Déjà-vu ... alle 100 Jahre wieder?
„Die Infektion verteilt sich beim Sprechen und Husten an die nahestehenden Personen durch Einatmen. […]“ Als Handlungsempfehlung heißt es weiter: „Das Reinigen der Häuser soll intensiviert werden, die Fenster der Schlafzimmer sollen den ganzen Tag geöffnet bleiben und die Lokale sollen tagsüber gut durchlüftet werden. Die besten Desinfektionsmittel sind, sich so lange wie möglich an der frischen Luft aufzuhalten, Wasser und Licht. […]“
Dieser Text wurde im Amtsblatt der Provinz Burgos am 4. Oktober 1918 in Zusammenhang mit der Spanischen Grippe veröffentlicht.
„Spanische Grippe“ - ein verwirrender Name
Diese mysteriöse Krankheit wütete weltweit und forderte laut Schätzungen der WHO zwischen 20 und 50 Millionen Menschenleben. Dieser Abkömmling eines Influenzavirus A (Subtyp H1N1) führte häufig zu Lungenentzündung und zum Tod. Über die Urprünge der Krankheit herrscht keine Klarheit, doch haben sich drei Thesen weit verbreitet (siehe Gaceta Medica vom 19.1.2018):
Der Ursprung der Krankheit liegt möglicherweise in der Militärbasis Fort Riley in den USA, wie manche Studien andeuten. Andere Forscher meinen sie sei 1916 in Frankreich ausgebrochen und wieder andere, sie sei 1917 in China ausgebrochen …
Doch wie kam es dann zur Namensgebung?
Entgegen der weit verbreiteten Meinung kam die Spanische Grippe nicht aus Spanien, sie erlangte allerdings unter diesem Namen eine traurige Berühmtheit - sehr zum Leidwesen der Spanier, die als Nation mitunter verunglimpft wurden. Wir alle wissen, wie verheerend der Erste Weltkrieg (1914 - 1918) war und welch großes Leid die Zivilgesellschaft und die Soldaten mitansehen und ertragen mußten. Die Moral der Soldaten sowie der Bevölkerung war auf dem Tiefpunkt. Diese wollten die kriegsführenden Nationen mit einer mysteriösen todbringenden Krankheit nicht noch weiter erschüttern und die Zensur sorgte dafür, dass man lange Zeit von dieser Pandemie nichts erfuhr - außer in Spanien. Die iberische Halbinsel erklärte sich neutral und nahm am ersten Weltkrieg nicht teil, weshalb die Pressezensur auch nicht so streng war und man über die sich ausbreitende Krankheit berichtete. Bald sickerten die Berichte über die Krankheit peu à peu in die anderen Staaten durch, die sie als „Spanische Grippe“ bezeichneten.
Frauenarbeit und Frauenwahlrecht?
Indirekt war die Spanische Grippe auch für einige andere geschichtsträchtige Ereignisse verantwortlich. Die Krankheit kostete, anders als Covid-19, vor allem Menschen mittleren Alters zwischen 20 und 40 Jahren das Leben. Und auch hier waren Männer viel stärker betroffen als Frauen. Zudem verloren in den jahrelangen Kriegswirren etliche Soldaten ihr Leben in den Kämpfen. Arbeitskräfte waren dringend gesucht und so blieben nur noch die Frauen übrig. Also führte die USA im Jahr 1920 das Frauenwahlrecht ein und im selben Jahr waren 21 % aller Angestellten weiblich. Geld macht unabhängig und es gab keinen Grund mehr, die Einführung des Frauenwahlrechts zu verhindern.
„Surfen“ auf der Todeswelle
Die „Spanische Grippe“ verbreitete sich von ca. 1916 in mehreren Wellen rund um den Globus und verschwand im Sommer 1920 fast genau so schnell wie sie gekommen war. Nach der ersten Krankheitswelle warfen die Menschen alle Vorsichtsmaßnahmen über Bord und bekamen die Rechnung präsentiert. Die zweite Welle traf die Welt mit verheerender Wucht und forderte bei weitem die meisten Todesopfer. jm