Traurig, aber wahr. Der Plastikmüll ist längst mehr als ein Schwellenländer betreffendes Problem. In unseren Gedanken von traumhafen Sandstränden ist der Müll nicht zu finden und doch ist er da. Touristenhochburgen investieren Unsummen, um die Strände zu reinigen. Wenn sie das nicht tun würden, dann sähe es ganz anders aus. Dabei ist das Müllproblem viel größer, als es unsere Vorstellungskraft ausmalen könnte. Doch es ist da draußen, auf dem offenen Meer und vergrößert sich von Jahr zu Jahr. Wir wollen lieber nicht sehen, was die Fischereiindustrie längst tagtäglich vor Augen hat. Und schon gar nicht wollen wir uns vorstellen, Fischgerichte zu essen, deren Innereien voller Plastik sind.
Das Problem wird immer größer
Massenhaftes Tiersterben hat längst eingesetzt und , sei es durch die Aufnahme von Plastik als vermeintliche Nahrung oder durch die treibenden ‚Geisternetze‘, die bedrohliche Fallen darstellen. Man schätzt den jährlichen Schaden auf 13 Milliarden Euro (Quelle: WWF). Kosten für die Reinigungen der Strände oder Schiffsschäden, die durch treibende Netze, die sich in Schrauben verfangen, entstehen. Jedes Jahr werden 311 Millionen Tonnen Plastik produziert, Tendenz stark steigend. Man schätzt, dass zehn Prozent davon jährlich im Meer landen und sich das Umweltproblem potenziert. Wie z. B. bei Kaffee „To Go“ Produkten. Zudem lässt die Marketingmaschinerie immer aufwändigere Verpackungen produzieren, um die Waren an den Mann zu bringen. Inzwischen gibt es sogar Obst und Gemüse einzeln verpackt im Regal. In 30 Jahren könnte mehr Plastik im Meer treiben als Fische schwimmen! Jedes Jahr werden die Weltmeere schätzungsweise mit 7 bis 10 Millionen Tonnen Plastikmüll kontaminiert.1) Das entspricht etwa 800 Mal dem Gewicht des Eifelturms. WWF schätzt, dass bereits in jedem Quadratkilometer auf dem Meer 46.000 Teile Plastikmüll treiben.
Derzeit treiben fünf gigantisch große Müllberge auf den Ozeanen. Der Größte von ihnen befindet sich zwischen Hawaii und Kalifornien (sog. Pacific Garbage Patch). Seine Fläche umfasst etwa 1,6 Millionen Quadratkilometer was in etwa drei Mal der Größe von Frankreich entspricht.
Die Auswirkungen dieser immer größer werdenden Plastikmüll-Umweltkatastrophe sind drastisch. Sie gefährden Meeresbewohner, vergiften unser Essen und bedrohen somit letztendlich auch uns Menschen! Diese kleinsten Teilchen gelangen durch den Nahrungskreislauf über den Verzehr von Fischen auch in den Organismus des Menschen! Durch die Sonneneinstrahlung und durch die Rotationen bedingt durch die Meeresströmungen wird Plastik poröse und wird zerkleinert - es verwandelt sich sozusagen im Laufe der Zeit in sekundäres Mikroplastik.
Woher kommt der Müll in den Ozeanen?
20 Prozent des Mülls in den Meeren stammt von Schiffen und der Rest gelangt vom Land aus in die Ozeane (z. B. Zuflüsse).
• Die Fischwirtschaft ist ein großer Müllverursacher! Netze und andere Gerätschaften gehen verloren (z. B. Geisternetze, in denen sich die Tiere verfangen) oder werden sogar bewußt im Meer entsorgt!
• Viele Schiffe entsorgen ihren Müll im Meer (ca. 20 Prozent des Aufkommens), obwohl die Entsorgung weltweit verboten ist. Keine Kontrollen, ungenügende Konsequenzen, fehlende internationale Maßnahmen! Schiffe verlieren zudem regelmäßig ihre Ladungen oder Container.
• Viele Plastikpartikel stammen aus unseren Waschmaschinen, denn Textilien aus Kunstfaser und Fleece verlieren bei jedem Waschgang ca. 2.000 Fasern. Diese sind so winzig, dass sie weder im Sieb der Waschmaschine, noch in der Kläranlage hängen bleiben und so direkt ins Meer gelangen.
• Kosmetikprodukte: Die meisten enthalten kleine Plastikkügelchen, um den Reinigungseffekt zu verstärken und gelangen über unser Abwasser ins Meer (Peeling, Zahncreme, Duschgel, Reiniger für Kontaktlinsen etc.
• Sehr viel Müll gelangt direkt vom Land oder über Flüsse ins Meer, besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern. In Europa sind es vorwiegend die touristisch erschlossenen Strände, wo Müll liegen gelassen oder gleich im Wasser entsorgt wird.
Das „Ocean Clean-Up Projekt“ - eine Chance?
Während viele Politiker das Problem noch negieren oder ihm nicht die nötige Aufmerksamkeit bzw. Priorität zukommen lassen (analog dem ‚nicht existierenden Klimawandel‘), gibt es immer mehr private Initiativen oder Nicht-staatliche Projekte, die sich mit dem Müllproblem auseinandersetzen.
Boyan Slat ‚der junge Retter‘
Da staunte die Welt nicht schlecht, als ein junger Student namens Boyan Slat 2012, mit gerade mal 18 Jahren, mit seiner bahnbrechenden Idee die Weltmeere vom Plastikmüll mit der ersten ‚Plastik-Reinigungsmaschine‘ säubern wollte. Jeder sagte ihm damals, dass es nicht möglich sei, doch er glaubte an sich und seine Vision. Und genau sein Projekt wurde drei Jahre danach von The New York Times zum Projekt des Jahres 2015 erklärt.
Was ist das Besondere an seiner Idee? Der Niederländer studierte Luft- und Raumfahrttechnik und hat eine Schar an klugen Köpfen für sein Projekt um sich scharen und zudem für sein „The Ocean Cleanup Project“3) 30 Millionen Euro Geldmittel stellen können. Unter den monetär gut betuchten Sponsoren befinden sich Visionäre, wie z. B. Pay Pal Gründer Peter Thiel.
„Die Grundidee lag darin, dem Müllberg nicht hinterherzufahren, sondern es zu uns kommen zu lassen“ beschreibt Slat seine Gedanken von vor vier Jahren und führt aus: „Das spart Zeit, Energie und Kosten. Lassen wir den Ozean sich selbst reinigen, indem wir die natürlichen Strömungen nutzen, die das Plastik zu uns treiben. Dazu soll ein Netzwerk aus extrem langen schwimmenden Filtern, welches das Plastik zuerst einsammelt, es extrahiert, filtert und an Bord lagert, wo es anschließend für die Verwertung an Land verschifft wird. Anstelle von Netzten dient ein geschlossenes Filtersystem.“
Die Meilensteine
Eine Problematik bestand darin, dass dieses Projekt so neuartig war und man auf keinerlei Erfahrungswerte zurückgreifen konnte. „Man muss die Maschine bauen, testen, analysieren, verbessern und diesen Kreislauf wiederholen, bis man die richtige Lösung gefunden hat. Um ein Problem lösen zu können, muss man es genau verstehen“ sagt Slat. Mit diesem Fokus startete 2015 die größte Forschungsexpedition der Geschichte, um das tatsächliche Ausmaß des Müllgiganten „The Pacific Garbage Patch“ zwischen Hawaii und Kalifornien zu bestimmen. In der größten je dagewesenen Aufklärungsfahrt fuhren 30 Schiffe simultan und parallel über den Müllberg, um Daten der etwa 3,5 Millionen Quadratkilometer großen Fläche zu sammeln und in einer hoch aufgelösten Karte darzustellen. Dies war erforderlich, um die konkreten weiteren Schritte planen zu können.
Problem größer als ursprünglich angenommen
Die Tiefe der Müllberge reichte nur wenige Meter unter die Wasseroberfläche und das meiste Plastik besteht aus ziemlich großen Stücken. Nur etwa acht Prozent entsprachen dem Mikroplastik. Anhand der gefundenen und analysierten Teile wurde auch klar, was im Meer landet, das bleibt dort für viele Jahre und verschwindet nicht von selbst.
Gleichzeitig erkannte man allerdings, dass das Volumen mit 80.000 Tonnen Gewicht um das Vielfache größer war als ursprünglich angenommen. Man schätzte, dass man etwa zehn Jahre benötigen wird um etwa 42 % dieses einen Müllgiganten zu beseitigen. Das bedeutet, dass technologische Anpassungen vom ursprünglich geplanten Design erforderlich waren.
Die zweite Expedition
Im selben Jahr startete ein Monat danach eine weitere Expedition per Luft. Mit spezieller Infrarottechnologie ausgestattete Flugzeuge überflogen und vermaßen den Müllberg zweimal, um das tatsächliche Ausmaß von der Luft aus zu bestimmen. Ein besonderer Fokus lag darauf zu erfahren, wie tief der Plastikmüll in die Ozeane reichte. Das Plastik wurde getrennt, bis auf die einzelnen Komponenten analysiert und die Daten gesammelt, um zu verstehen woher es kommt und was es ist. Durch die Rotationsbewegungen des Wassers und die Sonneneinstrahlungen zerbröckelt Plastik in immer kleinere Teile. Manche waren so klein, dass man sie mit bloßem Auge kaum erkennen konnte. Dieses sogenannte Mikroplastik macht etwa 8 Prozent des Volumens aus und genau dieses landet in den Mägen der Meereslebewesen.
Im August 2016 wurde schließlich der Prototyp dieser Müllbeseitigung in der Nordsee getestet. Das größte Hindernis bestand darin, die Maschinen an die Plastikberge zu heften, was ein Umdenken im Lösungsansatz hervorrief. Das Kernprinzip von Ocean Cleanup lag von Anfang an darin, mit der Natur zu arbeiten.
Wieso also nicht die natürlichen Ozeanströmungen zum eigenen Vorteil nutzen?
Ein neuer Ansatz
Das Team um Slat ging einem neuen Ansatz nach und betrachtete die Beziehung zwischen der Strömungsgeschwindigkeit und der Meerestiefe. Die Untersuchungen ergaben, dass die durchschnittliche Strömung mit ca. 17 Zentimetern pro Sekunde an der Meeresoberfläche relativ schnell ist und sich mit zunehmender Tiefe verlangsamt. Diese Erkenntnis führte zu einem weiteren Durchbruch im Design des Systems. Anstelle dieses am Meeresgrund, der bis zu 4,5 Kilometer tief sein kann, zu fixieren könne man es im Meer durch treibende Anker fest machen. Das Säuberungssystem wäre nicht auf eine Richtung fixiert und flexibel, um sich frei zu drehen und zu orientieren. Es würde sich genau dorthin bewegen, woher das Plastik kommt - grob formuliert ähnlich wie eine Kehrschaufel funktioniert.
Das System besteht aus einem Anker, zwei Barrieren, einem zentralen passiven Sammelpunkt. Durch diese vereinfachte Installation und der höheren Effizienz werden die Produktionskosten erheblich gesenkt. „Die Eleganz des Projekts liegt in seiner Einfachheit“, formuliert es Slat. Anstelle eines überdimensionalen massiven Systems wird eine Flotte von vielen kleineren Systemen auf den Ozeanen verteilt eingesetzt. Das geniale dabei ist, dass die Reinigungssysteme automatisch dorthin driften, wohin das Plastik strömt, weil sie den selben Kräften folgen. Durch die Modularität kann man das System leichter finanzieren und graduell erweitern, um die Meere von Plastik zu befreien. Die Implementierung des ersten funktionierenden Meeresreinigungssystems war für Ende 2020 geplant. Durch die dramatische Veränderung des technischen Designs verkündete Slat im Mai 2017, dass noch bis Sommer 2018 das erste voll funktionsfähige „Ocean Clean Up Systems“ installiert wird und fünfzig Prozent des größten Müllbergs, dem Pacific Garbage Patch, in fünf Jahren beseitigt sein wird.
Was können WIR tun?
Wir können als Konsumenten auch unseren Beitrag leisten:
- Müll trennen und korrekt entsorgen!
- Vermeiden Sie Einwegprodukte aus Plastik, wie z. B. Tragetaschen, Einweggeschirr etc. Kaufen Sie keine einzeln verpackten Lebensmittel.
- Achten Sie auf die Inhaltsstoffe bei Kosmetik und Körperpflegeprodukten (Vermeiden Sie Produkte mit künstlichen Polymeren (Polyethylen PE, Polypropylen PP oder Nylon)
- Schmeißen Sie keinen Müll achtlos weg, weder am Strand noch ins Meer!
Jobs der Zukunft
The Ocean Clean-Up hat seine Zentrale in den Niederlanden und sucht laufend Experten für das Team, wie z. B. Techniker, Forscher, Studenten etc. Auch Ratschläge von Wissenschaftlern sind willkommen.
Mehr Infos: theoceancleanup.com
Siehe auch Boyan Slat und sein The Ocean Clean-Up Projekt (II) - The Interceptor
Fotos:
01: Verschmutzter Strand
02: Saubere Strände vor Meloneras
03: Plastikmüll, Foto: Chloé Dubois
05: Schildkröte verfangen im Treibnetz, Foto: Francis Pérez.
06 und 07: Tiere am Strand konfrontiert mit Plastikmüll: Fotos: Matthew Chauvin
QUELLEN _____________________________________
1)Quelle: Wissenschaftsmagazin Science, 2015.
2)World Wildlife Fund, Quelle Infografik „Woher kommt der Müll“
3)Restlichen Fotos und Grafiken von: www.theoceancleanup.com