Ausgabe Nr.
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J M upload 04.08.2019, Viva Edition 154 | Print article

Landhaus mit 300 Jahren Geschichte: Hotel Rural Las Longueras in Agathe

Die Möglichkeiten seinen Urlaub in individuellen Unterkünften, sogenannten Casas rurales, zu verbringen, fernab der Massenabfertigung gigantischer Bettenhochburgen, sind so mannigfaltig, wie wir Menschen. Doch eines verbindet uns, nämlich die Suche nach echter Entspannung gepaart mit ein bisschen Entdeckergeist. In unserer letzten Ausgabe entführten wir Sie nach Santa Lucía in die Casa Rural Fuente de la Flora, wo Señora Alicia das einzige Landhaus auf Gran Canaria führt, das für Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit geeignet ist.

Auch für diese Ausgabe haben wir einen besonderen Schatz entdeckt und zwar die Finca Las Longueras, ein Hotel Rural. Es befindet sich im Nordwesten von Gran Canaria im wunderschönen Tal von Agaete in die Finca Las Longueras. Siehe Unsere Top 3 Sehenswürdigkeiten in Agaete

Imposant Tamadaba

Flankiert wird es von einem imposanten Massiv (siehe Foto 01), dem die Berge Tirma, Altavista und Tamadaba angehören. Durch Eruptionen wurden die ältesten Erdschichten auf Gran Canaria in mehreren Kanälen an die Oberfläche befördert, weshalb die Gegend auch für Geologen höchst bemerkenswert ist. Im Jahr 1987 wurde diese Zone zum Naturschutzgebiet „Parque Natural de Tamadaba“ erklärt (Gesetz 12/1987 vom 19. Juni). Der Park umfasst 7.539 ha und erstreckt sich neben Agaete auch auf die Gemeinden Artenara und La Aldea de San Nicolás.

Orangen, Kaffee und andere Highlights

Die Landwirtschaft hat neben der Fischerei für die Einheimischen eine hohe wirtschaftliche Bedeutung, wie beispielsweise der Anbau von Zitrusfrüchten, Mangos, Guaven, Papayas, Oliven, und, dank des Wasserreichtums, sogar Kaffee, die einzige Anbaufläche in Europa. Auch Käse und Wein wird produziert.

Die Orangensorte „Washington Navel“ (allgemein bekannt unter dem Namen Naranja de Ombligo) ist aufgrund ihres intensiven Geschmacks, ihrer Ausgewogenheit an Süße und Säure sowie ihrer leicht zu entfernenden Schale bei den Konsumenten äußerst beliebt. Die robusten, aber niedrigen Bäume, begünstigen eine leichte Ernte und daher hat sich seit den 1970-er Jahren die Menge auf nunmehr 300 Tonnen jährlich erhöht. Weniger bekannt ist der Anbau von Zwiebeln, der jährlich bis zu 130 Tonnen Ernteertrag ausmacht.

Agaete boomt immer mehr bei den Städtern

Die gleichnamige Gemeinde mit etwa 5.500 Einwohnern ist inzwischen weit mehr als ein Insider-Tipp, denn inzwischen pilgern die Städter an den Wochenenden in eines der vielen Fischrestaurants, um fangfrische regionale Köstlichkeiten zu genießen und das zu sehr moderaten Preisen.

Der kleine Hafen, an dem regelmäßig die Fähren der Nachbarinseln anlegen, hat sich trotzdem seinen Charme bewahrt und erinnert an die griechische Insel Mykonos, denn alle Häuser sind weiß und viele haben blaue Fensterumrandungen bzw. Türen. Das ist eine Vorgabe des Ayuntamientos und zieht bis in das Valle de Agaete. Dort gibt es nur zwei Ausnahmen, ein gelbes Haus und ein rotes, im sogenannten Farbton „rojo inglés“ (Foto 03). Dieser dunkelrote Farbton war ein Zeichen für die gehobenere Gesellschaft und wurde gerne für herrschaftliche „Mansionen“ gewählt.

Herrschaftlich: 300  Jahre Finca Las Longueras

Gleich am Beginn der Einfahrt in das Tal von Agaete befindet sich auf der rechten Bergseite das historische Hotel Rural Finca Las Longueras, das sich seit über 300 Jahren in Familienbesitz befindet. Dahinter wölbt sich das Tamadaba Massiv majestätisch auf, als breite es schützend seine Arme aus.

Mit seiner roten Fassade lädt es schon von weitem ein, verlockend und verheißungsvoll. Die Türen und Fenster dieses Kolonialbaus aus dem Jahr 1895 sind weiß umrandet. Die Anlage gehört seit drei Jahrhunderten der aristokratischen, kanarischen Familie Manrique de Lara. Der einstige Majoratsherr Francisco Manrique de Lara erbte das herrliche, herrschaftliche Anwesen einschließlich 173 Hektar Grund und vererbte es seinem jüngsten Spross, Agustín Manrique de Lara y Bravo de Laguna (1909 – 2004). Das Haupthaus aus dem Jahr 1895 wurde vom katalanischen Architekten Laureano Arroyo Velasco im Kolonialstil mit nicht zu übersehenden britischen Einflüssen erbaut. Im Laufe der Zeit erweiterte der, aus einer hoch katholischen und höchst angesehenen Adelsfamilie abstammende Gutsherr, das Anwesen um eine eigene Kapelle samt Altar und Verzierungen. Sie ist der Virgen de Los Dolores gewidmet.

Auch heute gehört dieses Anwesen einem 76-jährigen Nachfahren, der inzwischen zwar in Madrid lebt, aber regelmäßig sein Landgut auf Gran Canaria besucht, das seit so vielen Generationen die Familiengeschichte zusammengeführt hat. Hier gingen einst Persönlichkeiten aus Politik und Kunst ein, wie z. B. Pepe Damaso oder César Manrique, die mit dem Hausherrn eine tiefe Freundschaft verband.

Hotel Las Longueras und die Gute Seele: Lourdes Pérez Mederos

Damit in seiner Abwesenheit alles reibungslos abläuft, hat vor fast zwei Jahrzehnten die liebenswürdige Lourdes Pérez Mederos (Foto 02) als Direktorin das Zepter übernommen. Auch wenn die Finca vom hektischen Trubel entfernt liegt, zu tun gibt es überraschenderweise sehr viel und sie erläutert: „Man darf nicht vergessen, dass es ein sehr großes Areal ist, dass sich über zwei Kilometer in das Tal zieht. Unsere Hauptaktivität ist der landwirtschaftliche Betrieb. Wir produzieren hier beispielsweise etwa 40 Tonnen Orangen, die an Hotels und an Bauernmärkte geliefert werden. Zudem werden Papaya und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse angebaut und nicht zuletzt das Wassermanagement. Auf diesem Gelände sind wir in der glücklichen Lage aufgrund der Quellen über viel Wasser zu verfügen und das verkaufen wir auch an die angrenzenden Fincas.“

Lourdes stammt aus Las Palmas de Gran Canaria und pendelt jeden Tag zu ihrer liebgewonnenen Finca Las Longueras und nach so langer Zeit zählt sie schon fast zur Familie. Sie hat die Veränderungen und Erweiterungen begleitet, die peu à peu Einzug gehalten haben. Im Jahr 2000 wurde das Herrenhaus als Landhotel eröffnet. Dabei hat man höchsten Wert darauf gelegt, die originären historischen Strukturen zu erhalten, wie beispielsweise die kanarischen Parkettböden (pino canario), die Holzdecken etc. Lourdes führt uns durch das Hotel rural, einem Ort der Besinnlichkeit mit einem unbeschreiblichen Charme. Es ist, als ob die Vergangenheit zum Leben erweckt wurde, was durchaus seine Herausforderungen bot, wie sie erklärt: „Natürlich wollten wir auch so viel wie möglich von den historischen Einrichtungsgegenständen verwenden, neu renoviert natürlich. Bei einigen Antiquitäten mussten wir erfinderisch werden, denn die Betten waren einst viel kürzer, da die Menschen viel kleiner waren u.s.w.“

Jeder Raum individueller Charme

Ich begutachte wohlwollend die Schönheit des Interieurs. Das Mobiliar ist zwar größtenteils im britisch-kanarischen Stil, doch finden sich auch nette ‚Ausreißer‘, wie chinesische Porzellanvasen oder ein ‚Postverteilzentrum‘ aus dem Jahr 1815. Es stammt von der Mutter des heutigen Besitzers und wurde von La Orotava nach Gran Canaria mitgebracht. Noch heute zeigen die Plaketten auf den Fächern die Destination und sogar die Postgebühren (natürlich in Peseten) sind der Liste zu entnehmen.

Mit viel Liebe für das Detail fand jedes Objekt seinen Platz, stille Zeitzeugen, die harmonisch mit der Gegenwart verschmelzen. Die Gemälde an den Wänden und vor allem die vielen schwarz-weiß Fotografien entführen den Betrachter in das Leben von einst – ein Genuß. Die Familie pflegte eine große Affinität zur Kunst, was sich ebenfalls in den Gemälden an den Wänden ausdrückt, viele von renommierten kanarischen Künstlern, wie beispielsweise Manolo Ruíz, César Manrique oder Pepe Dámaso.

Jeder Raum ist individuell gestaltet und dekoriert. Das komplette Gebäude versprüht trotz des herrschaftlichen Ambientes ein kuscheliges Wohngefühl. Der Blick in die wunderschöne Natur, die hellen Räume, die Leseecke in der Bibliothek etc.

Und selbst der Pool liegt versteckt hinter altem Baumbestand und bietet Zurückgezogenheit im privaten Umfeld. Der liebevoll gepflegte Garten bezaubert durch seine jahrhundertealten Bäume, den Duft der Blüten – besonders im Frühjahr, wenn die Orangenblüten die delikate Duftnote Azahar versprühen.

Der Gang mit der Zeit

Doch ich sehe keine Gäste an diesem heißen Sommertag und Lourdes erklärt mir: „Im Moment sind zwei Zimmer belegt und die meisten unserer Gäste sind tagsüber auf Entdeckungstour oder wandern. Im Winter sind wir fast durchweg ausgebucht, zum Glück. Viele unserer Gäste sind wiederkehrende Urlauber, die dieses familiäre Umfeld und die herrliche Ruhe schätzen. Wir haben viele Deutsche, Holländer und Belgier und manchmal auch Briten. In diesem Jahr merken wir den Buchungsrückgang der ausländischen Gäste im Sommer. Wir arbeiten mit großen Unternehmen, wie Thomas Cook, TUI oder Meeting Point zusammen.“

Beim Frühstück bietet sich ein herrlicher Blick auf die Plantage und die Berglandschaft. Der Garten und vor allem auch der angelegte Kakteengarten mit seinen meterhohen Exemplaren ist ein von den Gästen höchst geschätztes Detail des Anwesens.

Es stehen verschiedene Kategorien zur Verfügung: Doppelzimmer (8), Einzelzimmer (1), Suite (1), Junior Suiten (2) etc. Für Familien können manche Räume aufgrund der Platzverhältnisse noch mit Zusatzbetten ausgestattet werden. Natürlich ist die Ausstattung an den heutigen Standard angepasst, ergo: Fön, Tresor, TV etc. sind eine Selbstverständlichkeit.

Die Zeit ist an diesem beschaulichen Platz wie im Flug vergangen und ich freue mich, eines Tages selbst in dieses charmante Domizil auf einen Kurzurlaub abzutauchen und mich dem Schreiben zu widmen.           jm

Kontakt

Hotel Rural Finca Las Longueras
35480 Valle de Agaete (Agaete), Gran Canaria
Tel.: (+34) 928 898 145
Rezeptionszeiten: 9.00 - 17.00 Uhr
reservas@laslongueras.com
www.laslongueras.com
Preis: 120 Euro für 2 Personen inkl. Frühstück für eine Suite und pro Kind zusätzlich 12 bis 18 Euro.

Siehe auch: Unsere Top 3 Sehenswürdigkeiten in Agaete