigsten religiösen Szenen rund um das Osterfest.

Nachdem die Kanarischen Inseln temporär alle Corona-Maßnahmen aufgehoben haben und das beinhaltet auch das Verbot von Volksfesten, könnte in diesem Jahr Ostern wieder wie gehabt stattfinden.

Julija Major

Anm.: Wir können aufgrund der sich möglichweise ändernden Lage bzw. Maßnahmen während der ‚neuen Normalität’ keine Garantien für das Stattfinden von Veranstaltungen oder religiösen Feierlichkeiten abgeben.

Verweise

1)Viva Canarias Nr. 174 vom 2.4.2021  Ostereier natürlich färben