Hätten wir wirklich normale Zeiten, dann würden wir im Monat August in den Genuss von vielen Volksfesten kommen. Sie sind die Seele der Kanarier und bringen uns auf wunderbare Weise ihren Brauchtum und ihre Kultur näher. Mit jeder Menge Musik, Tanz und gutem Essen bei den festlichen Umzügen, den sogenannten Romerías, ist es schier unmöglich, sich nicht von der guten Laune anstecken zu lassen. Allerdings weckt das Wort Ansteckung spätestens seit 2020 eine unschöne Assoziation und ist dafür verantwortlich, dass wir auch in diesem Jahr an keiner der Fiestas teilnehmen können. Diese sind nämlich immer noch nicht erlaubt und höchstens Fragmente der Feierlichkeiten, wie beispielsweise kirchliche Messen, sind im Programm verblieben und damit einhergehend auch einige Feiertage im regionalen Kalender. Falls Sie im nächsten Jahr zu dieser Zeit wieder auf Gran Canaria weilen, können Sie sich u. a. auf folgende Volksfeste freuen.
Virgen de las Nieves - „Liebe Frau vom Schnee“
Jedes Jahr am 5. August wird das Bildnis der „Virgen de las nieves“ in einem Festzug von der Kapelle am Hafen bis zur Kirche Matriz in die Stadt Agaete getragen. Die „Liebe Frau vom Schnee“ Jungfrau vom Schnee erschien angeblich gleich mehrmals und zwar auf mehreren Inseln, wie beispielsweise auf La Palma, wo sich die älteste Skulptur befindet. Dort ehrt man sie als Schutzheilige der Insel, da sie 1676 die schöne Insel vor einer schrecklichen Hungerkatastrophe aufgrund der langen Trockenzeit gerettet haben soll. Ihr wird alle fünf Jahre eine große „Bajada“ gewidmet, die im Vorjahr allerdings ausgefallen ist. Auf Lanzarote soll die Jungfrau die Insulaner im 17. Jhdt. nach einem Vulkanausbruch gerettet haben, indem ein Schneefall der fließenden Lava Einhalt gebot.
Das Highlight, das normalerweise tausende Besucher von der ganzen Insel anlockt, ist die „Bajada de la Rama“, bei der die Menschen Pinienzweige vom Tamadaba Gebirge holen, diese zur Weihe in die Kirche von Agaete tragen und danach im Hafen Puerto de las Nieves an einstige Regenrituale der Altkanarier erinnern - allerdings in Feier- und Partylaune.
Rochusfest in der Wasserstadt Firgas
Firgas ist die kleinste Gemeinde auf Gran Canaria, dafür überbordend, was den Wasserreichtum betrifft. Mehr als zwei Drittel des Gemeindegebiets ist als Naturpark deklariert, wie z. B. der Parque Natural de Doramas. Die pittoreske ‚Wasserstraße‘ in der Altstadt der gleichnamigen Hauptstadt ist ein sehr beliebtes Fotomotiv und hat Firgas zu Berühmtheit verholfen.
Mitte August zelebrieren die BewohnerInnen von Firgas die Fiesta zu Ehren ihres Schutzpatrons Rochus. Ein eigentümlicher Brauch ist im Rahmen der Feierlichkeiten die „Traída del Palo“, dessen Ursprung über 250 Jahre zurückreicht. Ein knapp zehn Meter langer Holzstamm wird von jungen Männern in einem feierlichen Festzug und begleitet von jubelnden Zaungästen und Blasmusik zur Plaza de San Roque getragen und dort aufgestellt, wo die Fahne des San Roque gehisst wird. Wagemutig versuchen diese zu erklimmen und am Stamm so hoch wie möglich einen Kuss zu platzieren.
Bartholomäusfeste
Der Hl. Bartholomäus ist Namens- und Schutzpatron von gleich zwei Gemeinden, je eine auf Gran Canaria und eine auf Lanzarote. Sein Ehrentag ist der 24. August und daher ein regionaler Feiertag. Der doppelte Märtyrer San Bartolomé war der Legende nach ein Jünger Jesu, der im 1. Jhdt. in Galiläa lebte und einen grausamen Tod erleiden musste. Ihm wurde bei lebendigem Leib die Haut abgezogen und anschließend wurde er kopfunter gekreuzigt. Daher wird der Heilige zumeist mit einem Messer in der Hand dargestellt.
Höhlen & Miradores in Artenara
Dem Himmel so nah fühlt man sich im beschaulichen Artenara, dem höchstgelegenen Bergdorf auf Gran Canaria. Besucher können sich an einem der vielen Aussichtspunkte1) an der Schönheit der Umgebung oder dem ‚versteinerten Gewitter‘, wie der Philosoph Unamuno die dramatisch anmutenden Bergkämme beschrieb, erfreuen. Durch die abgeschiedene Lage blieb es vom Massentourismus verschont. Artenara ist zudem wegen seiner Höhlenwohnungen bekannt, die vielerorts nach wie vor bewohnt sind und das Höhlenmuseum2) versucht das Leben in den „casas cuevitas“ anno dazumal zu veranschaulichen.
Seit 1912 wird Ende August das wichtigste Volksfest zu Ehren der Höhlenjungfrau zelebriert. Die Virgen de la cuevita ist Schutzpatronin der Gemeinde, der Folkloregruppen sowie der Radsportler. Sie gilt als Vermittlerin zwischen Himmel und Erde. Die Heiligenfigur befindet sich in einer kleinen aus Tuff-Gestein geschlagenen Höhle bzw. Kapelle, die sich etwa 500 Meter vom historischen Ortskern entfernt befindet. Sie wurde vermutlich Ende des 18. Jhdts. erschaffen. Sie zeigt die Jungfrau mit dem Jesuskind in ihrem linken Arm. Der Beichtstuhl, der Altar, das Taufbecken sowie die Empore der ca. 80 cm hohen, aus Holz gefertigten Heiligenfigur sind ebenfalls aus Stein.
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1)Viva Canarias Nr. 142 vom 1.9.2018 „Artenara: Im höchsten Bergdorf auf Gran Canaria“
2)Viva Canarias Nr. 142 vom 1.9.2018 „Höhlenmuseum Artenara (QR-Code re. Seite)