Ausgabe Nr.
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J M upload 03.06.2016, Viva Edition 100 | Print article

Um den Liebesapfel geht es im Tomatenmuseum (Museo de la Zafra)

Mit der Entdeckung der Neuen Welt kamen auch allerlei neue Gewürze, Obst und Gemüse nach „Good Old Europe“. Die Tomate ist eine davon, die nach Startschwierigkeiten schließlich auch die Herzen der Europäer eroberte. Etwa um 1840 führte ein italienisches Kochbuch die Tomatensoße als ideale Zugabe zu Pasta Gerichten an und der Siegeszug war nicht mehr aufzuhalten. Heute ist sie von unseren Tischen nicht mehr wegzudenken und vielseitig einsetzbar, als Sugo, als getrocknete Tomaten, als Antipasti, wie sie die Italiener lieben. Nur in Deutschland mussten sie bis ins 19. Jahrhundert warten, bis sie als Gemüse quasi gesellschaftsfähig war.

Siegeszug des Liebesapfels

Die Tomate wurde sogar lange verdächtigt einen gefährlichen Liebeswahn auszulösen, wie z.B. die Namensgebung in England, Frankreich und Österreich beweist, wie z. B. Liebesapfel, Pomme d'Amour. Daher war der Verzehr dieser Früchte den jungen anständigen Mädchen ausdrücklich verboten.

Tatsächlich beinhalten reife Tomaten das Glückshormon Serotonin, aber auch Tyramin, welches die Stimmung aufhellt und schlechte Laune vertreibt.

Jetzt fast 500 Jahre nach ihrem 'Debüt' in Europa gehört diese südamerikanische Pflanze zu den beliebtesten Gemüsearten, wenngleich durch intensive Forschungen und spezielle Züchtungen für die Optimierung der Produktionsausbeute und der Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Tomaten für den Handel und Transport der Geschmack oft verloren gegangen ist. Supermarkttauglich, optisch einwandfrei und preislich unschlagbar, der Geschmack wurde zur Nebensache erklärt. 

Gut, dass die Tomaten jetzt auch hier wieder mehr im Freiland angebaut werden, damit der Goldapfel in den nächsten 500 Jahren wieder schmackhafter wird.

Die Säule der Wirtschaft: Tomatenanbau auf den Kanaren

Der Tomatenanbau war sehr lange Zeit eine der wichtigsten Säulen der hiesigen Landwirtschaft. Das ganzjährig milde Klima begünstigte das schnelle Wachstum der Tomaten. Man konnte praktisch das ganze Jahr über anbauen. Mit dem Bau der Stauseen Ayagaures und Soría, hatte man genügend Wasser und konnte die Tomatenproduktion weiter vorantreiben. Diese sorgte in Folge für eine große Einwanderungswelle von Erntearbeitern aus anderen Inseln. Im Jahr 1995/1996 waren auf den Kanaren 40.000 Menschen im Tomatenanbau beschäftigt.

Heute ist die Tomatenproduktion auf den Kanaren aufgrund der EU Importe aus Billiglohnländern eklatant zurückgegangen - siehe Kasten unten1). Leider ist dabei oftmals der Geschmack zugunsten von Optik und Haltbarkeit verloren gegangen, so wie auch bei vielen anderen Lebensmitteln. Unter künstlichem Licht gewachsene und gezüchtete Tomaten ‚schmecken‘ eben anders.

Das Tomatenmuseum in Vecindario "museo de la zafra“

Man muss das Tomatenmuseum einmal besucht haben und entgegen des Namens, ist es alles andere als langweilig. Es liegt etwa fünfzehn Minuten von Maspalomas entfernt und zwar in der Nähe des Einkaufszentrums Atlántico. Fährt man rechts daran vorbei und man erreicht beim dritten Kreisel schon das Schild mit der Aufschrift „Museo La Zafra“.

Das Gebäude liegt in einem kleinen Industriegebiet. In einer Fabrikshalle wurde auf 4.000 Quadratmetern in zwölf Sälen die Tomatenproduktion aufgearbeitet. Großflächige beleuchtete Schautafeln zeigen gute und interessante Erläuterungen in zwei Sprachen (spanisch und englisch).

Verpackungskisten, Geräte, ein alter LKW und ein Moped sowie nachgebaute Quartiere der Arbeiter anno dazumal. Nur wenige Quadratmeter standen zur Verfügung, das gerade mal ein Bett reinpasste und eine Kochgelegenheit (siehe Foto). Dabei war das schon die Luxusvariante. Die Gegend um Maspalomas war lange Zeit ebenfalls eine Hochburg des Tomatenanbaus, wie die Überbleibsel der einstigen Begrenzungssteinmauern aufzeigen (z. B. Landstraße südlich von Pasito Blanco in Richtung Arguineguín).

Harte Arbeit, auch für Kinder

Morgens schufteten die Arbeiter auf dem Acker. Die Feldarbeit war sehr hart und zermürbend. Die Pflänzen bedürfen viel Pflege und ständig müssen sie zurückgeschnitten und hochgebunden werden. Dazu fertigte man Gestelle an, meist aus Schilf. Bis in die späten Nachtstunden arbeiteten sie dann auch noch in den Lagerhallen, wo sortiert, gewaschen und verpackt wurde. Zupacken musste die ganze Familie. Sogar Kinderarbeit war keine Seltenheit, obwohl es formal verboten war.Sie lebten lange Zeit unter menschenunwürdigen Zuständen und Behausungen - man kann es durchaus als feudalistisch bezeichnen.

Bei einem Besuch von Bischof Antonio Pildain war dieser von diesem elenden Bild derart geschockt, dass er daraufhin durchsetzte, dass die Eigentümer den Arbeitern Unterkünfte mit Fenstern und Waschmöglichkeit zur Verfügung stellten. Der Geistliche forderte zudem, dass gewisse Arbeitsrechte eingehalten wurden.

Erst später wurden Arbeitszeiten geregelt (Diese lauteten damals von 8.00 bis 14.00 Uhr und von 16.00 bis 20.00 Uhr. Allerdings: Zur Erntesaison musste man häufig nach dem Abendessen nochmals aufs Feld raus).

Neben den eingangs erwähnten langen Arbeitszeiten kam noch die Hitze und die gleißenden Sonnenstrahlen dazu. Daher war eine Kopfbedeckung obligat. Hut, Kopftuch oder beides. Man schützte auch die Handoberflächen wie Sie bei den traditionellen Arbeitsgewändern auf dem Foto erkennen können.

Kontakt:

Im Tomatenmuseum wird auf 4.000 Quadratmetern auf sehr interessante und anschauliche Weise alles rund um den Tomatenanbau erläutert (in spanisch und englisch). Zu sehen sind u. a. landwirtschaftliche Geräte, Verpackungskisten, alte Transporter und Mopeds, nachgebaute Quartiere der Arbeiter, Schautafeln zum Export, Anbaumethoden etc.
Adresse: Museo de la Zafra, c/Isla de la Graciosa 33

(Autobahn GC 1 nördlich, Abfahrt C. C. Atlántico nehmen und die erste Ausfahrt rechts auf die Avda. und am dritten Kreisel links hoch, ein Hinweisschild ist vorhanden)

Geöffnet: Di. bis Fr. von 9.30 bis 14.30 Uhr. 
Tel.: 928 759 706
Email: museozafra@santaluciag.com