Das Streben nach Freiheit und die Liebe zur Natur bekam nach Wiedererlangung der Bewegungsfreiheit nach Covid-19 einen noch größeren Stellenwert, nicht nur in meinem Leben. Die Freizeitgestaltung obliegt nach wie vor einer Vielzahl an Einschränkungen, denken wir nur an die unzähligen Verhaltensrichtlinien an den Stränden oder an die lästige Maskenpflicht in praktisch jedem öffentlichen Platz. Bewegung an der frischen Luft und die Schönheit der Natur verinnerlichen, die uns Gran Canaria in so vielen Facetten zu bieten hat. ‚Grün tanken‘ in neuen, unbekannten Gegenden und dafür habe ich wieder Profi Sofie Hendrikx gebucht und einige wanderwillige Freundinnen haben sich, sehr zu meiner Freude, wieder angeschlossen.
Auf den Spuren des Wassers
Das im Süden der Insel so spärlich vorhandene Wasser manifestiert seine Abwesenheit durch ausgetrocknete Flußläufe, staubtrockene, karge Landstriche und fast fehlender Vegetation.
Im Norden der Insel bietet sich noch heute ein gänzlich anderes Bild als im trockenen Süden. Nach unserer Tour in den ´Dschungel´ von Los Tilos de Moya begeben wir uns dieses Mal auf die Spuren des Wassers.
Einst, bevor die Eroberung der Insel als abgeschlossen erklärt wurde, was formal am 29. April 1483 von Ihren Majestäten geschah, war Gran Canaria vielerorts eine bewaldete Insel mit Quellen und Flüssen. Wasser ist das wertvollste Gut und die Altkanarier versuchten dieses für ihre Landwirtschaft in Kanäle zu dirigieren, gar nicht so untalentiert. Dann, mit der Unterwerfung, wurden die eifrigsten Okkupanten mit Ländereien belohnt und je wasserreicher diese waren, desto wertvoller waren diese naturgemäß. Allerdings bedeutete u. U. ein Grundstück zu besitzen nicht, dass man auch über die Wasserrechte verfügte. Ein noch wertvolleres Gut, auch heute. Schon bald begannen die spanischen Siedler mit ihren erbarmungslosen Rodungen und legten Felder an. Durch die darauf einsetzenden Erosionen verödeten ganze Landstriche.
Im Norden zeugen einige Zonen noch von der einstigen Üppigkeit der Vegetation und Firgas, von den Altkanariern Afugard, also „hoher Ort an der Wegkreuzung“ bezeichnet.
Unsere geplante Tour nahm mehrere ungeahnte Wendungen und diese begannen bereits an unserem Treffpunkt in Firgas. Die Wasserkaskaden beginnen erst ab 10.00 Uhr zu laufen und so änderten wir unseren Plan um - das erste Mal an diesem Tag.
Wir fuhren einige Kilometer weiter, um zum Barranco de Azuaje zu gelangen. Eine wunderbare Gegend, doch auch hier schlug uns unverhofft die Gegenwart ein Schnippchen. Obwohl unser Guide noch am Tag zuvor die Begehbarkeit der Route in der Gemeinde verifiziert hatte, war die Straße aufgrund von Bauarbeiten plötzlich gesperrt.
Das Tal der Jungfrau
Ganz nach dem Credo „Die einzige Konstante ist die Veränderung“ besprachen wir eine weitere Alternative, die uns mit ihrer absoluten Schönheit verzaubern sollte. Aufgeregt fuhren wir in Richtung des Barranco de la Virgen, wo wir unser Auto parkten und uns für diese malerische Strecke abmarschbereit machten - nicht ohne Nasen-Mundschutz. Es ist herausfordernd ständig darauf zu achten, den Sicherheitsabstand nicht zu unterschreiten und ggfs. sofort die Maske aufzusetzen. Zumindest ist es in der freien Natur schwieriger, sich anzustecken.
Umgeben von Kiefern, die normalerweise nicht auf dieser Höhe wachsen, gesellten sich Lorbeer- und Eukalyptusbäume und eine Unmenge an Farnen dazu. Grün in allen Farbnuancen und ein Trampelweg führt mitten durch.
Die Eucalyptusbäume sind ein optisches Highlight mit ihren majestätischen Höhen und den markanten baun/beige gefleckten Baumstämmen. Sie wachsen in der Art, dass sie sich um ihre eigene Achse drehen, ungewöhnlich. Sie wurden vor über hundert Jahren auf Gran Canaria gepflanzt und hätten im Rahmen der ersten zarten Wiederaufforstungen die Erosionen lindern sollen, doch war damals nicht klar, dass sie höchst dominant alles an Mineralien und Wasser aus dem Boden ziehen und so die heimische Vegetation verdräng(t)en.
Zurück zu unserer Tour: Leider hatten wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn dieses Mal war es die Wassergenossenschaft, die aufgrund jüngsten Vandalismus und Umweltsünden den Zutritt bis auf Weiteres untersagt hatte. Sofie, unser Guide, war zutiefst bestürzt, während wir „Hobbywanderer“ das alles locker sahen und die bisherigen Eindrücke und Ausblicke schon genossen hatten und dieses Mal lautete unser Motto: „Alle guten Dinge sind drei“.
Aller guten Dinge sind drei, der nächste Versuch
Die Sonne bestritt ihren Weg beharrlich in Richtung Zenith und wir fanden doch noch eine nahegelegene dritte Alternative. Die Lagune von Valleseco, ein Landschaftspark eingebettet in den Naturpark Doramas, der gerne von Familien frequentiert wird, mit Grillplätzen und Sitzgelegenheiten unter majestätischen Kastanienbäumen. Wer tatsächlich grillen möchte, der muss sich anmelden und für einen Obolus von 1,50 Euro wird sogar Holz zur Verfügung gestellt. Im Sommer ist allerdings offenes Feuer aufgrund der Brandgefahr untersagt.
Die Lagune in der Mitte des Parks ist von dichten Sträuchern und Bäumen und einer Pferderennbahn umgeben. Das Wasser ist durch die lange Trockenzeit stark zurückgegangen und daher wirkt die La Laguna de Valleseco im Moment eher wie ein größerer Teich, doch den Wasservögeln scheint das ihrem Badevergnügen keinen Abbruch zu leisten. Munter schweben sie auf der Wasseroberfläche im Konvoy mit ihren Küken quer durch die Lagune und erkunden neugierig die Welt. Inzwischen wurde ein Maschendrahtzaun angebracht, der sie schützen soll bzw. ungebetene Störenfriede namens Menschen fern halten soll. Regelmäßig finden sich mäßig finden sich andere Vögel ein, die ihren Durst stillen möchten… ein entzückender Park, den man auch in Begleitung seines Vierbeiners besuchen darf. (Geöffnet: Täglich von 10.30 bis 18.30 Uhr).
Neu: Rundweg an der La Laguna de Valleseco
Inzwischen ist es Mittag und wir beschließen uns, nach all der „mühsamen Anstrengungen“ zu stärken und genießen unseren mitgebrachten Proviant, jeder nach seinem Gusto. In der Natur schmeckt es noch besser. Aber unser Hunger nach Wandern ist noch nicht erloschen und wir beratschlagen ein weiteres gemeinsames Risiko einzugehen. Gegenüber des Parkeingangs startet eine Rundtour entlang eines Wasserkanals. Den ist unsere Reiseführerin selbst noch nicht gegangen und mutig, wie wir sind, beschließen wir es gemeinsam zu wagen. Was soll schon passieren? Unsere Flexibilität haben wir an diesem Tag mehrmals unter Beweis gestellt und sind nun doch wieder gespannt was auf uns zukommen wird.
Schon nach wenigen Schritten entlang dieses Wasserkanals gelangten wir an einen Lorbeerwald, der dankenswerter Weise die inzwischen hohen Temperaturen zu dieser, zugegebenermaßen ungeeigneten Wanderzeit, ein wenig mildert. Eine Flanke gibt den Blick auf die umliegende Gegend frei, der von dieser Höhe zauberhaft ist. Hier wirkt Teror wie ein Miniaturbaukasten (siehe Foto o.), eingebettet zwischen sanften Hügeln, die am Horizont von einem Wolkenband gestreichelt werden. Es ist ein guter Grund, um Innezuhalten und den Augenblick zu genießen.
Nach links oder nach rechts?
An einer Gabelung kommt eine Grundsatzentscheidung auf uns zu. Nach rechts in Richtung Pico de Osorio und von dort wieder nach Valleseco. Diese Route ist länger und erfordert ein gewisses Maß an Fitness.
Wir wählen als ungeübte Wanderer mit mehr oder weniger körperlichen Beschwerden unisono links. Ein kurzes und steileres Stück durch den Wald und stützen, schieben, motivieren und helfen uns gegenseitig durch einige wenige schwierige Passagen. An der Lichtung angekommen schlendern wir durch hüfthohes Gras und Stauden, die es erschweren den Trampelweg ausfindig zu machen. Bienen und Schmetterlinge tummeln sich von Blüte zu Blüte und zusätzlich wird die Szenerie noch mit glockenklarem Vogelgezwitscher untermalt. Pittoresk. Wir schlendern gemütlich bis zum letzten Teilstück, das entlang des Wäldchens auf einer asphaltierten Straße am Ausgangspunkt endet. ‚In der Kürze liegt die Würze’ könnte man diese etwa einstündige Wanderung bezeichnen. Am Ende eines Ausflugs ist man vollgetankt mit positiver Energie und auch mit Stolz, die Tour gemeistert zu haben, wenngleich letzteres Gefühl in Anbetracht der ‚Länge‘ nicht angebracht zu sein scheint. Wir sind es aufgrund unseres ‚Fitnesszustands‘ trotzdem.
Fazit
Diese etwa einstündige Wanderung „links“ an der Gabelung lässt sich ideal mit einem anschließenden Picknick an der La Laguna de Valleseco kombinieren. Grundsätzlich ist diese Tour sehr leicht zu begehen, mit Ausnahme eines kurzen steileren Teilstücks durch den Wald. Sehr empfehlenswert.
Wer mehr Zeit mitnimmt, kann an der beschriebenen Gabelung den Weg nach rechts abbiegen und dann über Pico de Osorio1) wieder zurück zur Laguna gelangen. Viel Spaß!