Aus der Serie Landhaustourismus: Die Wege, Persönlichkeiten bzw. Geschichten für meine Leser zu entdecken, unterliegen häufig Zufällen, so wie in diesem äußerst interessanten Fall, bei dem ich Ihnen Robert Wöhrl und Roland Welke vorstellen darf (Foto rechte Seite, schon die Namen klingen, als seien Sie für ein Künstlerduo kreiert worden). Was treibt zwei intelligente und etablierte Berliner dazu, ihr geordnetes und sicheres Leben in der Weltmetropole gegen einem in dem kleinen Dorf in Fataga einzutauschen? Eines sonntags besuchte ich meine Freunde auf der Finca Montecristo und ein ‚neuer Veterinär‘ war zugegen, um die kranke Cleo zu untersuchen. Aha, er macht Hausbesuche! Das ist genial, gerade wenn man einen großen Hund hat, den man/frau nicht so einfach tragen kann. Geduldig und kompetent beriet er die Hundebesitzer und nahm sich schier endlos Zeit für seine Anamnese etc.
Der Tiefstapler
Mit dabei war sein Lebensgefährte Roland Welke, der sich dezent im Hintergrund hielt und „Understatement vom Feinsten“ betrieb, wie sich noch herausstellen sollte. Natürlich war ich neugierig zu erfahren, was die Beiden dazu veranlasste, nach Gran Canaria zu ziehen und wie sie ihre Zukunft hier sehen. Nach hartnäckigem Nachfragen erfuhr ich schließlich, dass Robert eine Tierklink in San Fernando eröffnete und Roland sich um die Gäste in ihrem Landhaus kümmert. Die sogenannten „Casas Rurales“ für Individualtouristen boomen auf den Kanaren. Es lag auf der Hand, dass ich sie im schönen Fataga besuchen würde.
Lange Planung, gut durchdacht
Nachdem unser Navigationsgerät sich gründlich ausgesponnen hatte, haben wir ihr Domizil mit dem klingenden Namen „Palomar Fataga“ schließlich gefunden. Sie standen bereits lächelnd an dem großen schweren Tor. Zum Glück, denn das Schild übt sich in vornehmer Zurückhaltung und das Anwesen ist mit einer hohen, weißen, hübsch gestalteten Mauer umgeben. Intimität und Privatsphäre werden hier großgeschrieben, aber nicht nur das. Sofort, wenn man das Tor passiert, überströmt einem eine angenehme Glückseligkeit, ein wahrhaft zauberhaftes Paradies. Nichts ist hier zu hören, bis auf das Rauschen des Windes und natürlich das Naturkonzert der zwitschernden Vögel. Robert verlässt uns bald, um in seine Praxis zu fahren und so nehme ich an einem großen massiven Holztisch auf der Terrasse Platz, um mit Roland zu plaudern.
Von Berlin nach Fataga
Palomar einfach nur schön zu nennen wäre eine Beleidigung, denn hier ist jede Nische, jedes Accessoire, jede Pflanze und sogar jeder Ausblick mit Bedacht inszeniert und das im wahrsten Sinn des Wortes. Wie ich erfahre sitzt vor mir der ehemalige Kreativdirektor des Friedrichstadt-Palastes Berlin. Die renommierte Tageszeitung The New York Times schrieb sogar „Must-See in Berlin“ und meinte damit die atemberaubende „The One Grand Show“, die mit ihren fulminanten Kostümen, den Bühnenbildern, den Lichteffekten und natürlich den Performances der Künstler das Publikum begeistert. Mit 750.000 Gästen brach sie alle bisherigen Rekorde. Dieser bescheidene und fast stoisch ruhig wirkende Gastgeber ist der Verantwortliche Regisseur, erarbeitete eben das Showkonzept und von ihm stammt auch die Idee. Von einer Weltmetropole in das kleine Dorf?
DIE SUCHE NACH DEM RICHTIGEN REFUGIUM
Die Entscheidung, ihren Lebensmittelpunkt nach Gran Canaria zu verlegen, ist von beiden gut überlegt und gründlich durchdacht worden und Roland erinnert sich an die Anfänge: „Natürlich ist es schön erfolgreich in seinem Beruf zu sein, aber es gibt zu wenige Momente, in denen man das auch genießen kann. Selbst als Kreativdirektor sitzt man praktisch den ganzen Tag drinnen, es ist also eigentlich ein Bürojob. Man muss sich um so viel rundherum kümmern, von der Administration ganz zu schweigen. Als wir die Entscheidung gefällt haben, begannen wir intensiv mit der Recherche und fuhren immer wieder quer durch die Insel, um ein adäquates Objekt zu finden. Es ist schwer zu beschreiben, aber wenn man das Richtige gefunden hat, dann weiß man es sofort. Im Jahr 2010 entdeckten wir bei einer unserer Besichtigungstouren dieses Juwel in Fataga. Perfekt. Es liegt weit genug weg vom Touristentrubel bzw. Stress und mit nur 20 Minuten Fahrtzeit doch nahe genug dran.“
Die kleinen Details machen den großen Unterschied
Alle, die im Palomar waren kommen wieder
Den Vergleich mit einem Edelstein muss man hinsichtlich des damaligen Zustands dieses 300 Jahre alten Anwesens relativieren, denn es waren durchaus einige Investitionen notwendig. Doch Rolands Vorstellungskraft war entfacht, spätestens als der Kaufvertrag 2011 unterschrieben wurde. Er erklärt uns die Idee dahinter: „Wir wollten einen Ort erschaffen, an dem wir uns auch selbst wohlfühlen. Es sollte ein Refugium werden, in dem man Ruhe und Privatsphäre hat, um sich zu ‚entschleunigen‘. Bei unseren Aufenthalten auf Gran Canaria kannten wir auch die 3-Sterne Appartements und den damit verbundenen Stress nur zu gut. Unser Palomar kommt an. Unsere Gäste sind aus der Großstadt, die genau so etwas suchen, ohne auf gewisse Bequemlichkeiten oder zeitgemäße Standards zu verzichten. Sie wollen nicht den ganzen Tag beobachtet werden, sondern ihre Batterien auftanken. Die Lage hier ist auch super geeignet um Radtouren zu unternehmen oder zu wandern. Alle, die hier waren, wollen wiederkommen. Das ist in Wirklichkeit das größte Kompliment und bestätigt uns in unserer Strategie.“
Kreativität trifft auf Improvisationskünstler
Roland führt mich durch das Anwesen, das so schwer zu beschreiben ist. Die Ruhe zu erleben ist eine Sache, aber den Charme und das Charisma dieses außergewöhnlichen Ortes in Worte zu fassen, ist fast unmöglich. Palomar hat Seele und mir werden immer weitere Details erläutert: „Die Planung war am schwierigsten, denn beruflich war ich in Berlin gefesselt und mein Vorstellungsvermögen war im höchsten Maß gefordert, wozu mir lediglich Fotos dienten. Uns ging es immer um die Materialien, wie Holz, Stein etc. Es muss echt sein, sei es bei einer Holzdecke oder den Terrassenfliesen, wie jene hier, die von Hand ausgestrichen wurden.“ Der Hausherr bückt sich und streicht mit seinen Fingern über die Oberfläche, um es mir zu demonstrieren.
Dann bittet er mich ihm zu folgen, denn auf einer Fliese sieht man sogar den Abdruck einer Hundepfote auf die er lächelnd deutet und schließlich fortfährt: „Der große Esstisch stammt beispielsweise aus Indonesien. Ich fuhr an meinem einzig freien Tag von Berlin nach Hamburg, um mich vom Design und der Qualität der Materialien und Möbel, bevor sie in den Container verladen wurden, zu überzeugen. Die Dachziegel haben wir aus Valencia importiert. Vieles haben wir in Paris gefunden, aber auch in Spanien, England, Niederlande und Deutschland. Perfektioniert haben wir das Ergebnis, nachdem wir definitiv übergesiedelt sind. Im Detail liegt eben der Unterschied. Was sieht man, wenn man auf einer Sonnenliege liegt oder wenn man aus seinem Fenster blickt? Eines mussten wir sogar verlegen, denn die Aussicht war vereinnahmt von einem dicken Stamm einer Palme. Natürlich benötigt man auch Leuchten, aber sie dürfen die Substanz der Gebäudefassade nicht zerstören. Meine selbst kreierte Beleuchtung ist tagsüber unsichtbar und am Abend leuchtet der Kegel exakt bis zur Kante des Weges und blendet somit nie
manden. Erst habe ich ein Modell aus Pappe gemacht und so lange die Positionen verändert, bis ich den perfekten Lichtkegel ausgeklügelt hatte.
Generell bin ich mir nicht zu fein, selbst mit anzupacken.
Chic UND MATERIALIEN mit Geschichte
Ich goutiere all die feinen Details, die Lampen. Das muss ein Vermögen gekostet haben und auf meine Frage antwortet Roland: „Nun ja, billig war das Ganze nicht, aber es war es wert. Natürlich bekommt man nicht immer alles, was man will. Oft ist Improvisation gefordert. Wenn ich schon Schilder an den Steckdosen anbringen muss, dann wenigstens ästhetische. Bei all den Designfragen darf man den Wohlfühlfaktor und die Bequemlichkeit nicht außer Acht lassen. Wie sitzt man? Wer in einem Landhaus übernachtet, der muss nicht automatisch seine Ansprüche auf die Standards der Zivilisation verzichten. Eine gute Espressomaschine und gut ausgestattete Geräte verstehen sich auf Palomar von selbst.
Eine Odyssee: Bürokratie zur Realisierung
Nicht aufgeben heißt die Devise und das traf auch auf Roland und Robert zu: „Es war ein langer und anstrengender Weg, bis wir unser Ziel erreicht hatten, wenngleich man ja nie wirklich fertig wird. Sehr viele Dokumente waren erforderlich und für alles benötigten wir professionelle Unterstützer. Wir mussten uns ein dreiviertel Jahr in Geduld üben, um nach der Fertigstellung endlich die Eröffnungslizenz zu erhalten. Die Anforderungen waren teilweise schwer nachzuvollziehen, sei es bei der Waschmaschine oder bei den Parkplätzen, die sich in einem Umkreis von maximal 200 Meter befinden durften, oder ein Fön mit mindestens 1.800 Watt Leistung. Nachdem Palomar denkmalgeschützt ist, kann man sich vorstellen, dass zusätzliche Erfordernisse notwendig waren. Ende gut, alles gut. Natürlich wollen wir, dass unser Landhäuschen funktioniert, allerdings arbeite ich auch weiterhin für einzelne Projekte, fokussiere mich aber dann ausschließlich auf den künstlerischen Bereich. Wir genießen unser Leben hier, fahren viel mit dem Rad, kochen und essen gerne. Irgendwie zieht man automatisch Gäste an, die das Leben ähnlich sehen wie wir und das hier genießen können.“
Eineinhalb Stunden hat unser Besuch gedauert und fast will ich gar nicht mehr weggehen ...
KONTAKT
Casa Rural Palomar Fataga
Paseo de Los Ovejeros 16
E-35108 Fataga, Gran Canaria
Tel.: (+34) 928 092 038
Email: info@palomar-del-sur.eu
Preise ab 99 Euro, je nach Saison.