Es gibt viele Reisevarianten: Die bequeme, die effiziente, die abenteuerliche, die asketische …
Manche Menschen bereiten sich akribisch vor und ‚arbeiten die Must-See-Sehenswürdigkeiten‘‚ Punkt für Punkt im ‚Zeitraffer’ ab. Andere begeben sich unbefangen und blauäugig in eine neue Destination und lassen alles auf sich zukommen. Ich habe beides probiert und beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. Ich erinnere mich ganz genau an meinen ersten Besuch auf Gran Canaria vor 14 Jahren - blauäugig. Damals war ich überwältigt von dem „Mini Grand Canyon“ und erwartete auch nicht ‚Wanderdünen‘ anzutreffen, genauso wenig wie Kiefernwälder, die Schluchten und schon gar nicht die überaus interessante Geschichte rund um die Entdeckungsfahrten der Neuen Welt, die mich von Ausgabe zu Ausgabe tiefer in ihren Bann gezogen haben.
Nun denn, nachdem Museen in der jetzigen Zeit nicht unbedingt die erste Wahl der Freizeitgestaltung darstellen, widme ich mich einem anderen Thema - nämlich der unbeschreiblichen Vielfalt und Schönheit der Natur. Angesteckt hat mich meine Mutter. Sie hatte ‚green fingers‘, wie die Briten sagen. Sie hegte und pflegte ihre ‚Lieblinge‘ und brachte jede Pflanze dazu in üppiger Pracht zu erstrahlen.
Umso mehr war ich beeindruckt, als ich zum ersten Mal diese mir vermeintlich bekannten grünen Mitbewohner meiner Kindheit in überdimensionaler Gestalt zu sehen bekam. Das war damals im Palmitos Park und ich kam aus dem Fotografieren nicht mehr raus, um die Beweise des Unfassbaren in meine Heimat zu senden. Zimmerpflanzen nehmen hier Dimensionen von Bäumen an, die Blätter sind gigantisch, ebenso wie die Kakteen. Es ist faszinierend, wie banal anmutende ‚Zutaten‘ wie Wasser und Klima, alles zu zaubern vermögen. Die Kanarischen Inseln haben davon in Hülle und Fülle. Eine Reihe von bereits mehrmals berichteten Faktoren sorgten dafür, dass hier eine unbeschreiblich große Vielfalt an Fauna vorherrscht und vieles davon endemisch.
Was die Gründe für die botanische Vielfalt betrifft ...
Abgeschiedene Eilande haben eine Tier- und Pflanzenwelt, die sich von jener auf dem Festland unterscheidet. Genauso wie auf anderen Eilanden vulkanischen Ursprungs, wie z. B. die Galápagos Inseln, Hawaii oder die Kapverden, ist es auf den Kanarischen Inseln. Dafür gibt es mehrere Gründe. Es gibt hier Pflanzen, die auf den Kontinenten durch Klimaveränderungen ausgestorben sind (z. B. Lorbeerwald) . Sie konnten hier durch ‚Klimamigration‘ in höheren Lagen überleben. Selbst die hier vorkommenden Drachenbäume oder Euphorbien aus dem benachbarten afrikanischen Kontinent zählten beispielsweise zu den floralen ‚Erstsiedlern‘. Die Zugvögel rasteten oder ließen mit ihrem ‚Geschäft neue Samen vom Himmel regnen‘.
Mit der Entdeckung der Neuen Welt nahm die Seefahrt auf dem Archipel eine immer größere Bedeutung ein und es herrschte reger Handel. Mitunter waren exotische Pflanzen aus der ganzen Welt darunter, die nicht nur an europäischen Höfen höchst begehrt waren, sondern auch auf den Kanaren.
Botanische Parks
Vielleicht ist jetzt die richtige Zeit, um der Natur wieder ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu widmen und Kakteen, Sukulenten, Palmen, Exoten & Co bewußt zu genießen.
Nachdem das Wandern aufgrund der hohen Temperaturen gegenwärtig nicht empfehlenswert ist, könnte der Besuch eines botanischen Parks eine sehr gute Alternative sein. Hier präsentiere ich Ihnen meine persönliche Auswahl der Botanischen Parks. Falls ich über diese bereits umfassend berichtet habe, dann finden Sie über den jeweiligen QR-Code den Weg direkt zum entsprechenden Artikel auf unserer Webseite.
1. Avantgardistisches Flair im historischen Ambiente
Allein schon die ‚mordslustige‘ Würgepflanze mit ihrem avantgardistisch anmutenden Wurzelgeflecht wäre einen Besuch dieses außergewöhnlichen Jardín Botánico Puerto de La Cruz wert. Dieser herrliche Botanische Park reicht auf das Jahr 1788 zurück und versprüht noch immer diesen historischen Charme. Er lockte bereits vor Jahrhunderten wegen seiner exotischen Pflanzen Forscher und Naturliebhaber aus aller Welt an.
Vergangenen Juni sorgte ein weiteres Highlight für Furore, das leider aufgrund der Covid-19 Krise ein wenig untergegangen ist. Nach 30 Jahren erblühte die Agave Cacozela und ihr Blütenstand erreichte eine Höhe von sechs Metern. Leider stirbt sie danach ab, aber in etwa 25 Jahren hat man die nächste Chance … Der Park ist ein Muss bei einem Teneriffa Besuch und beeindruckt mit seiner exotischen Vielfalt an altem Pflanzenbestand.
Siehe Viva Canarias Nr. 164 vom 1.6.2020 Agave Cacozela in Blüte, ein Highlight nach 30 Jahren im Jardín Botanico Puerto de la Cruz
2. Königliches Flair im Herzoginnenpark
Ein historisches Pendant zu jenem zuvor erwähnten von Teneriffa bietet der Jardín de la Marquesa bzw. auch Jardín de Hesperides bezeichnet, in Arucas. Ihn haben wir der Sammelleidenschaft der Herzogin und ihrer Liebe zu exotischen Pflanzen zu verdanken, sodass wir hier eine feine Sammlung antreffen, die im Laufe der Jahre zu majestätischen Größen gewachsen sind.
Zudem ist dieser Park eigentlich der Garten der einstigen Sommerresidenz der Herzogin. Die Wege schlän
geln sich durch das schöne Ambiente im Kolonialstil samt Jugendstil-Elementen, romantische Lauben, entzückennde Teiche dem historischen Gebäude und mit diesem Charme verganener Zeiten zu Tagträumen animieren. Siehe Viva Canarias Nr. 116 vom 2.2.2019 Herzoginnenpark mit langer Geschichte in Arucas
3. Gigantisch in Europas größtem Kakteenpark
Falls stachelige Kratzbürsten Sie faszinieren, dann kommen Sie in Europas größtem Kakteengarten in La Aldea de San Nicolás de Tolentino voll auf Ihre Kosten. Sie werden über die Größen der Kakteen staunen und einen ´Waldspaziergang´der anderen Art erleben können. Es gibt auch einige Außenseiter, wie z. B. Drachenbäume, Aloe Vera, Agaven, Dattelpalmen und Euphorbien, doch sie stehlen den Protagonisten nicht die Show. Die Anlage lässt keinen Zweifel, dass kanarisches Kulturgut hoch gehalten wird und verfügt über ein „Mini-Amphitheater“ für Veranstaltungen, eine kleine Bodega und eine Snack-Bar (empfehlenswert). Sollten Sie einen Ausflug in das Naturschwimmbad Las Salinas de Agaete unternehmen (siehe Bericht in dieser Ausgabe), könnten Sie es mit einem Besuch des Kakteenparks optimal kombinieren.
Siehe Viva Canarias Nr. 148 vom 31.1.2019 Europas größter Kaktusgarten - Cactualdea
4. Oase trifft Wüste
Mein absoluter Favorit im Süden ist der Parque Botanico Tony Gallardo. „Die Natur funktioniert perfekt ohne uns Menschen“, dieses Zitat stammt von Professor José Luis Navarro Pérez während unseres Interviews aufgrund des Anfang des Jahres wiedereröffneten Parque Botánico Tony Gallardo.
Die Bedeutung habe ich während des Lockdowns erst richtig begriffen, nachdem die Natur unbeirrt ihrer Bestimmung folgte und sich von uns Menschen sichtbar erholt hatte. In diesem Park wurde darauf Wert gelegt, das Ökosystem möglichst naturbelassen zu halten, denn es liegt im Sondernaturschutzgebiet der Dünenlandschaft von Maspalomas. So sorgen umgefallene Bäume, das Plätschern des Wassers und das Singen der Vögel für romantische Momente – falls man in der Lage ist das Rundum auszublenden und der Natur seine volle Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Ein Highlight ist zudem der 4 km lange Wasserlauf, der sich durch das Areal zieht.
Siehe Viva Canarias Nr. 161 vom 28.2.2020 Parque Tony Gallardo wiedereröffnet
5. Ein ‘Quickie‘ in Maspalomas
Diesen botanischen Park (Parque de Maspalomas, siehe Fotos 001 - 003) hatte ich bisher noch nicht vorgestellt, obwohl er sich mitten in der Touristenhochburg befindet. Schmetterlinge fliegen zwischen lokalen und exotischen Pflanzen umher. Das Areal wurde aufgrund der Covid-19 Krise neu beschildert, um auf die Gehrichtung hinzuweisen. Leider kein schöner Eyecatcher. Zudem muss man neuerdings in diesem Park auf jeden Fall - auch wenn keine anderen Personen zugegen sind - eine Nasen-Mundschutzmaske tragen, was die Naturverbundenheit und die Freude eines Parkbesuchs leider trübt. Nichtsdestotrotz finden Sie einige exotische Schönheiten, wie z. B. den Moringabaum mit seinen kreativen Ästen.
Die neuen Öffnungszeiten lauten:
Mo. bis Fr. von 10.00 bis 18.00 Uhr, Sa., So und an Feiertagen geschlossen. Gratis. Adresse: Av. Touroperador Neckermann 2, Campo Internacional, Maspalomas, Tel.: 928 770716
Siehe auch Montecristo - Refugium im "Garten Edens"