Wenn wir uns die Destinationen der TouristInnen innerhalb von Gran Canaria vom Vorjahr ansehen, dann stellen wir fest, dass 67 Prozent die Gemeinde San Bartolomé wählten und keine fünf Prozent Las Palmas de Gran Canaria.
Dabei ist die Hauptstadt die Wiege des Tourismus, die allerdings in den letzten Jahren als trendige, urbane Location dank neuer Marketinginitiativen an Beliebtheit zunimmt, wie z. B. für den Städtetourismus, als Surf City, für Digital Nomads und auch aufgrund der Karnevalsfeiern. Wir würden Sie gerne auf eine kleine Zeitreise mitnehmen und zu den Anfängen.
Im Dreh- und Angelpunkt dreier Kontinente florierte der Schiffsverkehr von Waren und später auch von Passagieren. Bedingt durch den regen Handel mit England, kann man die Briten1) als Pioniere im Tourismus ansehen. Die frühe Phase reicht zurück auf Mitte des 19. Jhdts., wo Abenteuer und Wissenschaftler im Geiste der Romantik sich auf die Erkundung neuer, exotischer Welten und Kulturen begaben.
Briten als Pioniere Chic des Überwinterns
In den 1920-ern waren die Inseln eine beliebte Destination, um das heilende Klima ganzjährig zu genießen. In dieser Zeit entstand auch eines der ersten Kurbäder und zwar in der Nähe von Firgas, das Hotel Balneario de Azuaje mit 16 Zimmern aus dem Jahr 1868.
Es war chic zu überwintern, auch ohne Kurbad. Allerdings konnte sich einen Aufenthalt auf den entfernt liegenden ‚Inseln des ewigen Frühlings‘ nur eine gut betuchte Klientel leisten, vornehmlich Briten.2) Die stammte vorwiegend aus Großbritannien, wo später die Yeoward Schifffahrtslinie regelmäßig zwischen Liverpool und Gran Canaria verkehrte.
Klima und Kultur stand also im Fokus, der Reiz exotische Destinationen kennenzulernen und dabei das gewohnte ‚savoir vivre‘ nicht ganz aus den Augen zu lassen.
Die ersten gehobenen Hotels entstanden, wie beispielsweise im Jahr 1890 das Hotel Santa Catalina.4) Dieses warb in einer Londoner Tageszeitung zur Eröffnung ihr Haus als englisch geführte Unterkunft mit exzellenter Küche und Weinen sowie Lese-, Schreib-, Mal-, Billard- und Smoking-Rooms.
Der britischen Elite haben es die Kanaren nicht zuletzt zu verdanken, dass der erste Golfplatz Spaniens errichtet wurde sowie ein Tennisplatz und Cricket eingeführt wurde. Mit der Zunahme der ausländischen Gäste eröffneten neue Gewerbe ihre Tätigkeit, wie z. B. Banken, Post, Kleider-, Hut- und Schuhgeschäfte sowie Bars, internationale Restaurants und nicht zuletzt Fotostudios. Zum Glück, denn dadurch können wir einen Blick auf den damaligen Zeitgeist werfen.
Das Sonnenbaden war anfänglich nur Männern vorbehalten, denn für die Damen war es verpönt so viel Haut zu zeigen. Erst mit der Zeit entwickelten sich Schwimmkostüme, die allerdings den Körper ebenfalls mit reichlich Stoff verhüllten um peu à peu an Menge abnahmen.
In den 1920-er Jahren waren es um die 3.000 TouristInnen in der Hauptstadt, denen etwa 14 Hotels in Hafennähe zur Verfügung standen. Die Gäste zeigten auch Interesse für Land und Leute und so waren Tagesausflüge ebenso beliebt.
Der Besucherstrom wuchs sukzessive, doch eine Promenade zum Flanieren gab es nicht. Das sollte sich in den 1940-er Jahren ändern, als der renommierte kanarische Architekt Miguel Marín Fernández de la Torre mit der Planung beauftragt wurde und drei Jahre danach die Promenade in ihrer heutigen Form erschuf.
Vom Geheimtipp zum Massentourismus
In den 1960-er Jahren entdeckten weitere Nationen die Inseln für sich, allen voran die Schweden. Mit ihnen wurden die bis dato sehr strengen Kleidervorschriften an den Stränden ‚über Bord gekippt‘ und plötzlich waren Badegäste ‚top less‘ an der playa, was nicht zuletzt den bis dato ‚steifen Briten’ ein Dorn im Auge war.
Ein Glück, dass der Archipel so weit weg war vom spanischen Festland, denn Bikinis waren unter Androhung der Exkommunikation und drohenden Gefängnisstrafen während der Franco Diktatur verboten. Pedro Zaragoza wagte es schließlich Franco um Erlaubnis zu fragen, und 1963 wurde das Tragen von Bikinis von Franco genehmigt.
Der Tourismus dehnte sich schließlich in südliche Richtung aus, was in Ermangelung an einem ausgebauten Straßennetz und fehlender Infrastrukturen bis dato nicht möglich war.
Expansion gen Süden
Graf Alejandro del Castillo Bravo de Laguna3) legte den Grundstein dafür und mit der internationalen Ausschreibung war die Vermarktung von „Maspalomas Costa Canaria“ geboren. Gemeinsam mit schwedischen Investoren wurden die ersten Appartementanlagen auf einem 17 km langen, vom Grafen zur Verfügung gestellten Terrain, errichtet. Die erste „Nueva Suecia“ wurde im Jahr 1962 errichtet. Es folgte das Restaurant La Rotonda und der Komplex Los Caracoles, das erste Hotel Folías und später folgte eine schwedische Kirche, Schule etc.
1968 wurde der Golfplatz von Maspalomas an emblematischer Stelle vor den Dünen errichtet und ein Jahr danach folgte der erste Themenpark Spaniens, die Sioux City.
Die internationalen Flugverbindungen wurden ausgebaut und die Reiseindustrie nahm Fahrt auf. Heute zählen die Gemeinden San Bartolomé de Tirajana sowie Mogán zu den wichtigsten Tourismusenklaven des Landes.
Fotobeschreibungen
01: Strand von Las Canteras etwa um 1880
02: Britische TouristInnen, 1890
03: Hotel Santa Catalina gegen Ende des 19. Jhdts.
04: Werbung Hotel Santa Catalina in einer Londoner Zeitung für die Saison 1889/1890
05: TouristInnen in den 1920-ern
06: Bau Las Canteras Promenade in den 1940-ern
07: Parque Santa Catalina in den 1950-ern
08: Calle Triana in den 1960-ern
09: TouristInnen in den 1960-ern
10: Strand von Maspalomas in den 1970-ern
11. Kurgäste im Kurhotel Balneario de Azuaje aus dem Jahr 1868
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Verweise (siehe www.viva-canarias.es)
1)Viva Canarias Nr. 173 vom 27.2.2021 „500 Jahre Briten & Kanaren: Der Einfluss der Briten auf den Kanaren“
2)Viva Canarias Nr. 55 „Las Canteras, wo der Tourismus begann“
3)Viva Canarias Nr. 136 „Grafschaf(f)t: 500 Jahre Wirken auf Gran Canaria“
4)Viva Canarias Nr. 157 vom 29.10.2019 „Hotels mit Geschichte - Hotel Santa Catalina, A Royal Hideaway“