Der Mensch ist das komplizierteste Lebewesen auf unserem Planeten und wahrscheinlich wird es den Wissenschaftlern niemals gelingen alle Geheimnisse zu lüften. Welche Faktoren dazu führen, dass etwas Schief läuft und man krank wird ist eines davon. Während die westliche Welt und die Schulmedizin nach wie vor eine Mikro-Sicht hat, blickt man ganzheitlich in der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) auf den Menschen. Inzwischen verschmelzen in unseren Regionen die Grenzen beider Welten, um das „Wunder Mensch“ zu heilen oder gesund zu halten. Immer mehr Ärzte erweitern ihr Wissen der klassischen Schulmedizin mit alternativen Behandlungsmethoden... Wir sprachen mit Dr. med. Junsheng Che, der seit vielen Jahren eine Praxis in Meloneras führt und manche seiner Patienten schon in zweiter oder gar dritter Generation betreut. Manche kombinieren ihren Kanarenurlaub mit einem fixen Termin bei ihm. Dieses Mal möchte er über Stress sprechen, der derzeit bei vielen seiner Patienten ein Thema ist.
Stress, nicht nur eine Managerkrankheit
Als Vegetative Dystonie, eine Fehlfunktion des vegetativen Nervensystems, bezeichnet man in der Schulmedizin Stresskrankheiten. „Ich beobachte, dass immer mehr Menschen sich keine Zeit nehmen können oder wollen und so der Stress zu verschiedenen Krankheitsbildern führt. Etwa die Hälfte meiner Patienten leidet darunter“, sagt der 55-jährige Facharzt in seiner bescheidenen Art. Er fährt fort: „Physische Folgeerscheinungen können sein Schlafstörungen, Reizbarkeit, Innere Unruhe, Nervosität und Magenbeschwerden. Entweder es führt zu einem Völlegefühl und Blähungen oder im umgekehrten Fall zu Durchfall. Wenn Stress über einen langen Zeitraum anhält kann auch Gastritis die Folge sein. Auch Bluthochdruck wird neben anderen Faktoren wie Übergewicht vom Stress verursacht“. Während ich meine Notizen mache, ist mir klar geworden: „Ich leide auch unter Stress“.
Ursachen behandeln und nicht die Symptome
Dr. Che erläutert das Zusammenspiel: „In der Chinesischen Medizin formuliert man es so, dass Yin und Yang aus dem Gleichgewicht sind. Durch Stress verkrampft sich der Körper und es kann auch der Bewegungsapparat beeinträchtigt oder gestört werden. Unter Umständen hat man Schmerzen oder Verspannungen im Rücken, Nacken oder Schulter.“
Mit einem Augenzwinkern sagt er: „Am Ende nehmen die Patienten unzählige Medikamente für die verschiedenen Probleme ein, doch die Krankheit selbst wird nicht behandelt sondern eben nur die Symptome.“
Akupunktur anstelle der medikamentenflut
Man kann Stress sehr gut mit Akupunktur behandeln, eine der wichtigsten Behandlungsmethoden in der TCM. In China wird sie seit Jahrtausenden praktiziert und ist eine universitäre Fachrichtung. Sie basiert darauf, dass Energiebahnen durch den menschlichen Körper fließen, die sogenannten Meridiane. Es gibt 14 wichtige davon und an bestimmten Punkten (ca. 360) sind diese miteinander verbunden und steuern die Funktion der Organe bzw. des menschlichen Organismus.
„Bei der Akupunktur werden gezielt an bestimmten Punkten, je nach Krankheit, ganz feine Nadeln in die Haut gestochen. Dadurch werden die Blockaden im Energiefluss gelöst und in Folge setzt die Heilung ein indem die Ursachen der Beschwerden behandelt werden und das ist das Wirkungsziel. Wenn es nicht eine Akutbehandlung ist, dann setzt die Heilung spätestens nach drei bis sechs Wochen ein. Der Körper regeneriert sich sukzessive, denn er braucht Zeit, um ‚neu zu funktionieren und alles zu verarbeiten‘“ sagt Dr. Che.
Mit Akupunktur lassen sich übrigens sowohl akute als auch chronische Beschwerden oder Entzündungsherde gut behandeln“ erklärt der Arzt. Ich erlaube mir an dieser Stelle anzumerken, dass ich selbst schon behandelt wurde und die Nadeln wirklich ganz fein sind und es keineswegs weh tut.
Wie lange wird 'gepickst'?
Die Dauer der Behandlung richtet sich nach der Beschwerde und reicht von einer halben bis einer Stunde. Es sind auch Kuren möglich, doch darauf muss der Arzt je nach Patienten logischerweise individuell eingehen.
Der große Irrtum
Weit verbreitet herrscht die Meinung vor, dass Stress eine Managerkrankheit ist, doch das ist keineswegs so wie wir erfahren.
„Es geht darum, was einem stresst. Das können Konflikte mit anderen Menschen oder Probleme mit Ehemann, Frau, Kindern, Kollegen oder Mitarbeitern sein“, erklärt Dr. Che.
Die ganze Sicht auf den Menschen und seinen Organismus
Wie schon erwähnt betrachten wir in der TCM den Menschen ganzheitlich und geben konkrete Tipps. Eventuell muss man einige Lebensgewohnheiten umstellen oder das Essen. Wer gesund leben möchte, der sollte sich mindestens drei Mal die Woche bewegen, wenigstens spazieren oder Radfahren.
Man sollte sich auch Zeit nehmen und das fängt schon beim Essen an. Oftmals schlingt man viel zu schnell oder gar ohne Kontrolle die Nahrung in sich ein. Das Kauen ist allerdings sehr wichtig für den Körper, denn durch das Einspeicheln beginnen die physischen Vorgänge im Organismus.“
Immer mehr private Kassen zahlen die Behandlungen
In den letzten Jahren beobachte ich, wie immer mehr Kassen die Kosten für die Behandlungen übernehmen wie beispielsweise einer Akupunktur. Besonders Privatkassen sind daran interessiert, denn oftmals können teure Operationen und die damit verbundenen Rehas und Verdienstausfälle vermieden werden. Dr. Che kommentiert „Ich habe schon Patienten gehabt, die zufällig an der Praxis vorbeigingen und nach einer TCM-Behandlung ihren Operationstermin nicht mehr wahrnehmen mussten. Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist TCM interessant, denn es kostet den Staat weniger, wenn man Operationen vermeiden könnte“, sagt Dr. Che zum Abschluss.
Scheinbar fällt es vielen „Westlern“ schwer, das alles zu verstehen und darauf zu vertrauen. Erst wenn über lange Zeit die Einnahme von Unmengen von Medikamenten zu keiner Lösung führen, ziehen wir es in Betracht.
• Vorschau für 15. Januar 2016
Das zweite große Thema, mit dem Dr. Che in seiner Praxis konfrontiert ist werden wir in unserer Ausgabe am 15. Januar vorstellen. Dann geht es um Gelenksschmerzen, Muskelentzündungen und rheumatische Probleme.
Kontakt
Facharzt für Akupunktur, TCM und Naturheilverfahren im C. C. Varadero, Local A189 (1. Stk.) in Meloneras de Maspalomas (Einkaufszentrum neben Casino). Tel.: 928 142 904.
Steckbrief
Der aus China stammende Arzt studierte Schulmedizin und Traditionelle Chinesische Medizin in China und absolvierte danach sein Facharztstudium für Akkupunktur an der Hochschule in Anhui (China). Seine Forschungs- und ärztliche Tätigkeit führte Dr. Che an die Medizinische Hochschule in Hannover, bis er im Jahr 1992 das sommerliche Gran Canaria für sich entdeckte. Die ersten sieben Jahre arbeitete Dr. Che in einer Privatklinik in Playa del Inglés, um schließlich im Jahr 1999 seine eigene Praxis in Meloneras, zu eröffnen.