Ausgabe Nr.
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J M upload 03.01.2022, Viva Edition 183 | Print article

Weshalb Europa alleine den Klimawandel nicht retten kann - ein globaler Überblick, Sisyphos CO2

Regional & ökologisch

Der Primärsektor auf den Kanarischen Inseln unterliegt einer Transformation und das, obwohl die Bewirtschaftung mancherorts eine Herausforderung darstellt. Diese liegt in der Morphologie, beispielsweise auf Gran Canaria aufgrund der vielen Schluchten, der steilen Hänge und vor allem wegen des Wassermangels. 

Die spanische Trinkwasserversorgung ist allerdings gesichert, nicht zuletzt durch die Meerwasserentsalzungsanlagen, die laufend gebaut werden, denn das Land ist in diesem Bereich technologisch führend.1) Allerdings ist diese Methode äußerst kostenintensiv und kommt somit ausschließlich den städtischen und touristischen Zwecken zugute. In der Landwirtschaft zeigten sich schon die Altkanarier erfindungsreich und bewirtschafteten auf angelegten Terrassen. Nachdem Wasser in vielen Gemeinden nicht ausreichend vorhanden war, legte schon die indigene Bevölkerung Steine entlang der angelegten Rinnsäle aus, um das Wasser bestmöglich zu lenken. Auch nach der Eroberung der Insel führte man diese Tradition fort und teilweise sind noch heute diese Bewässerungsnetze im Nordosten der Insel im Einsatz.2) Dank vieler Stauseen, Weiler etc. ist heute die Agrarbewirtschaftung sichergestellt.

Qualität vor Quantität

In der letzten Dekade setzte ein auf Qualität orientiertes Umdenken in der Landwirtschaft ein, das von den Behörden forciert und gefördert wird, wie beispielsweise durch Schulungen, Messen und nicht zuletzt auch Wettbewerbe, wie dem „World Cheese Award“ oder dem „Bacchus Preis“, bei denen sich diese Bemühungen in den Preisen widerspiegeln. 

Neben Käse und Wein punktet der Archipel auch mit hochqualitativem Gourmetsalz, Olivenöl, Honig, Bananen, Orangen, Gemüse, der Wurstspezialität Chorizo etc.

Neben der Qualität und dem Geschmack wird neuerdings auch auf ökologische Produkte gesetzt, deren jährliche Produktionsmenge laut ICCA (Instituto Canario de Calidad e Investigación) 120 Tonnen umfasst - Tendenz steigend.

KonsumentInnen können diese ökologisch produzierten kanarischen Produkte gemäß der EU-weit einheitlichen Kennzeichnung erkennen.3)

Die Emissionen global

Etwa 50 Milliarden Tonnen Treibhausgase gelangen jedes Jahr in die Atmosphäre, konkret Kohlendioxid (74,4 %), Methan (17,3 %), Stickstoffoxide (6,2 %) und F-Gase (2,1 %). Nicht jedes dieser Gase hat allerdings den selben Wärmeeffekt. Daher wird zur Bemessung des Wärmepotenzials die Einheit CO2e herangezogen, also das Kohlendioxid-Äquivalent.  

Berechnungsbeispiel: Methan hat beispielsweise einen CO2e-Wert von 28. Wieviel Emissionen produziert eine Tonne Methan über einen Zeitraum von 100 Jahren und diese wird in Relation zu Kohlendioxid gestellt.4)

Treibhausgassünder

• Weltweit ist China mit 11,58 Mrd. Tonnen das Land mit den höchsten CO2-Emissionen. Gleichzeitig ist weiterhin eine starke Wachstumskurve festzustellen. Die Menge hat sich seit 1990 verdreifacht!

• Auf Rang 2. folgt die USA mit 5,83 Mrd. Tonnen jährlicher CO2-Menge, allerdings mit einer nur geringen Zunahme von 3 %. 

• Indien liegt auf dem dritten Rang mit 3,24 Mrd. Tonnen, weist allerdings ebenfalls einen enormen Anstieg von 174 % auf.

• Die Europäische Union zusammengenommen (27 Länder) verursacht 3,16 Mrd. Tonnen Treibhausgasemissionen, wobei hier die Tendenz stark sinkend ist (-25 %). 

• Noch größer ist der Rückgang in Russland, wo 2,39 Mrd. Tonnen verursacht werden (-33 %).

Anteil erneuerbare Energien

Norwegen und Österreich bedienten ihren Energiebedarf im Jahr 1985 zu 100 % mit erneuerbaren Energiequellen. Während der Anteil in Norwegen im Jahr 2020 auf 98,70 % lediglich leicht gesunken ist, verzeichnet Österreich einen größeren Rückgang auf inzwischen nurmehr 79,27 %. Der Rest wird ausschließlich mit fossilen Energiequellen gedeckt.

Frankreich deckt mehr als zwei Drittel des Strombedarfs mit Nuklearenergie und 23,32 % durch erneuerbare Energie. Im Jahr 1985 lag der Anteil der Nuklearenergie sogar bei 77,79 %.

In Spanien ist der Anteil gestiegen und zwar von 25 % im Jahr 1985 auf 44 % im Jahr 2020. Enorm gestiegen ist der Anteil der erneuerbaren Energiequellen in Deutschland und Großbritannien ist der Anteil gestiegen und zwar von 3,75 % auf 44,90 % bzw. von 1,35 % auf 42,20 %.

Gesunken ist der Anteil der Deckung des Energiebedarfs durch saubere Energien in Australien (100 % auf 24,8 %), Norwegen (100 % auf 98,79 %) und Österreich (100 % auf 79,27 %). 

Auch Russland setzt vermehrt auf saubere Energien, wo der Anteil von 16,60 auf 21,10 % gestiegen ist was in Anbetracht der Größe des Landes einen vergleichsweisen guten Impakt auf die Umwelt hat.

Der konsumbasierte Energiebedarf

Für eine faire Vergleichbarkeit ist es sinnvoll den konsumbasierten Energiebedarf heranzuziehen. Dabei wird die Energiemenge, die in einem Land für die Produktion von Exportgütern benötigt wird, vom Eigenbedarf der Bevölkerung abgezogen. Als Basis für die Bewertung dienen die Handelsdaten. Darauf basierend hat der Forscher Viktoras Kulionis einen Bericht erstellt, der in der Online-Plattform Our World in Data veröffentlicht wurde. Anmerkung: Die Daten waren von kleineren sowie von Entwicklungsländern nicht umfassend eruierbar.

Bei dieser Betrachtung würden Kanada und die USA den weltweit höchsten pro Kopf Energieverbrauch haben und China wäre im unteren Drittel angesiedelt.

Umweltsünder nach Sektoren

Der Sektor Energie- und Heizungswirtschaft verursacht weltweit 42 % der Treibhausgasemissionen. Der Energieverbrauch ist eng an den Wohlstand geknüpft. Ergo: Je mehr Geld zur Verfügung steht, desto mehr Energie wird aufgrund des gehobenen Lebensstandards (Wasch- und Geschirrspülmaschine, Klimaanlage etc.) verbraucht.

Allerdings zeichnet sich in den letzten Jahren ein Umkehrtrend ab. In einigen reichen Ländern ist es gelungen, das Wirtschaftswachstum vom Energieverbrauch zu entkoppeln und beispielsweise trotz gestiegenem BIP gleich viel oder weniger Strom zu benötigen. Schweden ist ein Paradebeispiel, denn trotz deutlichem BIP-Anstieg ist der konsumbasierte Energieverbrauch gleich geblieben (siehe Skizze). Auch in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien, Österreich zeichnet sich dieser Trend ab.

Auf der anderen Seite gibt es Länder, bei denen sich das umgekehrt verhält. Besonders schwerwiegend ist die Entwicklung in Indien und China, wo sich mit rasanter Geschwindigkeit in den Mittelstand erhebt und der Automobilindustrie exobitante Wachstumsraten bescheren werden. Deutsche Automobilhersteller haben diesen lukrativen Markt längst im Visir. Sofern China, ein Land mit über 1,3 Milliarden Einwohnern ihr Klimaziel mit 2060 nicht reduziert, werden keinerlei Maßnahmen in kleinen Ländern, wie z. B. Österreich, irgendeinen Impact auf die Entwicklung nehmen können.

Eine relevante Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen kann nur mit gemeinsamen mit allen Ländern, vor allem den größten 'Sündern' erfolgreich sein!

Ziel Null-Treibhausgasemissionen einiger Länder

Die Transformation zu erneuerbaren Energien läuft, wenngleich nicht in allen Ländern mit der selben Intensität und Priorität. Weltweit haben sich viele Länder der Industrienationen auf Klimaziele festgelegt. Noch keine Klimaziele haben die meisten afrikanischen Staaten (haben allerdings einen nur sehr geringen Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen) sowie Länder von Mittel- und Südamerika, Asien sowie des Mittleren Ostens.

Kritisch ist allerdings beispielsweise das Klimaziel von China im Jahr 2060, berücksichtigt man, dass es mit über 11 Mio. Tonnen CO2e (siehe oben "Treibhausgassünder") die weltweit meisten Emissionen verursacht!

Das Ziel: Null-Emissionen

2040     Österreich

2045     Deutschland

2050     Spanien, Großbritannien, Frankreich, Italien, Griechenland, Ungarn, Rumänien, Kroatien, Australien, Neuseeland, Kanada und die USA
2053     Türkei

2060     Brasilien, China, Russland, Saudi Arabien, Ukraine

2070     Mexiko, Indien

2000     Benin

Die Daten der einzelnen Länder finden Sie unter: https://www.zerotracker.net

‚Umweltsünder‘ -  Lebensmittelindustrie

51 Mio. kmwerden weltweit landwirtschaftlich genutzt, 77 % davon für die Viehwirtschaft und nur 23 % für den pflanzlichen Anbau3) (z. B. Getreide, Gemüse oder Obst). Mehr als ein Viertel der globalen Treibhausgase sind auf die Lebensmittelproduktion zurückzuführen. Paradoxerweise werden ca. ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel nicht einmal konsumiert. Wir berichteten über die Lebensmittelverschwendung.2) 

Lieferketten

• Landnutzungsänderung: oberirdische Veränderungen der Biomasse durch Abholzung und unterirdische Veränderungen des Bodenkohlenstoffs.
• Landwirtschaft: Methanemissionen von Kühen, Methan von Reis, Emissionen von Düngemitteln, Gülle und landwirtschaftlichen Maschinen
• Viehfutter: Emissionen im landwirtschaftlichen Betrieb aus der Pflanzenproduktion und der Verarbeitung zu Futtermitteln für die Viehzucht
• Verarbeitung: Emissionen aus dem Energieverbrauch bei der Verarbeitung von landwirtschaftlichen Rohprodukten zu Lebensmitteln, insbesonder bei Fertiggerichten.
• Transport: Emissionen aus dem Energieverbrauch für den Transport von Lebensmitteln im In- und Ausland
• Handel: Emissionen aus der Energienutzung bei der Kühlung und anderen Prozessen im Einzelhandel
• Verpackung: Emissionen aus der Herstellung von Verpackungsmaterialien, dem Materialtransport und der Entsorgung am Ende des Lebenszyklus

Die Emissionen entstehen entlang der kompletten Lieferkette (siehe Skizze oben), vom Anbau bis zum Verzehr und die einzelnen Produkte variieren mitunter sehr stark was den ökologischen Fußabdruck betrifft. Folgende Glieder sind für die Bewertung relevant:

Werte des Fußabdrucks von Lebensmitteln

0 - 1: Erbsen, Wurzelgemüse, Tomaten, Nüsse, Zitrusfrüchte, Äpfel, Bananen, Sojamilch, Mais, Maniok
> 1 - 5: Reis, Eier, Milch, Tomaten, Weizen und Roggen, Erdnüsse, Rohrzucker, Fisch
> 5 - 10: Geflügelfleisch, Schweinefleisch, Palmöl, Olivenöl
> 10 - 20: Kaffee, Schokolade, Garnelen (gezüchtet)
> 20 - 24: Käse, Milchviehhaltung, Lamm- und Hammelfleisch
> 60** Rindfleisch (insbesondere von Rinderherden)

Siehe Lebensmittelverschwendung - Klimasünder? Wie sie ihre Lebensmittel richtig lagern und Verschwendung vermeiden

Null Kilometer, Null Treibhausgasemissionen? - Der große Irrtum!

Das Kanarische Landwirtschaftsministerium versucht mit der Initiative „KM.0 Gran Canaria“ regional erzeugte Produkte zu pushen, beispielsweise auf Messen (siehe https://km0grancanaria.com sowie Instagram @ecolocal.canarias)

Es macht durchaus Sinn lokale Betriebe zu fördern und die Abhängigkeit von globalen Playern zu reduzieren. Doch welchen Einfluss hat diese Strategie im Bemühen um die Reduktion der Treibhausgase tatsächlich?

Der extrem hohe Wert bei Rindfleisch aus speziellen Rinderherden ergibt sich vor allem durch die Umwandlung von Landflächen für die Viehzucht sowie die Methanproduktion der Tiere. Die Emissionen durch den Transport ist extrem gering und auch das Futter und die Verarbeitung sind von wenig Relevanz.

Ergo: Das WAS ist wichtig und nicht so sehr das WOHER

Grundsätzlich sind die CO2-Emissionen bei pflanzlichen Lebensmitteln zwischen 10 und 50 mal niedriger als bei tierischen. Beispielsweise hat Rindfleisch einen sehr hohen CO2e-Wert von 60 kg, der sich vor allem durch Landnutzungsänderungen und Methangase der Tiere ergibt. Der Transport und die Verpackung fallen kaum ins Gewicht, weshalb die 0-Kilometer Strategie in diesem Fall irrelevant ist. Bei Nüssen liegt der Wert etwa bei einem Kilogramm.

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Verweise

1)Viva Canarias Nr. 166 vom 2.8.2020 „Spanien Pionier bei Meerwasserentsalzung“

2)Viva Canarias Nr. 166 vom 2.8.2020 „Wasserverwaltung seit 1502: Heredad de Aguas de Arucas y Firgas“

3)Viva Canarias Nr. 180 vom 2.10.2021 „Ökologische Agrarwirtschaft vereinfacht und vereinheitlicht, Gütesiegel“

1)Food and Agriculture Organization of the United Nations, Bericht vom Juni 2019

2)Viva Canarias Nr. 159 vom 1.1.2020 „Lebensmittelverschwendung - Klimasünden“

3)Bericht von Poore & Nemecek, Bericht aus dem Jahr 2018

4)https://ourworldindata.org/co2-and-other-greenhouse-gas-emissions

6)https://ourworldindata.org/environmental-impacts-of-food

Siehe auch weitere Artikel

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